Veraltetes Material an sächsischer Schule: Rassenlehre im Biologieheft
In Sachsen lernen Zehntklässler mit einer Publikation, die Menschen in Rassenkreise einteilt. Im Ministerium ist von einem Einzelfall die Rede.
Offenbar lernen Schüler an einer sächsischen Oberschule eine veraltete Rassentheorie. Als Eltern in einer Gemeinde südlich von Dresden in dem Biologieheft ihres Kindes ein Arbeitsblatt zur „Rassenlehre des Menschen“ entdeckten, schickten sie das Lehrmaterial an die sächsische Landtagsabgeordnete Petra Zais. Die Grünen-Politikerin war entsetzt und richtete eine kleine Anfrage an die Staatsregierung.
„Gemäß […] des Sächsischen Schulgesetzes ist der Schulleiter verantwortlich für die Einhaltung der Lehrpläne“, erklärte daraufhin der sächsische Kultusminister Christian Piwarz (CDU). Das Ministerium unterstütze die Inhalte des betreffenden Themenhefts aber nicht, hieß es weiter. Für Zais war diese Antwort unzureichend: „Damit stiehlt sich die oberste Schulaufsichtsbehörde aus der Verantwortung.“ Sie fordert, das rassistische und veraltete Heft aus dem Verkehr zu ziehen.
Das zwanzig Jahre alte Themenheft mit dem Namen „Naturwissenschaft Biologie, Chemie, Physik – Farben“ erschien 1998 beim Verlag „Volk und Wissen“, der 1991 mit dem Cornelsen-Verlag fusionierte. Es enthält nicht nur Ausführungen zu negriden, mongoloiden und europäischen „Rassenkreisen“, sondern auch Übungen für Zehntklässler*innen, bei denen die Schüler*innen vermeintlich typische Merkmale wie Nasen- und Augenformen beschriften und diese verschiedenen Rassen zuordnen sollen.
„Bei 1.400 Schulen und über 20.000 Klassen handelt es sich hier um einen bedauerlichen Einzelfall“, sagte Susann Meerheim, Referentin im sächsischen Kultusministerium, der taz. Die Lehrkräfte vor Ort unterrichteten selbstverständlich nach dem Lehrplan, auch der Schulleiter sei seiner Verpflichtung nachgekommen und habe die alten Unterrichtsmaterialien entfernt, so Meerheim.
Seit 2004 nicht mehr Teil des Lehrplans
Die Rassenlehre gilt als veraltet. Durch die zunehmende Erforschung der Genetik stellten Wissenschaftler*innen fest, dass weit weniger Unterschiede zwischen Menschengruppen existieren als angenommen. Bis in die 1990er Jahre hinein blieb aber die Rede von Menschenrassen in der Biologie gebräuchlich. Auch Piwarz teilte mit, dass der Begriff „Menschenrasse“ seit 2004 nicht mehr Teil des Lehrplans sei. Heute sollen vor allem die genetischen Gemeinsamkeiten der Menschen vermittelt werden.
Seit 2017 sind in Sachsen die Druckwerke für die meisten Unterrichtsfächer zulassungsfrei. Das heißt, es entscheiden die Lehrer*innen, welche Lehrmaterialien sie einsetzen. „Die Freiheiten bei der Beschaffung und beim Einsatz von Lehr- und Lernmitteln sind grundsätzlich richtig“, so Zais. „Wenn aber offenkundig rassistisches Material im Unterricht verwendet wird, muss die Schulaufsicht eingreifen. Alles andere wäre ein Skandal.“
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alleingang des Finanzministers
Lindner will Bürgergeld kürzen
Putins Brics-Gipfel in Kasan
Club der falschen Freunde
Deutsche Asylpolitik
Die Hölle der anderen
Kritik an Initiative Finanzielle Bildung
Ministeriumsattacke auf Attac
Linke in Berlin
Parteiaustritte nach Antisemitismus-Streit
Investitionsbonus für Unternehmen
Das habecksche Gießkannenprinzip