Verhältnis zwischen USA und China: Taiwan spaltet US-Demokraten
Mit ihrer geplanten Taiwan-Reise provoziert Nancy Pelosi nicht nur die Regierung in Peking. Sie stürzt auch die Biden-Regierung in ein Dilemma.
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In seltener Übereinstimmung versuchen sowohl andere Spitzenpolitiker der Demokratischen Partei, das US-Militär als auch die Führung in Peking, Pelosis Reise zu verhindern. US-Präsident Joe Biden hat öffentlich nur erklärt: „Das Militär hält das nicht für eine gute Idee“.
Regierungssprecher in Peking hingegen halten keine Hand vor den Mund. China werde nicht „untätig“ zuschauen, versichert Tan Kefei, Sprecher im Verteidigungsministerium, falls die Nummer drei der politischen Hierarchie in Washington in Taipeh einfliege: „Wir werden entschlossen handeln, um jede äußere Einmischung zu vereiteln.“
Hinter verschlossenen Türen hat das US-Verteidigungsministerium Pelosi über den aktuellen Stand der US-chinesischen Beziehungen und die Risiken eines Taiwan-Besuches „gebrieft“. An dem Termin sollen auch Vertreter des Weißen Hauses teilgenommen haben.
Pelosis „potenzielle Reise“ als Sicherheitsrisiko
Bei einem Pressegespräch am Montag spielte John Kirby, der Sprecher von Präsident Bidens Nationalem Sicherheitsrat, das Ereignis als eine “potenzielle Reise“ herunter. Aber falls Pelosi tatsächlich reise, müsse das US-Militär für ihre Sicherheit sorgen, fügte er hinzu.
Kirby sagte: „Das ist wichtig für die nationale Sicherheit der USA“. Denn im Fall eines Machtvakuums an der Regierungsspitze würde die Sprecherin des Repräsentantenhauses nach dem Präsidenten und der Vizepräsidentin an die Spitze aufrücken.
Die US-Politiker, die das Ansinnen der führenden Demokratin am stärksten unterstützen, kommen vom rechten Rand der Republikanischen Partei. „Wenn die Sprecherin nach Taiwan reisen will, soll sie das tun“, sagte Mark Esper, der Ex-Präsident Donald Trump eine Weile als Verteidigungsminister gedient hat, in einem Fernsehinterview.
Trumps Ex-Außenminister Mike Pompeo tweetete: „Nancy, ich werde mit dir gehen. In China bin ich geächtet, aber nicht im freiheitsliebenden Taiwan“.
Angesichts von Bidens Bemühen, die Reise zu verhindern, argumentierte der Chef der Republikaner im US-Senat, Mitch McConnell, ein Rückzieher sei nicht mehr möglich. Denn wenn die Demokratin ihre Reise jetzt absage, wäre das „eine Art Sieg“ für China und würde dem Ansehen der USA in der Region schaden.
Rechte Republikaner unterstützen Pelosis Reise
Pelosi hat ihre Reisepläne für August bislang öffentlich nicht bestätigt. Gegenüber den Einwänden aus ihrer Partei gibt sie sich ratlos. „Ich bin nicht sicher, was der Präsident meint“, sagte sie: „Vielleicht ist das Militär besorgt, dass mein Flugzeug abgeschossen wird.“
Die 82-Jährige, die gegenwärtig ihre 18. Amtszeit im Repräsentantenhaus absolviert, hat Peking oft öffentlich kritisiert. 1991, zwei Jahre nach dem so genannten Tiananmen-Massaker, entfaltete sie ein Transparent zu Ehren der ermordeten Studenten. Nach der Zerschlagung der Demokratiebewegung in Hongkong organisierte sie in den USA Konferenzen mit Exilanten.
Für Biden kommt die öffentliche Uneinigkeit in den eigenen Reihen über den Umgang mit Peking ungünstig. In dieser Woche hat er einen seiner seltenen Telefontermine mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping. Für den fünften Termin der beiden seit Bidens Amtsantritt nannte Kirby eine so weite und wie vage Themenliste, die von Territorialstreitigkeiten im Ost- und Südchinesische Meer, über das Klima und den Krieg in der Ukraine bis hin zum „wirtschaftlichen Wettbewerb“ reiche. Taiwan war ursprünglich nur als eines von vielen Themen auf der Liste.
Biden hat die US-Militärpräsenz im Südchinesischen Meer weiter ausgebaut, dort internationale Manöver abhalten lassen und Marineschiffe immer wieder auch in der Taiwan-Straße zwischen China und Taiwan kreuzen lassen. Peking betrachtet diese als sein Hoheitsgebiet, während es für die USA und Taiwan ein internationales Gewässer ist.
US-Balanceakt gegenüber Taiwan
Seit dem russischen Krieg gegen die Ukraine rätselt Washington, wie Peking das westliche Verhalten in dem Konflikt interpretieren könnte. Eine Befürchtung ist, dass Chinas Regierung sich nun ihrerseits ermuntert fühlen könnte, sich Taiwan einzuverleiben, was sie immer wieder als Option nennt.
Die US-Politik gegenüber Taiwan ist ein Balanceakt. Bei seinem historischen Besuch 1972, der wieder Beziehungen zu China knüpfte, hatte US-Präsident Richard Nixon im Schanghai-Kommuniqué de fakto anerkannt, dass es nur ein China gebe. Doch seither haben Politiker beider Parteien – zuletzt auch Biden – immer wieder ihre Unterstützung für das eigenständige Taiwan erklärt.
Der letzte ebenso wie Pelosi hochrangige US-Politiker, der Taiwan besucht hat, war der Republikaner Newt Gingrich. Sein Besuch hatte 1997 schweres Missfallen in Peking ausgelöst. Aber damals war China noch weit davon entfernt, den USA militärisch und wirtschaftlich auf Augenhöhe zu begegnen.
Was Pelosi mit ihrer Reise genau verfolgt, ist offen. Sie garantiert ihr während der sommerlichen Sitzungspause des Repräsentantenhauses Schlagzeilen, die ihr auch für ihre Wiederwahl bei den Midterms im November nutzen können. In Peking strebt Xi Jinping beim Parteikongress im Oktober seine dritte Amtszeit an. Dafür könnte ihm ein scharfes Auftreten gegenüber Washington von Nutzen sein.
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