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Verbot des Songs „L’amour toujours“Den Falschen bestraft

Klaudia Lagozinski
Kommentar von Klaudia Lagozinski

Den Song, der Vorlage für Rassisten auf Sylt bot, zu verbieten, löst das Problem nicht. Der Musiker Gigi D’Agostino hat mit den Nazis nichts gemein.

Gigi D’Agostino Foto: imago

D er Oktoberfestbetreiber ist dem Wunsch der Sylt-Touristen nachgekommen: Der Ausländer ist raus. „Auf der Wiesn ist für den ganzen rechten Scheißdreck kein Platz“, sagte Wiesn-Chef Clemens Baumgärtner als Antwort auf das Video feiernder Rassisten, die „Ausländer raus!“ gesungen hatten auf die Beats des in den Spätneunzigern erschienenen Italodance-Songs „L’amour toujours“.

Anstatt jedoch das Problem rassistischer Parolen im öffentlichen Raum mit Bedacht anzugehen, entscheiden sich die Organisatoren des deutschen Bierfestes für eine Kurzschlussreaktion: Ein Song mit französischem Titel, der von einem Italiener komponiert wurde, der auf Englisch über Liebe singt, wird verboten. So einfach ist das. Doch eine echte Lösung sieht anders aus.

Mit dem Verbot eines Liedes, das Idioten umgedichtet haben, wird der Falsche bestraft. Gigi D’Agostino, der Musiker, distanzierte sich deutlich von dem Sylt-Skandal. Die Leitung vom Oktoberfest gießt nun zusätzlich Öl ins Feuer. Dem Rassismus wird das Verbot keinen Abbruch tun. Wer sich von einem 25 Jahre alten internationalen Song distanziert, distanziert sich damit nicht automatisch auch von Rechten oder von Naziparolen.

Baumgärtners Entscheidung ist nichts weiter als scheinheiliges Marketing. Schließlich bewirkt das Verbot von „L’amour toujours“ keineswegs, dass Nazis künftig nicht zu anderen Beats Hassbotschaften grölen werden. Soll dann jeder Song, der von irgendwelchen Deppen instrumentalisiert wird, verboten werden? Das gäbe denjenigen, die wirklich Rassismus verbreiten wollen, zu viel Macht: umdichten, grölen und schon ist das Lied vom Tisch.

Nicht „L’amour toujours“ ist das Problem, sondern das vorhandene rechte Gedankengut in den Köpfen einiger Deutscher. Daher sollte nicht Gigi D’Agostino als Sündenbock herhalten müssen. Stattdessen sollten die Festbetreiber sich überlegen, wie sie in einigen Monaten den Rassismus von den Bierzelten fernhalten können – sei es mit mehr Sicherheitspersonal, Hausverboten oder Schulungen für die Angestellten.

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Klaudia Lagozinski
Nachrichtenchefin & CvD
Immer unterwegs. Schreibt meistens über Kultur, Reisen, Wirtschaft und Skandinavien. Meistens auf Deutsch, manchmal auf Englisch und Schwedisch. Seit 2020 bei der taz. Master in Kulturjournalismus, in Berlin und Uppsala studiert. IJP (2023) bei Dagens ETC in Stockholm.
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12 Kommentare

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  • Wer spricht denn von Strafe? Es geht doch gar nicht darum, zu bestrafen, es macht einfach Sinn, es zu vermeiden, dass der falsche Text mitgegröhlt wird. Jeder DJ, der im Moment in entsprechendem Ambiente diesen Song spielt, provoziert Nazi-Gegröhle. Es nervt einfach, wenn über jede pragmatisch sinnvolle Entscheidung aus einem so moralisierenden Standpunkt die Nase gerümpft werden muss, von Leuten, die selbst keine Verantwortungh aben. Wenn man nichts machen würde, wäre es bestimmt auch nicht recht.

  • Den Falschen bestraft!!!



    ---



    Ist ja so einfach!



    "Wir erschlagen den Boten, denn dann muss keiner die Botschaft mehr hören!"



    Und damit ist genug getan! :-((

  • Hausverbot für Aiwanger und Konsorten würde mehr bringen.

  • Volle Zustimmung. Wahrscheinlich schielen die Rechten schon auf "Schrei nach Liebe" und ähnliche "linke" Songs. Irgendeine Parole wird man da sicher einfügen können.

    Ich denke aber, das war eher eine Verzweiflungstat, da man Aufnahmen der allgegenwärtigen Handykameras fürchtete, und für ein neues Anti-Rechts-Konzept mit Schulungen usw. wahrscheinlich so "kurzfristig" (nur noch 4 Monate) kein Geld da ist.

  • Von Bestrafung kann man eigentlich nicht reden. Zb im Apple ITunes Chart liegt das Lied auf Platz 3. Bei Youtube 450 Millionen Aufrufe. im Moment ist der Künstler auf Tour. Alleine 3 Termine in Österreich. Ich gönne ihm sein Geld.

  • 8G
    81283 (Profil gelöscht)

    Das Statement von D‘Agostino ist schon eher lau. Liebe und Frieden und private Emotionen. Nicht wirklich klare Worte, die ich mir gewünscht hätte.

  • Das Verbot hat dahingehend einen Sinn, dass es jetzt als Code verstanden werden kann.

    Außenstehende sollen diesen rechtsextremen Code verstehen und mit Verächtung und Zivilcourage reagieren.

    Weitere Verbreitung bedeutet weitere Verharmlosung von Ausländerfeindlichkeit.

  • Als gutgemeintes Symbol ist es doch nicht verkehrt. Man muss auch nicht alles mäßig machen.

  • Das erinnert mich daran, dass früher viele Leute die Firma "Lonsdale" als Nazimarke abgestempelt hatten, nachdem Nazis die Marke reihenweise wegen des "NS" in der Mitte trugen - obwohl die Marke nach dem Earl of Lonsdale benannt war, der mit den Nazis sehr wenig zu tun hatte. Als die Firma Lonsdale daraufhin eine Kampagne gegen rechts startete, verbrannten manche Nazis öffentlich ihre Lonsdale-Pullis. Ich hatte gehofft, daraus hätte man gelernt, sich die Dinge genauer anzuschauen - aber anscheinend nicht.

    • @Agarack:

      Es war noch viel bedeutender. Der "Lonsdale"-Schriftzug auf dem Hoodie wurde bei offenstehender Bomberjacke teilweise verdeckt und las sich "NSDA".

      Raten Sie mal, welchen Buchstaben man sich da dazudenken sollte.

      Es ist, wie es ist. Marken können sich leider nur begrenzt aussuchen, von wem sie aus welchen Gründen getragen werden. Haltung hilft da schon, führt aber meist nur zu ausweichen auf andere Marken.

      In Reaktion auf die Lonsdale-Kampagne gründete man in rechten Kreisen eigens "Consdaple". Da musste man sich dann den letzten Buchstaben gar nicht mal mehr dazudenken...

      Gigi d'Agostino hat leider hier auch den Applaus von der falschen Seite. Aber das liegt natürlich auch daran, dass jetzt jeder, der das Lied spielt, von wohlmeinenden Alman-Oberverdachschöpfern mit rechten Grölern und Rassisten in Verbindung gebracht werden wird.

    • @Agarack:

      Die "Public Relation" Experten der Rechten waren auch früher schon sehr findig. Zudem waren es gerade die Rechten die sich das Internet als Medium zu Eigen gemacht haben.



      Das Bild des dumben, Stiefel tragenden "Volltrottels" mag in einzelnen Fällen stimmen, in den meisten Fällen ist es aber das was es schon immer war. Das Unterschätzen einer der größten Gefahren für unsere Demokratie.