Volksentscheid in Berlin: Initiative zieht aufs Schlacht-Feld
Wenige Wochen vor dem Entscheid ist in der Initiative 100 % Tempelhof offen Streit ausgebrochen: Der frühere Vorstand ficht die Wahl zum neuen Vorstand an.
Kaum zehn Wochen vor der Abstimmung über das Tempelhofer Feld entzweit sich die Bürgerinitiative, die den Volksentscheid erzwungen hat. Der abgewählte Vorsitzende Felix Herzog und zwei weitere Exvorstandsmitglieder haben am Amtsgericht Charlottenburg Protest gegen die Vorstandswahl Ende Februar eingelegt. Ein Gerichtssprecher bestätigte das der taz.
Bei der Mitgliederversammlung des Vereins Demokratische Initiative 100 % Tempelhofer Feld, der die Bürgerinitiative und das Volksbegehren rechtlich trägt, war in der Nacht zum 25. Februar der bisherige Vorstand um Herzog nicht wiedergewählt worden. Herzog, der seit Anfang 2013 amtierte, gilt als Macher innerhalb des Volksbegehrens und war in den vergangenen Monaten in Berliner und überregionalen Medien das Gesicht der Initiative. Der neue fünfköpfige Vorstand meldete die Personalie dem für das Vereinsregister zuständigen Charlottenburger Amtsgericht, das am 3. März die Änderungen eintrug.
Herzog und seine Mitstreiter wollen das rückgängig machen lassen und selbst wieder als Vorstand eingetragen werden. „Es wird beantragt, das Vereinsregister dahin gehend zu berichtigen“, heißt es in dem Antrag an das Gericht, der der taz vorliegt. Vom neuen Vorstand gab es dazu trotz mehrerer taz-Anfragen seit Mittwochnachmittag bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme.
Zur Begründung der Anfechtung heißt es in dem Antrag, die Mitgliederversammlung sei schon vor der Vorstandswahl offiziell beendet worden, die Wahl sei darum ungültig. „Das versammlungsleitende Vorstandsmitglied Christoph Breit (der zu den drei Antragstellern um Herzog gehört, d. Red.) war gezwungen, die ordentliche Mitgliederversammlung wegen massiver Störungen zu beenden“, ist in dem Schreiben zu lesen. Zudem führen die Antragsteller an, dass die Gruppe, aus der der neue Vorstand hervorging, kurzfristig eine stark veränderte und für sie günstige Tagesordnung durchgesetzt haben soll.
Breit hält der anderen Seite vor, kurz vor der Versammlung die Mehrheitsverhältnisse durch massive Neueintritte verändert zu haben. Binnen der sechs vorangehenden Wochen seien rund 50 Mitglieder hinzugekommen. „Nach Aussage eines Betroffenen war es sogar so, dass er bedrängt worden sei, in den Verein einzutreten“, steht in dem Antrag an das Amtsgericht. Man habe dem Mann sogar angeboten, für ihn den Vereinsbeitrag zu bezahlen.
Die „tumultartigen Zustände“, die zum offiziellen Abbruch der Versammlung durch Breit geführt haben sollen, beschreiben die drei Antragsteller folgendermaßen: „Der Versammlungsleiter kam nicht mehr zu Wort. Verschiedene Personen haben quer durch den Saal gleichzeitig gerufen. Die Rednerliste wurde überhaupt nicht mehr beachtet.“
Dem Protokoll der Mitgliederversammlung fehle zudem die laut Vereinssatzung nötige Unterschrift von Breit als Versammlungsleiter – der habe sich geweigert zu unterzeichnen, nachdem er „auf Ungenauigkeiten und Unrichtigkeiten im Protokoll hingewiesen hatte.“
Streit über Bindungskraft
Laut Gerichtssprecher Ulrich Wimmer könnte es noch in dieser Woche eine Reaktion des Amtsgerichts auf den Antrag geben. Es ist nach seinen Worten noch offen, ob beim Vereinsregister selbst eine Entscheidung fällt oder ob man die streitenden Parteien auf ein normales Zivilgerichtsverfahren verweist. Die Prüfung beim Vereinsregister verläuft Wimmer zufolge anhand der Formalia und nicht über eine Anhörung.
Mit dem Streit um die Vorstandswahl setzt sich ein interner Kampf in der Initiative fort. Ende Januar kam es zum Disput über die Bindungskraft eines erfolgreichen Volksentscheids gegen jegliche Bebauung, der Gesetzesstatus hätte. Die auf der damaligen Homepage der Initiative als Ansprechpartnerin firmierende Kerstin Meyer schloss mögliche spätere Änderungen nicht aus, die Bebauung in kleinem Rahmen ermöglichen würden. „Ein Gesetz ist nicht in Beton gegossen“, sagte sie Ende Januar der taz. Diese Aussagen entsprächen nicht der Mehrheitsmeinung in der Bürgerinitiative, konterte Herzog, damals noch Vereinschef, am folgenden Tag.
Die Auseinandersetzung innerhalb der Tempelhof-Initiative erinnert an Aufspaltungen beim „Wassertisch“, dem Träger des erfolgreichen Volksentscheids zur Offenlegung der Wasserverträge Anfang 2011. Herzog sieht die aktuellen Vorgänge darum nicht als Einzelfall: „Das sieht man ja leider bei jeder Partei und bei allen politischen Bewegungen in der Anfangsphase, dass es Zerfaserungen gibt.“
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