Verschobene Abiturprüfungen in NRW: Oh nein, die Schule brennt!

Wegen einer IT-Panne werden in NRW die Abiprüfungen verschoben. Der Druck auf Schü­le­r*in­nen ist enorm und sollte im Fokus der Aufarbeitung stehen.

Schüler sitzen an Tischen in einer Turnhalle bei einer Prüfung

So wollen die Schü­le­r*in­nen in NRW ihr Abitur abschließen – aber dürfen nicht Foto: Felix Kästle/dpa

Eigentlich sollten am Mittwoch die Abiturprüfungen in Nordrhein-Westfalen starten. Für rund 72.000 Schü­le­r*in­nen wäre es das lang herbeigesehnte und extrem stressige Ende der gymnasialen Oberstufe gewesen. Doch dazu kam es nicht. Denn das NRW-Schulministerium hat den Start der Abi-Klausuren am Dienstagabend aufgrund eines „massiven technischen Problems“ auf Freitag verschoben.

Nach ersten Erkenntnissen konnten viele Schulen die Prüfungsunterlagen, die ab Dienstagmittag auf einer IT-Plattform bereitgestellt wurden, nicht herunterladen. Nach rund zwei Stunden soll der IT-Dienstleister dem Schulministerium Probleme beim Download gemeldet haben. Erst gegen­ 20.30 Uhr soll das Ministerium den Abiturstart für Mittwoch abgesagt haben. Nur wenige Stunden bevor sie zu den laut Schulministerium „vielleicht wichtigsten Prüfungen der Schulzeit“ antreten sollten, erhielten Zehntausende Schü­le­r*in­nen in NRW also die Info, dass ihr Abiturstart verschoben wird.

Die Abi-Panne in NRW bedeutet für die Schü­le­r*in­nen (und Lehrer*innen) mehr als ein bisschen mehr Stress in sowieso schon stressigen Zeiten. Es ist das erste Abitur nach der psychisch belastenden Coronapandemie. Die Schü­le­r*in­nen mussten sich teilweise im Homeschooling ohne persönlichen Kontakt zur Klasse auf das Abitur vorbereiten, die psychische Gesundheit und die Lebensqualität von Kindern und Jugendlichen haben sich in den letzten Jahren in Deutschland nachweislich verschlechtert.

Die mentale Last der Schü­le­r*in­nen erhöht sich dadurch, dass die Rechtssicherheit der verschobenen Prüfungen wanken könnte. Es besteht die Möglichkeit, dass Lehrkräfte sich in der hektischen Phase am Dienstag gegenseitig aushelfen wollten und Prüfungen per Mail verschickt haben könnten. Das heißt, Zehntausende Schü­le­r*in­nen bereiten sich gerade auf Klausuren vor, die im schlimmsten Fall wiederholt werden müssen.

Ungewissheit bis in den späten Abend

Gerade mit Blick auf die Tatsache, dass der Download-Fail möglicherweise durch von Schulen vorab geforderte, aber nicht durchgeführte Testläufe hätte vermieden werden können und somit wahrscheinlich auf behördliche Inkompetenz und nicht auf höhere IT-Gewalt zurückzuführen ist, macht wütend und fassungslos. Und auch das bereits viel kritisierte Krisenmanagement des Ministeriums – Schü­le­r*in­nen in der letzten Lernphase bis in den späten Abend in Ungewissheit lassen – ist nicht nachzuvollziehen und zeugt von einem erstaunlich unsensiblen Umgang mit denen, die die Panne ausbaden müssen.

An kultureller Sensibilität mangelt es im Schulministerium anscheinend auch. Denn der neue Klausurtermin fällt auf das muslimische Zuckerfest, an dem Hunderttausende Muslime in NRW das Ende des Fastenmonats Ramadan feiern. In dem Bundesland leben immerhin ein Drittel der Muslime in Deutschland. Dazu kommt, dass die Bahngewerkschaft EVG für Freitag erneut einen bundesweiten Streik im Fern- und Regionalverkehr angekündigt hat. Rechtzeitig in die Schule zu kommen, um die Prüfungen abzulegen. könnte also zu einem Problem werden oder zumindest um einiges umständlicher als normalerweise. Und auch das kann sich wiederum negativ auf die Prüfungsergebnisse auswirken.

Die aktuell aufkochende Kritik – inklusive Beantragung einer Sondersitzung des Schulausschusses – der Opposition am CDU-geführten Schulministerium ist wichtig und legitim, doch im Fokus der Debatte sollten weder die erwartbaren Forderungen der Parteien in demokratischer Kontrollfunktion stehen noch die Häme, die derzeit auf Social Media viel Anklang findet. Bildung ist Ländersache,und dieser schmerzliche Fall von „Das Internet ist für uns alle Neuland“ ist im Battle der Bundesländer aus Perspektive von Ber­li­ne­r*in­nen zwar witzig, da der Spott endlich mal die aus dem Pott trifft, doch bitte schaut, auch bei der Aufarbeitung des Vorfalls, vor allem auf die betroffenen Schüler*innen, Leh­re­r*in­nen und Eltern.

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