Verhältnis zwischen VAE und Israel: Dominostein zum Frieden

Die Annäherung zwischen Abu Dhabi und Jerusalem könnte eine regionale Lösung der Konflikte in Nahost zurück auf die Tagesordnung bringen.

Die Beleuchtung eines Gebäudes in Tel Aviv mit den Farben der Nationalflagge der Vereinigten Arabischen Emirate

Die Beleuchtung eines Gebäudes in Tel Aviv in den Farben der Flagge der Emirate am 13. August Foto: Oren Ziv/dpa

Zweimal in zehn Tagen leuchte das Rathaus von Tel Aviv zuletzt in den Farben arabischer Staaten: Nachdem Anfang August eine gewaltige Explosion die Innenstadt Beiruts verwüstet hatte, war es das Rot-Weiß der libanesischen Fahne mit der grünen Zeder – als Ausdruck der Solidarität mit den Betroffenen. Mitte des Monats dann strahlte das Gebäude im Schwarz-Weiß-Rot der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Der Grund: Unter Vermittlung der USA hatten Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und der Thronfolger der Emirate, Mohammed bin Zayid Al Nahyan, eine Absichtserklärung unterzeichnet, diplomatische Beziehungen zwischen den beiden Staaten aufzunehmen.

Dass die Stadtverwaltung aus diesen Anlässen das Rathaus anstrahlen ließ, sind symbolische Akte, mehr nicht, sicherlich. Doch noch vor wenigen Wochen wäre das unvorstellbar gewesen, insbesondere mit Blick auf den Libanon, dessen Regierung von der Hisbollah kontrolliert wird, Irans Stellvertreterarmee an den Grenzen zu Israel. Seit dem Krieg mit der schiitischen Parteimiliz Hassan Nasrallahs 2006 ist kaum ein Sommer vergangen, an dem auf beiden Seiten der nach dem Waffenstillstand 1949 von den Vereinten Nationen gezogenen Grünen Linie nicht mit einem neuen bewaffneten Konflikt gerechnet wurde.

Diesen Kriegszustand Israels mit seinen arabischen Nachbarn zu beenden, war lange Ziel internationaler Friedenspolitik. Noch 2008 verhandelte ein Team des damaligen israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert unter Vermittlung der Türkei mit syrischen Gesandten über einen Friedensschluss mit der Diktatur Baschar al-Assads. Bis ins Detail waren bereits Vereinbarungen über eine Rückgabe der 1967 von Israel besetzten Golanhöhen getroffen worden. Erst die Anklage wegen Korruption gegen Olmert bereitete der diplomatischen Annäherung ein Ende, die Hoffnung auf einen syrisch-israelischen Friedensschluss zerbrach – und auf einen mit dem Libanon, der bis zum Abzug syrischer Truppen 2005 unter Kuratel von Damaskus stand.

So betrachtet nimmt die Absichtserklärung von VAE und Israel einen Faden wieder auf, der durch das Scheitern des israelisch-palästinensischen Friedensprozesses aus dem Blick geraten ist: Schließlich bestand die internationale Nahostdiplomatie vor Beginn der arabischen Aufstände 2010/11 nicht nur auf der Schaffung eines palästinensischen neben dem israelischen Staat, sondern auch auf regionale Entspannung. Die Friedensinitiative der Arabischen Liga, präsentiert 2002 vom damaligen saudischen Kronprinzen Abdullah in Beirut, hatte ebenfalls die Normalisierung diplomatischer Beziehungen mit Jerusalem zum Ziel – freilich erst nach Rückzug Israels aus den 1967 besetzten Gebieten.

Anders als die Führung der Emirate, die lediglich die vorläufige Nichtannexion dieser Gebiete zur Bedingung für die Annäherung an Israel gemacht hatten, pocht Saudi-Arabien weiter auf einem souveränen palästinensischen Staat in den Grenzen von 1967 als Gegenleistung für eine Normalisierung der Beziehungen. Doch so eng wie das Verhältnis zwischen Mohammed bin Zayid und dem saudischen Thronfolger Mohammed bin Salman ist, wird Abu Dhabi den Schritt nicht ohne vorherige Rücksprache mit Riad gemacht haben. Das dürfte dem Ziel dienen, die Friedensinitiative zur Grundlage für künftige Verhandlungen zu machen.

Absichtserklärung ist eine Zäsur

Bei aller Vorsicht über die vor allem aus wirtschaftlichen Motiven – und der gemeinsamen Abwehrhaltung gegen den Iran – betriebene Normalisierung zwischen den Emiraten und Israel bedeutet die Absichtserklärung deshalb eine Zäsur. Sie könnte der Dominostein sein, der die festgefahrenen Verhältnisse im Nahen Osten wieder in Bewegung bringt.

Höchste Zeit dafür wäre es, schließlich hat sich die Region seit den Friedensbemühungen Olmerts und Assads fundamental gewandelt: Die 2010 in Tunesien begonnenen arabischen Aufstände sind bis heute nicht beendet, trotz der Niederschlagung der Proteste in Syrien und Ägypten, trotz der Kriege im Jemen und Libyen. Sowohl im Libanon wie im Irak, in Algerien und Sudan gehen Menschen seit 2019 aus denselben Gründen auf die Straße wie vor zehn Jahren – für Freiheit, Bürgerrechte, soziale Gerechtigkeit und Rechenschaftspflicht der Herrschenden.

Die Beilegung des alten Nahostkonflikts zwischen Israel und Palästinensischer Autonomiebehörde ist auch dadurch in den Hintergrund gerückt, dass nicht mehr Ägypten und Jordanien, die 1979 und 1994 Frieden mit Israel schlossen, die Geschicke in Nahost bestimmen. An erster Stelle steht für die Führungsmächte des Golf-Kooperationsrats (GCC), Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, der Kampf um regionale Hegemonie mit dem Iran. Ihre stärksten Verbündeten gegen die Führung in Teheran sind Israel und die USA.

Palästinenser sprechen von Verrat

Dass von palästinensischer Seite nun von Verrat die Rede ist, ist verständlich. Doch die Weigerung ihrer politischen Führung, auf die veränderten Realitäten in der Region zur reagieren, ändert nichts daran, dass die alten Regeln des Konflikts nicht mehr gelten: Nicht die Lage im Westjordanland und Gaza, sondern den Iran in Schach zu halten und die Staatszerfallsprozesse in Syrien, im Irak, in Jemen und Libyen auf Dauer zu beenden, hat für Riad und Abu Dhabi oberste Priorität. Die Annäherung der Emirate an Israel könnte dabei ein erster Schritt sein, dem möglicherweise bald Bahrain und Oman folgen – und in einigen Jahren Saudi-Arabien.

Wirkliche Stabilität zwischen Persischem Golf und Mittelmeer freilich wird sich nur erreichen lassen, wenn die Konfrontation zwischen den arabischen Hegemonialmächten und Iran beendet wird – und ein Interessensausgleich Teherans mit Israel erfolgt. Dann erst kann das Rathaus von Tel Aviv in den Farben der iranischen Flagge leuchten. Und vielleicht auch das von Ramallah.

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leitet das Israel-Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Tel Aviv. Davor Chefredakteur des Amnesty Journals in Berlin und Nahostkorrespondent der F.A.Z. in Kairo. Autor von »Die Profiteure des Terrors - Wie Deutschland an Kriegen verdient und arabische Diktaturen stärkt«. Redakteursausbildung an der Deutschen Journalistenschule (DJS) in München; Abschluss als Diplom-Politologe am Otto-Suhr-Institut (OSI) der Freien Universität Berlin. Er twittert unter @MarkusBickel

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