Vermittlung im Ukraine-Konflikt: Scholz will nach Moskau fahren

Der Bundeskanzler kündigt Gespräche mit Russlands Präsident Putin an. Joe Biden und Emmanuel Macron vereinbaren „laufende Koordinierung“.

Olaf Scholz und Emmanuel Macron tragen Anzug und Mundschutz und machen freundliche Gesten

Zwei, die vermitteln wollen: Bundeskanzler Scholz und Frankreichs Präsident Macron, 2021 in Brüssel Foto: Stephanie Lecocq/ap

Lars Klingbeil: Putin stärkt Nato mit seinem Eskalationskurs

Russlands Präsident Wladimir Putin gefährdet nach Ansicht von SPD-Co-Chef Lars Klingbeil mit seinem Eskalationskurs gegenüber der Ukraine seine eigenen Ziele. „Ich kann nicht sagen, was Putins Interesse für diese Eskalation ist – er erreicht auf jeden Fall das Gegenteil dessen, was er vorgibt zu wollen“, sagte Klingbeil der Nachrichtenagentur Reuters in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview. Putin sage zwar, Russland sorge sich, dass die Nato näher an die russische Grenze rückt. „Aber durch das russische Verhalten bewirkt er, dass die Nato gestärkt wird.“

„Unsere Haltung ist einhellig: Russland ist verantwortlich für die Eskalation und trägt deshalb auch die Hauptverantwortung für eine Deeskalation“, sagte der SPD-Co-Chef zur Position der SPD. Beim Angriff auf die territoriale Integrität der Ukraine werde Russland einen hohen Preis zahlen müssen. „Bei möglichen Sanktionen liegt wirklich alles auf dem Tisch – das versteht jeder, der es verstehen will“, sagte Klingbeil in Anspielung auch auf die Gaspipeline Nord Stream 2. Man dürfe sich von Russland aber nicht in die Karten schauen lassen – das mache Putin auch nicht.

Zugleich äußerte er sich skeptisch über eine positive Agenda der Zusammenarbeit mit Russland. „Diese ist leider derzeit in weite Ferne gerückt.“ Es gebe zwar „wahnsinnig viele Potenziale der Zusammenarbeit“, sagte Klingbeil. „Aber die Wahrheit ist, dass all das angesichts der Eskalation gerade sehr weit weg ist: Putin hat es selbst in der Hand, ob wir zu einer engeren Zusammenarbeit finden können“, betonte der SPD-Politiker. „Wenn er deeskaliert, werden solche Kooperationen perspektivisch wieder stärker möglich sein.“

Bundeskanzler Scholz will Putin treffen

Bundeskanzler Olaf Scholz hat baldige Gespräche mit Russlands Präsident Wladimir Putin über die Ukraine-Krise angekündigt. „Ich werde jetzt in die USA fahren. Ich werde auch in Kürze in Moskau weiter sprechen über die Fragen, die da notwendig sind“, sagte Scholz am Mittwoch im ZDF. „Das ist geplant und wird auch bald stattfinden“, fügte der Kanzler mit Blick auf ein Treffen mit Putin hinzu.

Am kommenden Montag wird der SPD-Politiker Gespräche mit US-Präsident Joe Biden in Washington führen. Wichtig sei, eine koordinierte Politik, auch mit den europäischen Partnern vorzubereiten. „Kaum eine Sache beschäftigt uns mehr.“ Scholz verwies darauf, dass er bereits mit Putin gesprochen habe. Dem Kanzler war in den vergangenen Tagen vorgeworfen worden, er engagiere sich zu wenig bei der Lösung der Ukraine-Krise – was er bestritt.

Zugleich wiederholte Scholz, dass angesichts des russischen Truppenaufmarschs an der Grenze zur Ukraine eine doppelte Botschaft nötig sei: „Die Lage ist sehr ernst“, sagte er. Man sage Russland, dass es einen sehr hohen Preis zu zahlen habe, wenn die territoriale Integrität der Ukraine verletzt werde.

„Diese Botschaft ist auch verstanden worden“, fügte Scholz hinzu. Gleichzeitig müssten aber alle Gesprächskanäle genutzt werden, damit es zu keiner militärischen Eskalation komme. Man habe es dabei geschafft, die Normandie-Gespräche mit Frankreich, der Ukraine und Russland „wieder mit Leben zu füllen“.

Erdoğan in Kiew

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan besucht an diesem Donnerstag Kiew und will sich um eine Vermittlung zwischen der Ukraine und Russland bemühen. Er werde sich dabei weder auf die eine, noch auf die andere Seite stellen, verlautet aus Regierungskreisen. Erdoğan werde beide Seiten zur Zurückhaltung aufrufen und wolle die Zusammenarbeit mit beiden Ländern fortsetzen. Die Türkei unterhält enge Beziehungen zu Russland und zur Ukraine, mit der ein Freihandelsabkommen unterzeichnet werden soll.

Unterdessen betonen US-Präsident Joe Biden und sein französischer Amtskollege Emmanuel Macron ihre enge Abstimmung im Ukraine-Konflikt. Nach einem Telefonat der Staatsführer erklärte das Weiße Haus am Mittwoch, die beiden hätten eine „laufende Koordinierung“ vereinbart, sowohl was die Diplomatie anbelangt, als auch „Vorbereitungen, Russland rasche und schwere wirtschaftliche Kosten aufzuerlegen, sollte es weiter in die Ukraine eindringen“.

Macron hatte zuletzt eine Reise nach Moskau zu Russlands Präsident Wladimir Putin im Bemühen um eine Lösung der Krise nicht ausgeschlossen. Russland hat in den vergangenen Wochen nach westlichen Angaben mehr als 100.000 Soldaten samt schwerem Gerät an der ukrainischen Grenze zusammengezogen. Der Westen befürchtet deshalb einen russischen Angriff auf das Nachbarland. Russland weist die Vorwürfe zurück und gibt zugleich an, sich von der Nato bedroht zu fühlen.

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