piwik no script img

Verfahren gegen Journalistin CadwalladrSlapp! Slapp!

Ein britischer Unternehmer verklagt eine Journalistin, wirft ihr Rufschädigung vor. Viele sehen in der Klage einen Einschüchterungsversuch.

Hat viel Unterstützung: Carole Cadwalladr Foto: Tayfun Salci/imago

London taz | Ein Satz war es, in einem 15-minütigen „Ted Talk“ aus dem Jahr 2019. Wegen dieses einen Satzes hat der Unternehmer Arron Banks die britische Journalistin Carole Cadwalladr verklagt. Der Fall beschäftigt mittlerweile das ganze Land. Viele sehen in der Klage ein sogenanntes Slapp-Verfahren. Slapp steht für „Strategic Lawsuit against Public Participation“, also etwa „Strategisches Verfahren gegen öffentliche Teilhabe“, das Akronym bedeutet außerdem „Schlag ins Gesicht“.

Mittels langwieriger Rechtsverfahren sollen vor allem Jour­na­lis­t:in­nen davon abgehalten werden, kritisch über Un­ter­neh­me­r:in­nen und Regierungen zu berichten. Viele Gruppen, darunter Reporter ohne Grenzen, haben Cadwalladr ihre Unterstützung angeboten. Per Crowdfunding werden derzeit ihre Rechtskosten gedeckt.

Die Guardian-Journalistin Cadwalladr hatte in ihrem „Ted Talk“, einem im Netz verbreiteten Vortrag, über die Macht von Facebook in der Brexit-Debatte gesprochen. Sie hatte nebenher behauptet, dass Arron Banks über seine Beziehungen zum russischen Staat gelogen habe. Sie wolle „gar nicht erst damit anfangen, über die Lügen zu reden, die Arron Banks über seine geheime Verbindung zur russischen Regierung erzählt hat“. Banks ist seines Zeichens ein britischer Millionär und Geschäftsinhaber, der sowohl Nigel Farages einstige Partei Ukip als auch die Brexit-Kampagnengruppe Leave.EU unterstützt hatte. Banks ist mit der Tochter eines hohen russischen Staatsangestellten verheiratet.

Gegen Banks und Leave.EU wurde nach dem Brexit-Referendum 2016 seitens der britischen Strafverfolgungsbehörde (NCA) ermittelt wegen des Verdachts, dass hinter einer 8 Millionen Pfund hohen Spende an Leave.EU – der höchsten in der britischen Geschichte – nicht wirklich Banks gestanden habe. Die NCA sprach Banks später von jeder Schuld frei, auf Basis einer anderen Untersuchung durch die britische Datenschutzbeauftragte jedoch erhielt seine Versicherungsfirma wegen Verwendung persönlicher Daten von Kunden für die Kampagne eine Strafe von 120.000 Pfund.

Aber zurück zur Journalistin Carole Cadwalladr: Banks verklagte sie wegen Verleumdung, vor allem, weil der „Ted Talk“ mit 5,3 Millionen Zugriffen eine Reichweite gehabt habe, die über Banks vorherigen Bekanntheitsgrad hinaus gereicht haben soll. Dies habe seinem Ruf schweren Schaden zugefügt, hieß es in der Anhörung vor dem obersten Gericht in London. Banks' Verteidigung gab an, dass Cadwalladr ihrer Sorgfaltspflicht nicht ausreichend nachgekommen sei und nichts unternommen hätte, ihre Aussage aus dem „Ted Talk“ zu entfernen.

Forderung nach Anti-“Slapp“-Gesetzen kommt auf

Cadwalladrs Anwalt entgegnete, ihre Aussage sei im Sinne des öffentlichen Interesses gewesen, da sie sich auf die mögliche Gefährdung demokratischer Vorgänge bezogen habe, unter anderem aufgrund Verbindungen zu Donald Trump und Leave.EU. Das Ansehen Banks sei bereits ohne Cadwalladrs Satz beschädigt gewesen.

In England und Wales ist der Anstieg solcher Slapp-Fälle gestiegen. Sie ist derzeit so hoch, dass es Mitte Januar Anlass zu einer parlamentarischen Debatte zu dem Thema gab. Parteiübergreifend wurden darin neue Gesetze zum Schutz von Jour­na­lis­t:in­nen und Behörden gefordert. Merkmal von „Slapps“ ist, dass meist reiche Personen oder Unternehmen sie anstrengen – und dass sie, wie im Fall Cadwalladr, nicht das publizierende Medium, sondern einzelne Jour­na­lis­t:in­nen verklagen. Ihnen werden teilweise über Jahre hinweg immer wieder Vergehen zur Last gelegt, manchmal von unterschiedlichen Kläger:innen. Zuletzt waren die FT-Journalist:innen Catherine Belton und Tom Burgis von dem russischen Staat nahestehenden Personen und Körperschaften verklagt worden.

Arron Banks behauptet jedoch, seine Klage gegen Cadwalladr sei weder ein Slapp-Fall noch böswillig. Banks bezeichnet sich weiterhin als Opfer unfairer Anschuldigungen. Nach dem „Ted Talk“ sei sein Sohn in der Schule gehänselt worden.

Im Fall Cadwalladr hat gerade ein mehrtägiger Anhörungsmarathon bei Gericht geendet, nun wird auf das Urteil gewartet, was Wochen dauern könnte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Aktuell sind doch gerade hinsichtlich der Impfung gewisse Phrasen wieder en vogue, deshalb möchte ich mit einer gewissen Süffisanz anmerken: Die Redefreiheit von Frau Cadwalladr endet dort, wo die Persönlichkeit von Herrn Banks betroffen ist. Deshalb ist es ihr auch nach einem Urteil gegen sie nicht versagt, weiter Behauptungen aufzustellen, sie muss nur eben die Konsequenzen tragen.

    Vielleicht regt das ja den einen oder anderen zum Nachdenken über positive und negative Freiheiten an.

  • Lässt sich der Herr denn nach einen Urteil zu seinen Ungunsten dann auch auf Schadenssersatz, Schmerzensgeld in seinen Vermögen / Einkommen angemessenen Höhe verklagen ?



    "Wenn getroffene Hunde bellen" muss der Treffer "voll ins Schwarze sein" .

  • Es scheint mir, dass man im Vereinigten Königreich ein ähnliches Problem mit der Waffengleichheit vor dem Gesetz hat wie hierzulande.



    Die Prozesskosten sind unabhängig vom Umsatz oder Jahreseinkommen für beide Parteien gleich.



    Die ein Partei nimmt's aus der Portokasse und die andere Partei als Kredit auf.

    Soviel zum Thema Gleichheit vor dem Gesetz ... hüben wie drüben ...

  • SLAPP gibt es inzwischen übrigens auch im deutschsprachigen Raum, auch in der Politik, auch bei angeblich linken Parteien: die Wiener sPÖ hat Wissenschaftler/innen, die sich öffentlich gegen eine geplante Autobahn ausgesprochen haben, mit Klagsdrohungen überziehen lassen.