Verkehrsmittel in Hamburg: E-Roller beliebter als Stadtrad
In Hamburg werden Leih-E-Roller viel häufiger gefahren als ad hoc zu leihende Fahrräder. Die Unfallzahlen bleiben trotz steigender Nutzung stabil.
Die von jetzt auf gleich auszuleihenden E-Roller und Fahrräder sind Teil des Konzepts, mit dem der rot-grüne Hamburger Senat die Verkehrswende vollziehen möchte. Die Roller und Räder sind für die kurzen Strecken gedacht, insbesondere für die erste und letzte Meile von oder zu einem Haltepunkt des öffentlichen Nahverkehrs.
Die Roller gehören zum Angebot der „Switch“-App des Hamburger Verkehrsverbundes, auf der Tickets für Bus und Bahn gekauft, aber auch Sammeltaxis gerufen und Leihautos gebucht werden könnten – ein Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln aus einer Hand. Nicht dabei sind allerdings die Stadträder, die von der Deutschen Bahn betrieben werden.
Dass das so ist, mag ein Grund dafür sein, dass die Stadträder im vergangenen Jahr weniger intensiv genutzt wurden als die Roller. Die Verkehrsbehörde vermutet, dass sich zudem viele Menschen währende der Pandemie ein Rad gekauft haben, die bis dato auf das Stadtrad zurückgriffen. Andere wiederum leihen sich dauerhaft ein Fahrrad – ein Phänomen, das im Stadtbild deutlich zu sehen ist.
Stadträder sind im vergangenen Jahr in Hamburg 1,6 Millionen Mal ausgeliehen worden, E-Roller 11,3 Millionen Mal. Allerdings waren 2023 auch bis zu 20.000 E-Scooter über die ganze Stadt verteilt verfügbar und nur 3.600 Fahrräder an 300 Stationen.
Die Nutzung der Räder ist im Vergleich zu 2022 stärker zurückgegangen als die der Roller: um elf gegenüber sieben Prozent.
Die Zahl der Unfälle mit E-Rollern ist 2023 im Vergleich zu 2021 mit 637 gegenüber 606 stabil geblieben. Dabei hat die Zahl der Fahrten von 7,5 auf 11,3 Millionen zugenommen.
Die Roller stehen zudem übers Stadtgebiet verteilt im öffentlichen Raum. Selbst in den Außenbezirken sind sie zu finden. Die Räder dagegen können nur an 300 festen Stationen ausgeliehen und zurückgegeben werden. Aus Kundensicht für die Räder spricht, dass sie 30 Minuten lang kostenlos gefahren werden können, was für die meisten Strecken locker reicht. Bei den Rollern sind dagegen 20 Cent pro Minute fällig.
Warum die Räder noch nicht in das Switch-System des HVV eingebunden sind, begründet Constanze Salgues von der Hamburger Hochbahn damit, dass im vergangenen Jahr viele andere Services eingebunden worden seien. Dazu gehören zwei weitere Carsharing-Anbieter und Sensoren, die die Belegung von Parkplätzen anzeigen. Immerhin soll die Zahl der Leihradstationen auf 350 und die der Räder auf 4.500 erhöht werden.
Nicht geändert hat sich aus Sicht Sonja Teschs von „Fuss e. V.“ der Ärger mit den Rollern: „Die stehen nach wie vor überall rum“, sagt die Fußgänger-Lobbyistin. Dabei hat der Senat auf die Kritik reagiert und in besonders belasteten Gebieten Parkverbote für die Roller verhängt, Abstellzonen eingerichtet und „Auffangtatbestände“ eingeführt, um Ordnungswidrigkeiten mit Rollern ahnden zu können. Diese sind mittlerweile in den in den bundeseinheitlichen Tatbestandskatalog aufgenommen worden.
Tesch wünscht sich, dass Roller- und Radfahrer stärker kontrolliert werden, um zu unterbinden, dass sie auf dem Gehsteig fahren. Aktuell plane der Verein, den Innensenator grundsätzlich daran zu erinnern, dass Fußgänger auf vielfache Weise behindert würden, insbesondere auch durch parkende Autos.
Dirk Lau vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) bedauert, dass die aus Umweltsicht mittelguten Roller andere umweltfreundlicheren Fortbewegungsarten wie Radfahren oder Zufußgehen kannibalisierten. „Das sind Fortbewegungsarten, die sich gegenseitig Konkurrenz machen“, sagt Lau. Demgegenüber würden nur wenige Fahrten mit dem Auto durch Touren mit dem Roller ersetzt. Recherchen des Umweltbundesamtes bestätigen das. Im Vergleich zu einem rein muskelbetriebenen Fahrrad schlägt beim E-Roller zudem der Akku ins Umweltkontor. „Stadtrad ist ein Erfolgsmodell“, findet Lau. Es sei gut, dass es ausgebaut werden solle.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen