Verschärfung der Inflation: Klimakrise verteuert Lebensmittel
Hitze, Dürre und Fluten haben zu höheren Preisen für Orangensaft und Olivenöl geführt. Das Problem droht sich noch zu verschärfen.
Der für den Orangenanbau wichtige US-Bundesstaat Florida wurde im vergangenen Jahr von zwei Hurrikans getroffen und leidet dieses Jahr zusammen mit anderen Orangenexporteuren wie Spanien unter einer Hitzewelle, die nachweislich mit dem Klimawandel in Verbindung steht. Florida erwartet daher die schlechteste Orangenernte der Geschichte.
Ähnlich ist es bei Zucker. Der Preisindex für Zucker der Welternährungsorganisation ist letztes Jahr wegen Überschwemmungen in Indien um über ein Drittel gestiegen und sinkt nun langsam wieder ab. Auch Olivenöl ist klimabedingt teurer: Wegen der extremen Dürre in Spanien hat sich der Preis seit Anfang des Jahres verdoppelt.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ausgerechnet, dass die durch den Klimawandel begünstigte Hitzewelle im vergangenen Jahr mit 0,67 Prozentpunkten zur Inflation der Lebensmittelpreise beigetragen hat. Und dieses Jahr sieht die Situation nicht besser aus. Während die Inflationsrate in Deutschland im Juli leicht auf 6,2 Prozent gesunken ist, lag sie bei Lebensmitteln noch immer bei 11 Prozent. Das Statistische Bundesamt schreibt daher: „Die Nahrungsmittel bleiben damit der stärkste Preistreiber unter den Güterbereichen.“
Investmentbank warnt vor Dürre-Risiko
Hinzu kommt, dass die Erderhitzung seit diesem Jahr noch durch das natürliche Wetterphänomen El Niño unterstützt wird. Dabei verändern sich Meeresströmungen im Pazifik, was sich weltweit auf das Klima auswirkt – unter anderem dadurch, dass es temporär im Schnitt wärmer ist. In den vergangenen Jahren herrschte das meteorologische Gegenstück La Niña, wirkte also sogar kühlend, obwohl auch 2022 zu den wärmsten je gemessenen Jahren zählte.
Die Kombination aus menschlich verursachter Erderhitzung und El Niño könnte auch Folgen für Grundnahrungsmittel haben: Die US-Investmentbank Morgan Stanley schätzt, dass in nennenswerten Teilen der Anbaugebiete für Weizen (44 Prozent), Reis (43 Prozent) und Mais (32 Prozent) ein hohes Dürrerisiko besteht.
Klimaforscher Corey Lesk vom US-amerikanischen Dartmouth College warnt deshalb: „Wir bewegen uns derzeit auf ein Klimaregime zu, das wir noch nie zuvor gesehen haben“, sagt er. „So gut wie jeden Sommer gibt es jetzt eine rekordverdächtige Hitzewelle, und zwar nicht nur in einer Kornkammer, sondern in mehreren Kornkammern der Welt.“ Damit könnten also auch Grundnahrungsmittel wie Getreide immer stärker betroffen sein.
Aktuell hat der Mensch die Erde gegenüber dem vorindustriellem Niveau schon um etwa 1,2 Grad aufgeheizt, vor allem durch die Nutzung fossiler Energiequellen. Diese zu beenden ist entsprechend auch der Haupthebel, um die Erhitzung des Planeten einzugrenzen. Soll bei 1,5 Grad Stopp sein, müssen sich die CO2-Emissionen weltweit bis 2030 ungefähr halbieren, um bis 2050 die Klimaneutralität zu erreichen. Bislang wächst der Ausstoß im globalen Schnitt allerdings weiter an.
Der Einfluss der geopolitischen Lage auf die Preise hat sich nach knapp anderthalb Jahren Krieg in der Ukraine indes eher verflüchtigt. Die Preise für die meisten Rohstoffe sind wieder auf das Niveau zurückgefallen, auf dem sie vor dem russischen Krieg gegen die Ukraine lagen. Sonnenblumen- sowie Rapsöl und Weizen, aber auch Gas, Öl und Kohle sind beispielsweise wieder deutlich im Preis gefallen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach der Bundestagswahl
Jetzt kommt es auf den Kanzler an
Wahlsieg der Union
Kann Merz auch Antifa?
Der Jahrestag der Ukraine-Invasion
Warum Russland verlieren wird
Sieger des rassistischen Wahlkampfes
Rechte Parolen wirken – für die AfD
Alles zur Bundestagswahl
Oma gegen rechts hat Opa gegen links noch nicht gratuliert
Wahlniederlage von Olaf Scholz
Kein sozialdemokratisches Wunder