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Video zur Tötung in St. LouisNie eine Gefahr für Polizisten

Die Polizei in St. Louis behauptet, Beamte hätten in Notwehr auf einen schwarzen Mann geschossen. Ein Video zeigt nun, dass das nicht wahr ist.

Kajieme Powell (oben links im Bild) und Polizisten kurz vor der Erschießung Screenshot: WhoisNE / youtube.com

ST. LOUIS taz | Das Video ist verstörend und erhellend zugleich. Es zeigt zwei weiße Polizisten, die einen jungen, schwarzen und erkennbar gestörten Mann auf einem Bürgersteig in St. Louis erschießen. 15 Sekunden nach Ankunft der Polizisten liegt Kajieme Powell sterbend am Boden. Einer der beiden Beamten richtet seine Pistole auf den Sterbenden. Der andere legt ihm Handschellen an. „Oh my fucking God“, ist eine Stimme im Off zu hören, „sie haben ihn gekillt. Es geht schon wieder los. Warum haben sie bloß keinen Taser benutzt?“

Die Szene spielt neben einer Bushaltestelle am Riverview Boulevard St. Louis - wenige Schritte von dem „Six Stars“ Supermarkt, in dem Kajieme Powell kurz zuvor zwei Energiegetränke und ein Gebäck gestohlen haben soll. Der Verkäufer aus dem Supermarkt ist auf dem Video mit einer roten Schirmmütze zu sehen. Er schaut aus wenigen Schritt Entfernung zu, wie die Polizei, die er wegen des Diebstahls verständigt hat, Kajieme Powell erschießt.

Nicht einmal vier Meilen entfernt ist zehn Tage zuvor in dem Vorort Ferguson der unbewaffnete Teenager Michael Brown von einem anderen Polizisten aus Missouri erschossen worden.

„Er hat die beiden Polizisten mit einem Messer bedroht“, erklärt der Polizeichef von St. Louis, Sam Dotson, kurz nach dem Tod von Kajieme Powell. Der Tote habe ein Messer umklammert, es auf die Polizisten gerichtet und sei auf sie zugelaufen. Dotson wiederholt seine Anschuldigung auch vor mehreren Dutzend afroamerikanischen Jugendlichen, die den Rest des Nachmittags und Abends an der Straßenecke versammelt sind. Manche von ihnen rufen den Slogan der Protestbewegung aus Ferguson: „Hands Up – Don't Shoot“. Der Polizeichef stellt sich hinter seine Beamten. Sagt, sie hätten in Notwehr gehandelt.

Transparenz und Widerspruch

Das um Offenheit bemühte Auftreten von Polizeichef Dotson ist eine Reaktion auf das Verhalten der Polizei von Ferguson. Die hat nach der Erschießung von Michael Brown tagelang geschwiegen und zugleich mit militärischem Auftreten gegenüber Demonstranten die Krise in der Vorstadt eskaliert hat. In St. Louis geht der Polizeichef noch einen Schritt weiter: Er veröffentlicht ein sechseinhalbminütiges Video (Achtung: Dieses Video zeigt die Erschießung eines Menschen.), das ein Passant mit dem Handy von der Erschießung Kajieme Powell's gedreht hat.

Doch das Video ist nicht nur eine seltene Demonstration polizeilicher Transparenz. Es widerspricht auch der Darstellung Dotsons in mehreren Punkten: Kajieme Powell mag ein Messer in der rechten Hand haben – genau ist das nicht zu erkennen – aber er richtet es in keinem Moment gegen die Polizisten. Stattdessen lässt er seine beiden Arme in den letzten Sekunden seines Lebens neben dem Körper nach unten hängen. Er geht auch nicht auf die Männer zu, als die ihren Wagen an die Bordsteinkante fahren und mit gezückten Pistolen herausspringen, sondern weicht zunächst mehrere Schritte zurück. (Achtung: Dieses Video zeigt die Erschießung eines Menschen.)

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Auf die Aufforderung, sein Messer fallen zu lassen, läuft er ein paar Schritte vor und ruft: „Schießt! Erschießt mich. Jetzt.“ Dann entfernt er sich wieder von den Polizisten, steigt über ein Mäuerchen nach hinten und bewegt sich hinter dem Mäuerchen wieder auf die Polizisten zu. Das ist der Moment, in dem beide Polizisten das Feuer eröffnen. Nach Angaben von Polizeichef Dotson verschießt jeder Beamte sechs Kugeln.

„Selbstmord durch Cop“?

Im Stadtteil war bekannt, dass der 25-jährige Kajieme Powell, der bei seiner Oma lebte, geistig behindert war. Auf dem Handy-Video, das lange vor der Ankunft der Polizei beginnt, führt Kajieme Powell Selbstgespräche, in denen die Worte „Brown“ und „Facebook“ fallen. Ein junger Mann geht ganz nah an ihm vorbei. Eine Stimme ruft ihm aus dem Off zu: „Alles OK, Brother?“ Eine andere Stimme kichert: „Mann, ist der verrückt“. Die beiden Energiegetränke stehen am Rand des Bürgersteigs. Kajieme Powell rührt sie nicht an. Er geht rastlos auf und ab. Später soll ein Polizist sagen: „Es war Selbstmord durch Cop.“

Nachdem Kajieme Powell tot ist, wird die Situation an der Straßenkreuzung für die Augenzeugen laut und bedrohlich. Zusätzliche Polizisten fahren mit Sirene vor. Sperren den Tatort mit gelbem Plastikband ab. Drängen die Umstehenden zurück. „Dreh Dich um“, herrscht ein nervöser Polizist einen jungen Mann mit Rastalocken an: „Geh. Sofort.“ Eine Frau schreit jemandem mit angstvoller Stimme zu, er solle „verdammt nochmal“ auf Abstand zur Polizei gehen. Ein Mann versucht, die Polizisten zu beruhigen: „Keine Sorge. Wir weichen ja schon zurück.“

Der Eindruck, dass hier Polizisten versuchen, eine kritische Situation ruhig einzuschätzen, um angemessen darauf zu reagieren, stellt sich nach Ansehen des Videos nicht ein. Hingegen wirft das Video Schlaglichter auf die alltäglichen Begegnungen zwischen afroamerikanischen Männern mit der – mehrheitlich weißen – Polizei in Missouri. Und auf eine polizeiliche Taktik, in der Schießen die erste Option zu sein scheint. Solange bis ein Polizist, wie in St Louis geschehen, seiner Zentrale per Funk melden kann: „Verdächtiger ist am Boden.“

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21 Kommentare

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  • 0G
    0564 (Profil gelöscht)

    Auch in Deutschland ist die Hauptzahl der von der Polizei umgebrachten geistig Behindert beziehungweise geistig Verwirrt.

  • Kajieme Powell war so intelligent zu zeigen, dass und wie die Polizei bzw. die Polizisten lügen.

  • Find ich schwer zu beurteilen, ob das Verhalten der Polizisten verhältnismäßig war oder nicht. Ein Messer kann sehr gefährlich sein und ein Messerangreifer kann in kurzer Zeit mehrere Meter zurücklegen.

    In einem Land wie den USA sollten psychisch gestörte Menschen jedenfalls besser nicht ohne Aufsicht allein unterwegs sein.

  • Immer wieder habe ich mir den Film angesehen. Unklar bleibt, dass noch eine zweite Kamera am Anfang zu sehen ist.

     

    Die Mordszene selbst läßt bei mir keinen Zweifel der Tötungsabsicht zu. Noch nicht einmal einen einzigen Schuss in den Arm könnte ich für berechtigt halten. Aber zwei Magazige leer zu schießen verrät Mordwillen. Ein realer Mensch ist keine Puppe aud dem Schießstand.

     

    Mein Respekt vor der USA-Administration geht gegen Null.

  • Ihr Kommentar wurde gelöscht. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.
    • @Der Kommentator:

       

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  • Was für feige Memmen, diese Bullen. Typisch amerikanisch.Sind zu zweit und benutzen trotzdem sofort die Waffen.Wenn schon schießen (müssen), dann hätte ein Schuß vollkommen ausgereicht. Der Mann hatte nicht einmal die Hand in der Tasche, worin sich eine Waffe befinden könnte. Was soll das für eine Notwehr gewesen sein? Für diese feige Tat, bekommt ein Zivilist mindestens eine Verurteilung wegen totschlags.

  • Das Zeigen des Videos mit dem mehrmaligen Hinweis auf die Tötung eines Menschen habe ich im Hause Springer erwartet, aber nicht hier. Ein ansonsten sehr informativer Artikel verkommt dadurch zu Sensationshascherei.

    • @Jupp44:

      Es war schon wichtig, dass sich jeder mal ein Bild davon machen kann, was man in Amerika so unter Notwehr versteht.

    • @Jupp44:

      So was nennt sich gemeinhin Jugendschutz oder auch "Trigger-Warnung".

  • Was soll die ganze Aufregung?

    "Die Polizei in St. Louis behauptet, Beamte hätten in Notwehr auf einen schwarzen Mann geschossen"

    Aber sicher doch! Schon vor Jahrhunderten wurde aus gleichem Notwehrimperativ die Peitschen geschwungen und der auction blocks bedient.

    Es handelt sich hiebei um bodenständige US-amerikanische Tradition.

    (Und was andere Gamma-Menschen betrifft, gegen die wasp-mensch sich notwehren muss, siehe die Mordmauer gegen Süden bzw. die Doku "Incident at Oglala".)

  • zu dem zeitpunkt der eröffnung des feuers durch die polizisten hat sich der erschossene eindeutig auf die polizisten zubewegt. das schreiben sie ja auch. er hüpft auf das mäuerchen und dann dahinter geht aber weiterhin auf die polizisten zu. sonst hätte er auch nicht fast zu den füßen eines der beamten landen können. das sehen hier anscheinend einige leser nicht so klar.^^

     

    ich kann allerdings nicht erkennen, ob er ein messer hat. selbst wenn er eins gehabt haben sollte: ein messer ist keine schusswaffe. ein messer hat eine wirkdistanz von einer armlänge + messerlänge, wenn man jetzt nicht geübter messerwerfer ist. und bedroht hat er auch niemanden. er ist auf die polizisten zugelaufen. man kann die situation auch dadurch lösen, dass man sich eben wieder in sein polizeiauto setzt, wenn der typ wirklich ein messer hat oder eine elektroschockpistole benutzt. das reicht. ich verstehe diese schießwut nicht, ob nun jemand das macht, was man ihm in der funktion als polizist befiehlt oder nicht. befehlsmissachtung rechtfertigt keine tötung. es ist zum kotzen, dass es in den usa anscheinend schon notwehr mittels zurückschießen rechtfertigt, wenn jemand mit einem messer auf einen zugeht. aber naja. hier schießen beamte ja auch flüchtenden unbewaffneten in den hinterkopf oder knallen jemanden, der, zugegeben, mit einem messer bewaffnet in einem brunnen steht, wirres zeug labert und mit dem messer rumfuchtelt aber niemanden konkret bedroht einfach mal so ab.

  • Da wollten wohl die Polizisten unbedingt mal nen Menschen erschießen. Einen Grund das jeder SECHS mal in den Körper eines Behinderten schießt gab es nicht. Selbst als er Tot am Boden liegt richten sie noch ihre Waffe auf ihn als ob sie Angst haben müssten das er sie angreift aber vermutlich weil es so geil war, und man unter dem Adrenalin kick die Knarre noch etwas präsentieren will. So schlecht kann gar kein Bulle ausgebildet sein, das war Vorsatz. der Kukluxklan lässt grüßen?

  • Da der Polizei dort meines Wissens nach Elektroschockpistolen zur Verfügung stehen, waren diese Schüsse nicht gerechtfertigt. Auch ohne diese Alternative ist das Handeln der Polizisten sehr diskutabel. Man sollte allerdings beachten, dass Messerangriffe für Polizeibeamte sehr gefährlich sind (wenn das Opfer hier denn ein Messer hatte). Wenn man jemanden mit Messer zu nah ran kommen lässt, hat man selbst mit einer Schusswaffe sehr schlechte Karten. Das sollte man zumindest bedenken, wenn man über die Situation so bequem aus der Ferne urteilt.

  • auf den ersten und zweiten Blick ist das vorsätzliche Tötung, aber nur zum Nachdenken: auf einen Polizisten in den USA trotz Warnung zu zugehen ist anscheinend sowieso schon ein Nogo; wenn man das dann auch noch mit Messer macht, kann man man durchaus von Tötungsabsicht des Schwarzen, also er wollte einen Polizisten töten, ausgehen. Vielleicht haben die Polizisten das vermutet, bzw. mussten das in dem täglichen USA-Lebens Kontext,(ich steck da nicht drin) annehmen.Vielleicht

    • @pan pan:

      Video gucken: Der Mann ist zurückgewichen und hatte gehörigen Abstand, als die Schüsse fielen.

  • Ist schon krass das in einem vermeintlich zivilisierten Land "suicide by cop" als legitime Selbstmordmöglichkeit gilt.

     

    Das die Ami-Cops jede menge Waffen haben und nicht mit nem Messer zur Schießerei kommen ist schon klar.

     

    Aber in Dtl sind die Polizisten nicht so viel schlechter ausgerüstet und trotzdem gibt es weit weniger solcher Fälle. Waffenkrankes Land.

  • Bei allem Verständnis für den harten Job von Polizisten. Auf dem Video ist nichts zu erkennen, was 12 Schüsse rechtfertigen könnte. Da wird einfach losgeballert.

  • ich frage mich, ob neben rassismus das waffenproblem noch schwerer wiegt

    • @the real günni:

      Stimmt. Könnte sein, dass auch die amerikanische Zivilbevölkerung deutsche Waffen braucht. Am besten panzerbrechend.