Videos zeigen Tierquälerei: Skandalserie in Schlachthäusern
Aktivisten decken in mehreren Betrieben Tierquälerei auf. Die Überwachung der Schlachter sei keine Lösung. Es helfe nur, auf Fleisch zu verzichten.
Diese Aufnahmen einer versteckten Kamera in dem Schlachthof Hakenberg im brandenburgischen Fehrbellin hat die Tierrechtsorganisation Animal Rights Watch (Ariwa) vor Kurzem veröffentlicht. Sie zeigen grobe Fehler bei der Schlachtung. Denn dass Tiere so lange und so stark leiden, soll laut Gesetz durch die Betäubung verhindert werden. „An den beiden Tagen, an denen diese Aufnahmen entstanden sind, ist bei mindestens acht Rindern deutlich zu erkennen, dass sie während des Entblutens nicht vollständig betäubt sind“, sagt Ariwa-Sprecherin Sandra Franz.
Nach der Betäubung muss das Rind schnell durch einen Messerstich entblutet werden, damit es nichts von seinem Tod merkt. Doch Ariwa zufolge schnitten die Schlachter teils an der falschen Stelle, sodass das Entbluten zu lange dauert. Der Geschäftsführer des Schlachthofs bezeichnete es im Rundfunk Berlin-Brandenburg als „nicht akzeptabel“, wie sich seine Beschäftigten verhielten.
Einige Tage zuvor hatte der Verein Deutsches Tierschutzbüro ebenfalls heimlich aufgenommene Bilder aus dem Rinderschlachthof der Standard Fleisch GmbH & Co KG im niedersächsischen Oldenburg veröffentlicht. Sie zeigen, dass Tiere mangelhaft betäubt werden. Auch dieses Unternehmen beschuldigte einzelne Mitarbeiter. Am Montag ist bekannt geworden, dass der Betrieb zumindest vorerst stillgelegt wurde.
Mit dem Gabelstapler zum Schlachten
Gleichzeitig erstatteten die Tierschützer Strafanzeige, weil offenbar auch Beschäftigte des Veterinäramts ein Rind abgestochen hätten, das unzureichend betäubt gewesen sei. Sie seien auch nicht eingeschritten, als Schlachthofarbeiter Tiere getreten oder mit Elektroschockern malträtiert hätten. Das zuständige Veterinäramt in Oldenburg ließ eine Bitte der taz um Stellungnahme unbeantwortet.
Grundsätzlich müssen bei allen Schlachtungen Amtstierärzte vor Ort sein. Doch sie haben auch nicht verhindert, was die Organisation Soko Tierschutz Mitte Oktober aufgedeckt hat: In Schlachthöfen in Bad Iburg in Niedersachsen und in Schönhausen in Sachsen-Anhalt wurden ausweislich von Videoaufnahmen der Aktivisten verletzte, kranke und sterbende Tiere geschlachtet.
Dabei dürfen kranke Tiere noch nicht einmal transportiert werden, wie selbst die niedersächsische CDU-Agrarministerin Barbara Otte-Kinast erschüttert feststellte. Sie steht der Fleischwirtschaft nahe. Statt auf dem Hof getötet zu werden, wurden Tiere, die nicht mehr laufen konnten, teils mit einer Seilwinde gezogen und per Gabelstapler zum Schlachten gebracht.
TierrechtlerInnen: Videokameras keine Lösung
Wegen des Skandals sagt Kinast jetzt, dass sie juristisch prüfen lasse, „welche Möglichkeiten es gibt, verbindlich ein Kamerasystem in den Bereichen der Anlieferung, des Zutriebes, der Betäubung und der Schlachtung der Schlachthöfe anzuordnen“. Mit Videokameras ließen sich die Schlachter auch dann kontrollieren, wenn die Veterinäre gerade nicht vor Ort sind, argumentiert die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz. Kinast kann das leicht fordern, denn zuständig sieht sie das Bundeslandwirtschaftsministerium von Julia Klöckner (CDU). Doch das ist skeptisch, denn es sei sehr aufwendig, Überwachungsvideos zu analysieren.
Tierrechtler glauben sowieso nicht, dass Videoüberwachung das Problem lösen würde. „Wer soll denn dieses Material auswerten? Dieselben Veterinäre, die jetzt schon in vielen Fällen wegschauen?“, fragt Ariwa-Sprecherin Franz. „Unsere Lösung wäre, das Schlachten ganz zu lassen.“ Auch Bio kommt für sie nicht infrage. Denn mehrere der kritisierten Schlachthöfe waren biozertifiziert. Doch das heißt nur, dass sie konventionelles von Biofleisch trennen. Die Ökoverordnung der Europäischen Union macht keine besonderen Vorschriften für die Schlachtung.
Ob die meisten der rund 5.600 Schlachthöfe in Deutschland massiv gegen die Regeln verstoßen, bleibt mangels repräsentativer Studien umstritten. Aber fest steht: Tierrechtler werden immer wieder fündig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Schraubenzieher-Attacke in Regionalzug
Rassistisch, lebensbedrohlich – aber kein Mordversuch