Verkehrserziehung: Ein roter Teppich für den Schulweg
Erziehung ist nicht nur bei Kindern wichtig. Was den Autoverkehr angeht, wurde da einiges versäumt, findet unsere Kolumnistin.
I ch war in Hamburg Party machen: Die Kinderunfallhilfe hat mir den Medienpreis für mein Verkehrserziehungsbuch verliehen! Da hat sich mein Erziehungsratgeberlesen doch gelohnt: Schon schwanger hatte ich mich pädagogisch auf den neuesten Stand gebracht. Ich las, wie wichtig es sei, Grenzen aufzuzeigen. Anderenfalls würde der Nachwuchs glauben, die ganze Welt drehe sich nur um ihn.
Was für fürchterliche Folgen eine entgrenzte Erziehung hat, konnte ich ja am Auto sehen. Jahrzehntelang wurden Häuser abgerissen, Bäume gefällt und ganze Flüsse verbuddelt – nur damit Vierräder überall frei fahren können. Jetzt ist das Auto sehr groß und SUV-mäßig dick geworden und setzt dem Rest der Welt enge Grenzen. Einfach rumlaufen oder radeln geht nicht.
Und selbst das Helikoptern haben Autobesitzende erfunden: Meinem Baby soll ein Parkplatz gestrichen werden – Revolution! Geschwindigkeitsbegrenzung, Stoppschilder, Parkverbote – für mein Blech nur Kannvorschriften. Links parken Autos, rechts fährt eine Radfahrerin – intuitiv die weniger Lackschäden produzierende Radfahrerin minimalinvasiv überholen. Ja, frühes Grenzen setzen, wäre auch beim Auto wichtig gewesen.
Begleitend zum ersten Kinderradkauf las ich dann Straßenverkehrserziehungs-Schriften. Darin stand kurz zusammengefasst, dass Kinder kindliches Verhalten ablegen müssen, weil sie sonst totgefahren werden. Das klappt naturgemäß nicht, weshalb die meisten Stadtkinder nur noch mit ihren Eltern unterwegs sind. Eltern mit freilaufenden Stadtkindern erkennt man an ihrem panischen Gesichtsausdruck und dem „Vorsicht, Halt!“-Brüllen. Die anderen Eltern sitzen mit ihren Kindern im Auto. Wissend, dass ihr Kind so keine Orientierung lernt, motorisch hinterhereiert und vermutlich durch die Radprüfung fällt.
Autoverkehr muss erzogen werden
Ich dachte, das geht anders, und schrieb ein eigenes Straßenverkehrserziehungsbuch. Darin steht kurz zusammengefasst, dass die Dinge derzeit sind, wie sie sind – aber langfristig der Autoverkehr erzogen werden kann und muss. Auf der Preisparty habe ich andere ausgezeichnete Eltern kennengelernt. Die legen zum Beispiel rote Teppiche in Hamburg an Stellen auf dem Schulweg ihrer Kinder, an die Ampeln oder Zebrastreifen gehören würden. Eine andere Dame hilft seit 53 Jahren an derselben Stelle in Wuppertal mit Warnweste und Leuchtkelle Schülern beim Straßeüberqueren.
Jetzt überlege ich, wie Ideen nicht nur Preise gewinnen – sondern sichtbar was ändern. Und das nicht erst in 54 Jahren, sondern zu meinen Lebzeiten: Wer schaffte es wie, dass irgendwo ein Zebrastreifen, eine Fußgängerampel, ein baulich getrennter Radstreifen, eine Tempo-30-Zone eingerichtet wurden? Ich träume von einer Umsetzungskolumne: über taz-Lesende, die irgendwo bereits erfolgreich ein Stück Straßenverkehrswelt gerettet haben. Schreiben Sie mir, was und wie Sie das geschafft haben! Ich freue mich auf die Schreibparty: verkehrswende@taz.de.
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