Verlängerung von AKW-Laufzeiten: AKW Isar 2 hätte Potenzial

Laut dem Tüv Süd könnten die Brennelemente im bayerischen Reaktor Isar 2 noch 2023 Strom erzeugen. Aber wie steht es um seine Sicherheit?

Der Kühlturm des Reaktors Isar 2 schaut hinter Einfamilienhäusern hervor

Der Reaktor Isar 2 hat noch Reserven für 80 Tage Foto: Michaela Rehle/reuters

FREIBURG taz | Das Atomkraftwerk Isar 2, das zum Jahresende vom Netz gehen soll, verfügt offenbar über den gesetzlich festgelegten Abschalttermin hinaus noch über eine Brennstoffreserve. Zu diesem Ergebnis kommt der Tüv Süd in einer Analyse im Auftrag des Bayerischen Umweltministeriums. Bislang war man in der politischen Debatte stets davon ausgegangen, dass die Brennelemente aller drei noch laufenden Reaktoren in Deutschland – neben Isar 2 sind das Emsland und Neckarwestheim 2 – zum Abschalttermin am Jahresende jeweils aufgebraucht sind.

Nun korrigieren die Gutachter: Im Fall des Blocks Isar 2 bestünden noch Reserven für weitere 80 Tage. Ein entsprechendes Schreiben des Tüv Süd an das Ministerium wurde in diesen Tagen bekannt. Darin heißt es, der Reaktorkern werde selbst bei weiterhin vollem Kraftwerksbetrieb am Jahresende noch immer über „Reaktivitätsreserven“ von 2,2 Milliarden Kilowattstunden verfügen. Anschließend könne man die Brennelemente im Reaktor sogar noch umgruppieren. Auf diese Weise ließen sich laut Tüv bis August weitere 2,96 Milliarden Kilowattstunden erzeugen, ohne dass dafür neuer Brennstoff beschafft werden müsste.

Hintergrund der Tüv-Analyse ist die Debatte um Laufzeitverlängerungen aufgrund der Gasverknappung. Die Bundesregierung hatte argumentiert, dass eine Verschiebung des Ausstiegs schon alleine wegen fehlender Brennelemente keine Option sei, weil deren Beschaffung in der Regel 18 bis 24 Monate Vorlauf benötige. Der Tüv Süd hält indes nicht nur die vorübergehende Weiternutzung der bestehenden Brennelemente für möglich, sondern geht auch davon aus, dass bereits innerhalb von zwölf Monaten frische Brennelemente beschafft werden könnten.

Das Bundesumweltministerium (BMUV) verweist in einem aktuellen Schreiben an das bayerische Umweltministerium darauf, dass eine Laufzeitverlängerung „nur einen sehr begrenzten Beitrag zur Versorgungssicherheit“ leisten könne, und dies zudem nur „zu sehr hohen wirtschaftlichen Kosten sowie rechtlichen und technischen Unwägbarkeiten“. Zudem hätten auch die Betreiber der Reaktoren gegenüber den Ministerien „darauf hingewiesen, dass eine Laufzeitverlängerung für sie nur sinnvoll sei, wenn entweder die Prüftiefe der grundlegenden Sicherheitsanalyse verringert würde oder auf weitreichende Nachrüstungsmaßnahmen, die sich im Zuge der Sicherheitsüberprüfung ergeben könnten, verzichtet würde“.

Sicherheitsprüfung sowieso überfällig

Wiederholt hatte das BMUV betont, dass alle Wartungstermine der drei noch verbliebenen Reaktoren auf den geplanten Abschalttermin hin abgestimmt worden seien. Isar 2 war zuletzt im Oktober 2021 in der üblicherweise jährlich stattfindenden Revision, die also auch bei einer nur geringen Laufzeitverlängerung überfällig wäre.

Hinzu kommt, dass die umfangreiche Sicherheitsüberprüfung, die nach internationalen Standards alle zehn Jahre erforderlich ist, für Isar 2 im Normalfall bis Ende 2019 fällig gewesen wäre. Aufgrund des absehbaren Endes des Reaktors hielt die Atomaufsicht eine Verlängerung des Zeitraums um drei Jahre für vertretbar. Nun aber sei eine weitere Streckung sicherheitstechnisch nicht mehr akzeptabel. Zumal laut dem aktuellen Schreiben des BMUV „alle betrieblichen und personellen Planungen der Unternehmen auf das Ende des Leistungsbetriebs und die Einleitung des Abbaus eingestellt“ seien. Es könne „nicht geleugnet werden, dass eine Laufzeitverlängerung über das generelle Risiko des Leistungsbetriebs eines Atomkraftwerks hinaus zusätzliche Risiken beinhaltet“.

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