Antrittsbesuch von Olaf Scholz: Joe Biden setzt auf Nuancen

Auch bei der Bewertung der deutschen Position zum Russland-Ukraine-Konflikt zeigen sich die USA gespalten. Die wichtigsten Positionen.

US-Präsident Joe Biden bei einer Rede

Hat die Wahl von Bundeskanzler Olaf Scholz begrüßt: US-Präsident Joe Biden Foto: Susan Walsh/ap

BERLIN taz | Olaf Scholz sei ein „Zögerer“, ein „Putin-Versteher“ und ein „unzuverlässiger Partner“. Das behaupten in diesen Tagen jene, die ökonomischen Druck, Aufrüstung und militärische Antworten für das wichtigste Werkzeug von Außenpolitik halten. In den USA kontrollieren diese Falken die Republikanische Partei und nehmen auch wichtige Positionen in der Demokratischen Partei ein. In Deutschland sprechen sie aus dem Mund des neuen Chefs der CDU. Sowohl in Washington als auch in Berlin geben sie den Ton in den transatlantischen Thinktanks an. Dass die Berliner Regierung keine Waffen in die Ukraine liefern will, dass sie noch an der Pipeline Nord Stream 2 festhält, dass sie sowohl gegenüber Moskau als auch gegenüber Beijing mehr Diplomatie versucht als Washington – all dies gilt als Zeichen von Schwäche.

Der aktuelle US-Präsident Joe Biden, bei dem Scholz am Montag seinen Antrittsbesuch als Bundeskanzler absolviert, hat eine nuanciertere Haltung zur deutschen Politik gegenüber Russland, der Ukraine und der Nato. Schon unter Ex-Kanzlerin Angela Merkel verzichtete Biden darauf, seine Position gegen die Pipeline Nord Stream 2 durchzusetzen. Wie die Mehrheit der PolitikerInnen der beiden Parteien, die in Washington das Sagen haben, hält er das deutsch-russische Geschäft zwar für falsch. Als er Merkel aber zu einem Abschiedsbesuch in Washington empfing, verzichtete er auf Druck. Zurückhaltung zeigt Biden auch gegenüber dem deutschen und französischen Bremsen gegen eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine.

In der neuen Berliner Regierung sieht Biden eine Chance. Wie seine Amtsvorgänger will auch Biden die EuropäerInnen zu höheren Militärausgaben und zu mehr „Lastenteilung“ drängen. Scholz’ Wahl hat Biden begrüßt. Er sieht darin das Potenzial für eine neue Zusammenarbeit jenseits von Militärfragen – unter anderem im Bereich der Klimapolitik.

Außenminister Antony Blinken, der sich ursprünglich stärker gegen Nord Stream 2 aussprach als Biden, hat angesichts der aktuellen Krise sogar einen taktischen Nutzen in der Pipeline erkannt. Beim Antrittsbesuch der deutschen Außenministerin sagte er: „Die Pipeline verschafft uns ein Druckmittel gegen Putin.“

Bidens eigene Partei vertritt keine geschlossene Position

Ausdrücklich gelobt haben US-amerikanische Linke und PazifistInnen bei Demonstrationen zuletzt die deutsche Ablehnung von Waffenlieferungen an die Ukraine. Bidens eigene Partei dagegen vertritt zu weiteren Nato-Osterweiterungen und Geschäften mit Russland keine geschlossene Position. Das gilt auch für die Entsendung von weiteren Truppen und potenziellen künftigen Militäreinsätzen.

Die offizielle Begründung US-amerikanischer PipelinegegnerInnen lautet, dass die Energiekooperation Deutschland und Europa von Russland abhängig mache. Jedoch verbergen sich hinter dieser Meinung auch eigene ökonomische Interessen. Die USA verfügen über gigantische Gasvorräte, die sie als Flüssiggas verkaufen wollen.

Im US-Kongress haben sich zahlreiche DemokratInnen öffentlich gegen die Pipeline ausgesprochen. Viele von ihnen stammen aus Ölstaaten der USA – unter anderem aus jenen, die mit dem Fracking-Boom in größere Abhängigkeit von Gasexporten gekommen sind. Dennoch hat es die Demokratische Partei unter Biden bislang geschafft, die von den RepublikanerInnen versuchten Sanktionen gegen Nord Stream 2 zu stoppen. Als Gegenzug haben die DemokratInnen unter Senatschef Chuck Schumer und dem Chef des außenpolitischen Ausschusses, Robert Menendez, eine Liste von bislang geheimgehaltenen Sanktionen erarbeitet, die im Fall einer russischen Invasion in die Ukraine in Kraft treten soll.

Kurz vor Scholz’ Ankunft in Washington verteilte die deutsche Botschaft Informationen über die ökonomische Hilfe Berlins für die Ukraine. Daraus geht hervor, dass Deutschland mit zwei Milliarden Dollar für zivile Projekte direkt nach den USA der zweitwichtigste Partner des Landes ist. Auch von US-Seite kam Schützenhilfe vor der Ankunft des Kanzlers. John Emerson, der unter Barack Oba­ma Botschafter in Berlin war, nannte die Kritik an Scholz „falsch“ und „überzogen“.

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