Verfahren gegen Journalistin Cadwalladr: Slapp! Slapp!
Ein britischer Unternehmer verklagt eine Journalistin, wirft ihr Rufschädigung vor. Viele sehen in der Klage einen Einschüchterungsversuch.
Mittels langwieriger Rechtsverfahren sollen vor allem Journalist:innen davon abgehalten werden, kritisch über Unternehmer:innen und Regierungen zu berichten. Viele Gruppen, darunter Reporter ohne Grenzen, haben Cadwalladr ihre Unterstützung angeboten. Per Crowdfunding werden derzeit ihre Rechtskosten gedeckt.
Die Guardian-Journalistin Cadwalladr hatte in ihrem „Ted Talk“, einem im Netz verbreiteten Vortrag, über die Macht von Facebook in der Brexit-Debatte gesprochen. Sie hatte nebenher behauptet, dass Arron Banks über seine Beziehungen zum russischen Staat gelogen habe. Sie wolle „gar nicht erst damit anfangen, über die Lügen zu reden, die Arron Banks über seine geheime Verbindung zur russischen Regierung erzählt hat“. Banks ist seines Zeichens ein britischer Millionär und Geschäftsinhaber, der sowohl Nigel Farages einstige Partei Ukip als auch die Brexit-Kampagnengruppe Leave.EU unterstützt hatte. Banks ist mit der Tochter eines hohen russischen Staatsangestellten verheiratet.
Gegen Banks und Leave.EU wurde nach dem Brexit-Referendum 2016 seitens der britischen Strafverfolgungsbehörde (NCA) ermittelt wegen des Verdachts, dass hinter einer 8 Millionen Pfund hohen Spende an Leave.EU – der höchsten in der britischen Geschichte – nicht wirklich Banks gestanden habe. Die NCA sprach Banks später von jeder Schuld frei, auf Basis einer anderen Untersuchung durch die britische Datenschutzbeauftragte jedoch erhielt seine Versicherungsfirma wegen Verwendung persönlicher Daten von Kunden für die Kampagne eine Strafe von 120.000 Pfund.
Aber zurück zur Journalistin Carole Cadwalladr: Banks verklagte sie wegen Verleumdung, vor allem, weil der „Ted Talk“ mit 5,3 Millionen Zugriffen eine Reichweite gehabt habe, die über Banks vorherigen Bekanntheitsgrad hinaus gereicht haben soll. Dies habe seinem Ruf schweren Schaden zugefügt, hieß es in der Anhörung vor dem obersten Gericht in London. Banks' Verteidigung gab an, dass Cadwalladr ihrer Sorgfaltspflicht nicht ausreichend nachgekommen sei und nichts unternommen hätte, ihre Aussage aus dem „Ted Talk“ zu entfernen.
Forderung nach Anti-“Slapp“-Gesetzen kommt auf
Cadwalladrs Anwalt entgegnete, ihre Aussage sei im Sinne des öffentlichen Interesses gewesen, da sie sich auf die mögliche Gefährdung demokratischer Vorgänge bezogen habe, unter anderem aufgrund Verbindungen zu Donald Trump und Leave.EU. Das Ansehen Banks sei bereits ohne Cadwalladrs Satz beschädigt gewesen.
In England und Wales ist der Anstieg solcher Slapp-Fälle gestiegen. Sie ist derzeit so hoch, dass es Mitte Januar Anlass zu einer parlamentarischen Debatte zu dem Thema gab. Parteiübergreifend wurden darin neue Gesetze zum Schutz von Journalist:innen und Behörden gefordert. Merkmal von „Slapps“ ist, dass meist reiche Personen oder Unternehmen sie anstrengen – und dass sie, wie im Fall Cadwalladr, nicht das publizierende Medium, sondern einzelne Journalist:innen verklagen. Ihnen werden teilweise über Jahre hinweg immer wieder Vergehen zur Last gelegt, manchmal von unterschiedlichen Kläger:innen. Zuletzt waren die FT-Journalist:innen Catherine Belton und Tom Burgis von dem russischen Staat nahestehenden Personen und Körperschaften verklagt worden.
Arron Banks behauptet jedoch, seine Klage gegen Cadwalladr sei weder ein Slapp-Fall noch böswillig. Banks bezeichnet sich weiterhin als Opfer unfairer Anschuldigungen. Nach dem „Ted Talk“ sei sein Sohn in der Schule gehänselt worden.
Im Fall Cadwalladr hat gerade ein mehrtägiger Anhörungsmarathon bei Gericht geendet, nun wird auf das Urteil gewartet, was Wochen dauern könnte.
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