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Vergesellschaftung von Wohnungen„Hamburg enteignet“ geht zurück auf Los

Die Initiative, die große Wohnungsbestände vergesellschaften will, zieht ihr Volksbegehren zurück. Jetzt will sie ein Gesetz zur Abstimmung vorlegen.

Stark gefragt und teuer: Wohnungen in Hamburg Foto: Marcus Brandt/dpa

Hamburg taz | „Hamburg enteignet“ ist aus dem Verfassungsgerichtsverfahren ausgestiegen, das der Senat gegen die Volksinitiative angestrengt hat. Stattdessen will die Initiative, die die Bestände großer Wohnungsunternehmen in Hamburg vergesellschaften will, noch einmal ganz von vorn anfangen. Statt den Senat aufzufordern, ein Enteignungsgesetz auszuarbeiten, will sie ein solches Gesetz nun selbst vorlegen.

Hamburg enteignet“ hatte vor knapp zwei Jahren die erforderlichen Unterschriften für ein Volksbegehren vorgelegt. Ziel war es, Wohnungsgesellschaften mit mehr als 500 Wohnungen in Hamburg zu enteignen, um die Mieten zu senken. Dagegen hat der rot-grüne Senat im ­November 2023 das Hamburgische Verfassungsgericht angerufen.

Das hat sich nun damit erledigt, dass die Initiative ihr Volksbegehren zurückgezogen hat. Der Antragsteller, also die Stadt, habe bereits „eine verfahrensbeendende Erklärung im verfassungsgerichtlichen Verfahren in Aussicht gestellt“, teilte Gerichtssprecherin Marayke Frantzen mit. Noch sei eine solche aber nicht eingegangen.

Die Volksinitiative hatte den Senat aufgefordert, eine Kommission einzusetzen, die einen Gesetzentwurf zur Vergesellschaftung großer Wohnungsbestände erarbeiten sollte. Das Anliegen zielt auf Wohnungskonzerne wie Vonovia oder Heimstaden, aber auch auf sehr wohlhabende Privatleute mit großen Beständen.

Das Risiko, aus formalen Gründen zu scheitern

Das Ende des laufenden Verfahrens abzuwarten, hätte für die Volksinitiative das Risiko beinhaltet, aus formalen Gründen zu scheitern. „Unsere Sorge wäre nicht gewesen, dass es inhaltlich unmöglich ist, was wir fordern, sondern dass die konkrete Formulierung unserer Forderung nicht exakt genug ist“, sagt Maura Weigelt von „Hamburg enteignet“. Dass ein mögliches Scheitern nichts mit dem Inhalt des Volksbegehrens zu tun gehabt hätte, wäre der Öffentlichkeit schwer zu vermitteln gewesen, befürchtet Weigelt.

Der Senat hatte in einem ausführlichen Schreiben begründet, warum er das Volksbegehren für verfassungs­widrig halte. Er bezweifelte, dass die Forderung der Initiative verhältnismäßig sei. Der Antrag greife in „den Kernbereich des Haushaltsrechts der Bürgerschaft“ ein. Zudem könnte der Senat im Falle eines erfolg­reichen Volksentscheids gezwungen sein, gegen seinen Willen „durch persönliche Mitarbeit von Mitgliedern des Senats“ an der Umsetzung mitzuarbeiten.

Die Befürchtung, dass eine Vergesellschaftung nicht verfassungskonform sein könnte, sieht die Initiative inzwischen ausgeräumt. Denn in Berlin kam die Expertenkommission „Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen“ zu dem Schluss, dass Enteignungen nicht nur möglich, sondern auch ein effizientes Mittel sind. Die Berliner Kommission fand auch nicht, dass die Unternehmen, wie vom Senat befürchtet, zum Marktwert entschädigt werden müssten. Die Summe könnte durchaus darunter liegen.

Mit ihrem neuen Anlauf will die Hamburger Initiative selbst einen Entwurf vorlegen, der per Volksentscheid Gesetz werden könnte. Damit lasse sich vermeiden, dass eine Kommission zwar ein Gesetz erarbeite, die Bürgerschaft das aber dann doch nicht beschließe, sagt Weigelt. Gesetze in Hamburg werden laut der Verfassung „von der Bürgerschaft oder durch Volksentscheid beschlossen“.

Hamburg hofft, von der Berliner Expertise zu profitieren

Die Hamburger Initiative orientiert sich an den Erfahrungen in Berlin, wo sich der Senat dagegen sperrt, einen Volksentscheid für die Enteignung großer Wohnungskonzerne umzusetzen. Die Berliner Volksinitiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ arbeitet schon an einem Gesetzentwurf. Die Hamburger hoffen, von deren Expertise zu profitieren.

„Statt auf den Senat zu hoffen, werden wir in engem Austausch mit ‚Deutsche Wohnen & Co. enteignen‘ ein Hamburger Enteignungsgesetz schreiben“, teilt die Initiative mit. Durch dieses Gesetz sollten große profitorientierte Wohnungsunternehmen enteignet werden, die Wohnen lediglich als Kapitalanlage sähen.

Wir wollen einen Wohnungsmarkt schaffen, der an den Bedürfnissen der Ham­bur­ge­r*in­nen orientiert ist

Hamburg enteignet

„Damit wollen wir einen Wohnungsmarkt schaffen, der an den Bedürfnissen der Ham­bur­ge­r*in­nen orientiert ist“, heißt es in der Pressemitteilung. Bis das Gesetz fertig sei, wolle sich die Initiative mit kreativen Aktionen und Demos für günstige Mieten einsetzen. Als Termin für den Volksentscheid würde sich eine der 2029 anstehenden Wahlen eignen.

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4 Kommentare

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  • Mich würde interessieren ob private Vermieter wirklich nur aus Gutmenschentum vermieten oder ob diese nicht auch eine Gewinnmaximierung anstreben?



    Was und wo ist also der Unterschied? Kleinvermieter haben auch die Möglichkeit auf Eigenbedarfskündigung, das gefällt auch nicht jedem wenn er oder sie betroffen ist!



    Und wo werden neue Wohnungen durch die Enteignung geschaffen?



    Ist die Größe der Verwaltungseinheit für den Wohnungsbestand wirklich ein Nachteil für die Allgemeinheit?

  • eigentlich hätte die ini gleich dran denken können, einen eigenen gesetzentwurf vorzulegen, statt den senat aufzufordern, einen solchen auszuarbeiten. das wäre von vorneherein konkreter gewesen.



    na ja, dann käme nur noch die hürde der realisierung beim erfolgreichen volksentscheid. daß stadtregierung berlin sowas einfach aussitzt, ist ein sehr böses omen + könnte nachahmerInnen in der fhh finden.



    es mangelt immer noch an einer wirklichen bewegung, die druck ausüben könnte. erfolgreiche volksentscheide scheinen diesen druck für die regierenden nicht darzustellen.

  • Oder man baut mit dem Geld neue Wohnungen, die Mieter ziehen dort hin, und die Wohnungsgesellschaften müssen dann ja die frei gewordenen Wohnungen günstiger vermieten.

    • @Stoffel:

      Eigentlich der einzig richtige Weg.



      Was hat ein Wohnungssuchender denn davon wenn eine vermietete Wohnung statt Vonovia dann der Stadt gehört? Er hat immer noch keine Wohnung. Und selbst wenn mal eine Wohnung frei würde, egal wem diese gehört, so steht er dann doch irgendwo chancenlos auf der Warteliste, weil auch eine städtische Genossenschaft darauf schaut wie es um dessen finanzielle oder familiäre Situation bestellt ist. es gibt einfach viel zu viele Menschen, welche nur in der Stadt wohnen wollen, weil es "geil" ist, und den wirklich Bedürftigen die knappen Wohnungen weg nehmen.



      Und wenn es zu einer Enteignung unter Marktwert kommen sollte, wird wahrscheinlich sofort dagegen durch alle Instanzen geklagt (würde ich mit meinen zwei Wohnungen ja auch machen), was das ganze dann auf Jahre hin wieder lahmlegt.