Verdeckte Ermittlerin in der Roten Flora: Einsatz in rechtsfreiem Raum
Eine LKA-Beamtin spitzelte sechs Jahre lang in der linken Szene Hamburgs und im autonomen Zentrum Rote Flora. Acht Jahre danach ist sie aufgeflogen.
HAMBURG taz | Sie hat alles gegeben, ging sogar mit Aktivisten ins Bett, damit ihre Legende echt erschien – doch nun sind sich die Betreiber des besetzten Stadteilzentrums Rote Flora sicher: Die Beamtin Iris P. vom Landeskriminalamt (LKA) Hamburg war in den Jahren 2000 bis 2006 unter der Tarnidentität „Iris Schneider“ als verdeckte Ermittlerin in der linken Szene und der Roten Flora eingesetzt. Heute nimmt die 41-Jährige Aufgaben in der Abteilung „Prävention islamischer Extremismus, Projekt Prävention Smart Approach“ beim Staatsschutz des LKA wahr.
Iris P. war mit ihrer erfundenen Identität vor allem in der Roten Flora tätig, nahm dort auch regelmäßig am internen Plenum teil. Später engagierte sie sich auch beim Radiosender „Freies Sender Kombinat“ (FSK).
„Der langjährige Einsatz der LKA-Beamtin P. reiht sich ein in eine seit fast 25 Jahren andauernde Ausforschungs- und Bespitzelungspraxis der Hamburger Staatsschutzbehörde rund um die Rote Flora“, heißt es in einer Erklärung der Roten Flora. Obwohl der Einsatz von verdeckten Ermittlern an enge gesetzliche Vorgaben gebunden sei und eine zeitlich begrenzte Maßnahme der unmittelbaren Gefahrenabwehr darstellen soll, agierten in Hamburg verdeckte ErmittlerInnen im rechtsfreien Raum, beklagen die Betroffenen. Mit der Behauptung, es würden keine personenbezogenen Daten erhoben, werde diese rechtswidrige Praxis legitimiert.
Von „besonderem Zynismus“ sei, dass P. „unter ihrer Tarnidentität die Grenzen ihres polizeilichen Handelns massiv überschritten hat und mehrere enge Freundschaften und zwei längere Liebesbeziehungen geführt hatte, ohne natürlich dabei ihre polizeiliche Identität preiszugeben“, heißt es.
Mit der Enttarnung wollen die Betroffenen auf „diesen skandalösen Vorgang aufmerksam“ machen, um deutlich zu machen, „dass wir uns mit dieser Praxis nicht abfinden werden“. Sie fordern eine „lückenlose Offenlegung der Umstände des Einsatzes der verdeckten Ermittlerin Iris P. in den Flora Strukturen“. Die Innenbehörde wollte den Einsatz gestern weder bestätigen noch dementieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?