Verhandlungen um Waffenruhe in Gaza: US-Plan nimmt UN-Hürde

Der UN-Sicherheitsrat stellt sich hinter Bidens Gaza-Friedensplan. Israel und die Hamas stimmen irgendwie zu, verfolgen aber unvereinbare Ziele.

Ein Palästinenser spaziert am 2. Mai 2024 zwischen den Trümmern in Khan Yunis.

Laut Friedensplan sollen die Menschen bereits in der ersten Phase des Waffenstillstands in ihre Häuser zurückkehren dürfen Foto: Khames Alrefi/imago

BERLIN taz | Kommt nun der Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas, auf den die ganze Welt wartet? Am Montagabend stimmte der UN-Sicherheitsrat für einen von US-Präsident Joe Biden vorgestellten mehrstufigen Plan für eine Waffenruhe im Gazakrieg. Eine entsprechende Resolution wurde am Montag in New York mit 14 Ja-Stimmen angenommen; Russland enthielt sich.

Doch eine Reihe von Fragen bleibt offen. Zwar hieß es in der Resolution, Israel habe den Plan akzeptiert, doch eine offizielle Stellungnahme kam bislang nicht. Die Hamas begrüßte die UN-Resolution und sagte gegenüber Reuters, sie würde den Plan prinzipiell akzeptieren und sei bereit, nun über Details zu verhandeln. Doch der Teufel dürfte genau im Detail stecken.

Laut bisherigem Entwurf des US-Friedensplans soll Hamas in der ersten Phase weibliche, ältere und verwundete israelische Geiseln freilassen, dafür soll sich das israelische Militär aus den „bewohnten Gebieten“ des Gazastreifens zurückziehen und die Palästinenser sollen zurückkehren können in ihre Häuser – auch im Norden des Gazastreifens.

In der zweiten Phase sollen alle Feindseligkeiten dauerhaft eingestellt werden, „im Gegenzug für die Freilassung aller anderen Geiseln, die sich noch im Gazastreifen befinden, und für einen vollständigen Rückzug der israelischen Streitkräfte aus dem Gazastreifen“. Phase drei bestünde aus einem umfassenden Wiederaufbauplan für den Gazastreifen.

Unvereinbare Ziele

In der vergangenen Woche hatte es von Israel Vorbehalte gegeben, unter anderem angesichts eines Paragrafen, der einer Pufferzone im Gazastreifen eine Absage erteilt. Dieser Paragraf ist Medienberichten zufolge nun entfernt worden. Allerdings steht nach wie vor eine Klausel in dem Vorschlag, die besagt, dass jeder Versuch, das Territorium von Gaza zu verändern, abgelehnt wird.

Die Hamas hätte mit diesem Plan viele seiner Ziele erreicht. Doch ein Knackpunkt bleibt: Wie wird die zweite Phase, in der ein langfristiger Waffenstillstand beginnen soll, überhaupt erreicht? Denn die Hamas besteht weiterhin auf einem Ende des Krieges, während Israel wiederholt, erst nach einem Sieg über die Hamas zu einem langfristigen Waffenstillstand bereit zu sein.

Abgesehen davon könnte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mittlerweile eher bereit zu einem Waffenstillstand sein – aus ganz persönlichen Motiven: Seine Umfragewerte, die nach dem Hamas-Terrorangriff des 7. Oktober abgestürzt waren, wenden sich wieder ins Positive. Neuwahlen in Israel, zu denen es nach Kriegsende unweigerlich kommen dürfte, würden also nicht automatisch Netanjahus politisches Ende bedeuten.

Jüngste Umfragen gaben Netanjahu Ende Mai zum ersten Mal wieder einen Vorsprung vor seinem Hauptrivalen, dem zentristischen Politiker und Ex-Armeechef Benny Gantz, der nach dem 7. Oktober dem Notstandskriegskabinett beigetreten war.

Netanjahus Image

Am Sonntagabend war Gantz seiner eigenen Drohung gefolgt und aus dem Kriegskabinett wieder ausgetreten. Er warf Netanjahu vor, seine persönlichen Erwägungen über eine Nachkriegsstrategie für den Gazastreifen zu stellen und forderte Neuwahlen in den kommenden Monaten.

Während Gantz’ Rücktritt das Image von Netanjahu beschädigen könnte, dürfte die israelische Befreiungsaktion, bei der am Samstag im Flüchtlingslager Nuseirat im Gazastreifen vier Geiseln gerettet werden konnten, ihm geholfen haben – zumindest in Israel.

International wird die hohe Zahl palästinensischer Opfer kritisiert, die nach palästinensischen Angaben 274 Tote beträgt. Das UN-Menschenrechtsbüro erklärte am Dienstag, man erkenne Hinweise auf mögliche Kriegsverbrechen durch israelische Streitkräfte und bewaffnete Palästinensergruppen bei dem Einsatz.

Offen ist auch die Frage, was ein potentieller Deal für die immer weiter eskalierende Situation zwischen Israel und der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah bedeutet. In Israel gilt ein bevorstehender Krieg mit der Hisbollah eigentlich als ausgemachte Sache.

Die Frage ist „wann“, nicht „ob“

Die Frage, so heißt es auf den israelischen Straßen, sei nicht, „ob“ es zu einem Krieg komme, sondern „wann“. Das israelische Militär sei „auf einen umfassenden Krieg mit den Hisbollah-Terroristen an der Nordgrenze des jüdischen Staates zum Libanon vorbereitet“, bekräftigte ein Armeekommandeur am Sonntag erneut.

Seit Kriegsbeginn beschießt die Hisbollah immer wieder den Norden Israels; Israel führt im Gegenzug Schläge gegen mutmaßliche Hisbollah-Ziele im Libanon aus. Auf beiden Seiten der Grenze sind Zehntausende von Zivilisten seit Monaten evakuiert. Doch selbst wenn die Hisbollah ihren Beschuss Israels mit einem Waffenstillstand in Gaza einstellen sollte, bliebe aus israelischer Perspektive das Problem der Präsenz der Hisbollah an der Grenze bestehen, die spätestens seit dem 7. Oktober für viele eine nicht hinnehmbare Bedrohung darstellt.

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