Virale „Dubai-Schokolade“: Dabei sein ist alles
Bei der süßen Versuchung aus TikTok schmelzen Bescheidenheit und Disziplin, alle wollen die Schokolade um jeden Preis. Die Frage ist, wie lange noch?
Genüsslich schmatzt eine TikTokerin in die Kamera: „Ich schwöre, die Dubai-Schokolade hat mein Leben auseinandergenommen. Die macht süchtig. Noch nie hat eine Schokolade so geil geschmeckt und noch nie hat mich eine Schokolade so arm gemacht“, beschreibt sie ihr Erlebnis mit der viralen Süßigkeit. Doch der Aufwand habe sich auf jeden Fall gelohnt, erzählt sie weiter. Immerhin könne sie jetzt „flexen“, also Eindruck schinden.
Schon seit Monaten wabert die sogenannte „Dubai-Schokolade“ als Must-have durch sämtliche soziale Medien. Als Erfinderin gilt die Unternehmerin Sarah Hamouda, die die Schokoladenkreation in der Manufaktur Fix Dessert Chocolatier in Dubai verkauft.
Entdeckerin der Spezialität soll die Food Influencerin Maria Vehera sein, die sich schon Ende 2023 bei der Verköstigung diverser Süßigkeiten aus Dubai filmte. Seitdem will die Aufregung darüber nicht abklingen.
Bis zu sechs Stunden in der Schlange
Der Hype hat es aus dem Bildschirm in die analoge Welt geschafft: Das Schweizer Chocolatiers-Haus Lindt bietet für kurze Zeit eine eigene limitierte Version der „Dubai-Schokolade“ an. Hunderte Menschen stehen deswegen bis zu sechs Stunden lang in deutschen Innenstädten Schlange – bei klirrender Kälte –, um knapp 15 Euro für eine Tafel Schokolade bezahlen zu dürfen.
Was ist es, das Junge und Alte, Gutbetuchte und solche, die gerade so über die Runden kommen, dazu motiviert, sich in solche Unkosten zu stürzen?
Manche argumentieren, es liege am Geschmack. Die Mischung aus Kadayif (das sind knusprig gebackene Teigfäden, die man von Baklava kennt) und süßer Pistaziencreme umhüllt von einem Schokoladenmantel soll ein Geschmackserlebnis der absoluten Superlative sein.
Exzess, Gier und Ungeduld
Alle Zutaten, die die Schokolade so verführerisch machen, gibt es aber auch in jedem gut sortierten Supermarkt. Eine „Dubai-Schokolade“ aus eigener Herstellung erfordert nicht mehr Aufwand als ein Kuchen und ist, wenn auch nicht billig, zumindest deutlich günstiger. Doch das spielt keine Rolle, niemand „flext“ mit Marke Eigenbau und die Leute rasten nicht wegen des Geschmacks aus, sondern wegen des Hypes selbst, ganz nach dem Motto: Dabei sein ist alles.
Der Run auf die Schokolade erinnert ein wenig an die Geschichte „Charlie und die Schokoladenfabrik“ aus dem Kinderbuch von Roald Dahl. Jeder will die Schokolade mit dem goldenen Ticket, das eine Reise in die magische Fabrik von Willy Wonka verspricht. Charlies Geschichte appelliert an Werte wie Bescheidenheit und Selbstdisziplin, gegen Exzess, Gier und Ungeduld.
Der Hype um die Dubai-Schokolade dagegen spiegelt unsere Sehnsucht nach Wohlstand, Status und Exklusivität wider. Doch zumindest Letzteres bröckelt bereits. Wer unbedingt dabei sein will, kann sich innerhalb von zwei Tagen günstige „Fake“-Tafeln bei Amazon nach Hause bestellen – für ein Video und 15 Sekunden Aufmerksamkeit reicht das.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr