Venedig verlangt Eintritt: Fünf Euro gegen den Massenansturm
Wer eine Tagestour nach Venedig macht, zahlt künftig Eintritt. Zu härteren Maßnahmen gegen Überfüllung kann sich die Stadt aber nicht durchringen.
Verschämt spricht die Stadtverwaltung von einem „Zugangsbeitrag“. In diesem Jahr soll er an 29 Tagen für Tagestourist*innen fällig werden, die sich hier jeweils zwischen 8.30 Uhr und 16 Uhr aufhalten.
Nicht umsonst ging es mit dem 25. April los. Dieser ist in Italien gesetzlicher Feiertag, an dem der Befreiung des Landes von der Herrschaft der Nazis und Faschisten im Jahr 1945 gedacht wird. Und da in der kommenden Woche mit dem 1. Mai der nächste große Feiertag ansteht, hat die Stadtspitze die Zahlungspflicht für Besucher*innen gleich für die gesamten elf Tage beschlossen. Bis zum 14. Juli gilt sie dann immer an den Wochenenden. Schon am ersten Tag wurden nach Auskunft der Stadt rund 10.000 Tagestickets gekauft.
Nichts bezahlen müssen Einheimische und Pendler*innen, Bürger*innen der Region Veneto, Kinder bis 14 Jahren und Übernachtungsgäste. Doch auch letztere bekommen von ihrem Hotel oder B&B einen QR-Code, den sie mit sich tragen müssen. Wer ohne Code erwischt wird, zahlt bis zu 300 Euro Buße.
Venedig: an vielen Tagen völlig überlaufen
Einigermaßen plausibel klingt die Begründung, die Bürgermeister Luigi Brugnaro für die Maßnahme lieferte: Venedig sei mittlerweile an vielen Tagen völlig überlaufen, deshalb gelte es, wenigstens an den Spitzentagen die Besucherströme einzuhegen, so Brugnaro. In der Tat ist Venedig ein Paradebeispiel für den sogenannten Overtourism: dafür, dass Städte oder Locations durch den Ansturm der Tourist*innen förmlich erdrückt werden.
Andererseits haben die Verantwortlichen in Venedig sonst so gut wie nichts unternommen, um die Verwandlung der Stadt in ein Freilichtmuseum auf anderen Wegen zu verhindern oder wenigstens zu bremsen. 15 Millionen Besucher*innen kommen jährlich, um sich durch enge Gassen zu schieben, in denen immer weniger Einheimische wohnen.
Die Zahl derer, die ganz normal in der ins Wasser gebauten Altstadt wohnen und leben, ist auf unter 50.000 gefallen. Währenddessen hat sich die Zahl der Gästebetten dort auf mittlerweile über 50.000 erhöht. Doch stringente Maßnahmen, wie etwa ein gesetzliches Verbot, Wohnraum in B&Bs oder Ferienwohnungen umzuwandeln, sind bisher nicht durchgesetzt.
Bloß ein „Signal“ stelle der jetzt fällige Eintrittspreis dar, mehr aber auch nicht, meint der in Venedig an der Architekturuniversität IUAV lehrende Professor Salvatore Russo in einem Interview mit dem Corriere della Sera, denn „fünf Euro haben wir alle“.
Wenigstens eines hat die Stadt allerdings mit dem „Zugangsbeitrag“ erreicht: Die Unesco hat ihre Entscheidung, ob sie Venedig auf die schwarze Liste der bedrohten Kulturgüter setzt, erst einmal vertagt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe