Verhaltensökonom Armin Falk: Todesfälle oder Menschenleben
Das Gute wollen, aber letztlich Schlechtes tun? Der Verhaltensökonom Armin Falk zeigt, wann Menschen sich moralisch verhalten und wann nicht.
Tue Gutes und sprich darüber. Wer hätte gedacht, dass dieses einfache Motto Einfluss darauf haben kann, wie wir uns in Fragen der Moral entscheiden. Diese und weitere Erkenntnisse über (un)moralisches Handeln erläutert der Leibniz-Preisträger und Leiter des Bonner Instituts für Verhaltensökonomik und Ungleichheit Armin Falk in seinem Buch „Warum es so schwer ist, ein guter Mensch zu sein … und wie wir das ändern können“.
Anhand zahlreicher Studien und Experimente mit Probanden will Falk das Wesen moralischer Entscheidungen aufzeigen. Das mag etwas trocken klingen, doch der Verhaltensökonom belegt seine Thesen mit zahlreichen Beispielen.
Falk hält sich nicht lange mit einer abstrakten Definition dessen auf, was eine moralische Entscheidung oder altruistische Handlung ist. Vielmehr geht es ihm um einen brauchbaren Arbeitsbegriff. Das unterscheidet ihn von Philosophen, ebenso seine empirische Herangehensweise, findet jedenfalls der Autor (und teilt hier einen Seitenhieb gegen die Philosophie aus).
Moral hat ihren Preis
Eine altruistische Handlung, so Falk, zeitigt positive Folgen für andere. Aber: „Moral hat ihren Preis.“ Diese Kosten lassen sich häufig sehr leicht kalkulieren: Eine kleine Spende mag anderen das Leben erleichtern. Aber wollen wir unser Geld wirklich teilen?
Falk illustriert eine Reihe von Mechanismen, die uns dabei helfen, unsere unmoralischen Entscheidungen vor uns selbst zu verschleiern. Angebliches Nichtwissen ist eine der sichersten Strategien, sich selbst vor moralischer Schuld in Schutz zu nehmen.
Armin Falk: „Warum es so schwer ist, ein guter Mensch zu sein … und wie wir das ändern können“. Siedler Verlag, München 2022, 336 Seiten, 24 Euro
Nach 1945 wollten sehr viele Deutsche nichts von der Judenverfolgung gewusst haben. Das ist ein Extrembeispiel; aber auch in Fragen des Klimaschutzes oder des sozialen Ausgleichs treffen wir eigennützige Entscheidungen.
Allein die Darstellung eines Problems – also etwa die Betonung von Todes- oder Überlebensraten – könne bei identischen Zahlen zu unterschiedlichen Entscheidungen führen. „Es fällt uns leichter, Menschen einem Todesrisiko auszusetzen, wenn wir über Todesfälle nachdenken, als wenn wir über ‚Menschenleben retten‘ nachdenken.“
Die Coronatodeszahlen
Letztlich geht es eben nicht, wie in der Diskussion über Fake News betont wird, lediglich um das Benennen von Fakten. Es geht auch um deren Darstellung. Man denke nur an die Berichterstattung über Coronatodeszahlen.
Die im Buch versammelten Erkenntnisse können helfen, uns selbst und moralische Zwickmühlen besser zu verstehen. Doch sie offenbaren auch eine brisante Erkenntnis: Wenn die Präsentation von Fakten Einfluss auf unser altruistisches Handeln hat, geht die größte Gefahr für unsere Moral womöglich von manipulativer Sprache und Narrativen aus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Gastbeitrag in der „Welt am Sonntag“
Bequem gemacht im Pseudoliberalismus