Vegetarische Ersatzprodukte: Die dunkle Seite des Schinken Spickers
Lord of Tofu und Veggyfriends sind Pioniere veganer Lebensmittel. Doch die großen Fleischkonzerne machen ihnen Konkurrenz.
Lord of Tofu erkennt „massiven Gegenwind“. Nach dem Einstieg der Fleischkonzerne habe sich die Konkurrenz erheblich verschärft, und: „Wir sind die Ersten, die ausgelistet werden“, sagt Mitinhaberin Dörte Ulrich der taz.
Der Hersteller mit seinen 13 Beschäftigten ist biozertifiziert, verwendet nur heimische, gentechfreie Sojabohnen und versucht geschmacklich, möglichst natürlich zu bleiben und nicht in erster Linie den tierischen Gout zu imitieren. Trotz aller Anstrengungen könnten jetzt personelle Einschnitte anstehen, so Ulrich.
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Auch Veggyfriends, ein Pionier, der seit 2002 vegane Produkte anbietet, spürt die neue Konkurrenz. Das 22-köpfige Unternehmen unterstützt Tierschützer und engagiert sich seit Jahren für Kampagnen gegen Massentierhaltung. Jetzt bekommen sie von den Händlern immer öfter die rote Karte gezeigt. „Die sagen uns, dass unsere Produkte toll sind, aber sie müssten jetzt leider die Großen ins Regal nehmen, weil sie mit denen auch im Fleischsektor zusammenarbeiten“, sagt Firmengründerin Rosalie Wolff der taz. Doch Wolff bleibt kämpferisch: „Ich wehre mich gegen die Opferrolle, wir müssen einfach noch innovativer und besser werden und dürfen uns nicht einschüchtern lassen.“
Vom Hühnerschänder zum Kooperationspartner?
Was die kleinen Firmen besonders wurmt: Die Fleischkonzerne werden ausgerechnet von jenen Organisationen unterstützt, die sie zuvor bis aufs Messer bekämpft haben. Der Deutsche Vegetarierbund (Vebu) etwa labelt die Veggie-Linie des Fleischkolosses Rügenwalder Mühle. Und die Tierrechtskämpfer von Peta verhandeln derzeit mit dem Geflügelriesen Wiesenhof, um dessen fleischlose Produkte womöglich mit dem Peta-Emblem zu adeln. In den sozialen Medien wird der „Pakt mit dem Teufel“ heftig kritisiert. Wie könne man nur mit Unternehmen kooperieren, die „Millionen Tiere ermorden“, heißt es. Vom Hühnerschänder zum Kooperationspartner?
Lord of Tofu ist aus Protest aus dem Vegetarierbund ausgetreten und hält dem Vebu vor, seine ethischen Grundsätze verloren zu haben. Eine „relevante Austrittswelle“ habe es bisher aber nicht gegeben, hieß es auf Nachfrage der taz.
Rosalie Wolff, Veggyfriends
Der Vegetarierbund verteidigt die Unterstützung für Rügenwalder in einer langen Stellungnahme. „Wir sind überzeugt, so eine breite Masse für vegetarische und vegane Fleischalternativen gewinnen zu können.“ Ziel seien mehr vegetarisch-vegane Produkte im konventionellen Lebensmitteleinzelhandel. „Wir sind überzeugt, dass es ein Fortschritt ist, wenn jetzt sogar ein zuvor rein Fleisch verarbeitendes Unternehmen Veggie-Wurst und Veggie-Fleisch anbietet“, so der Vegetarierbund. Die Pioniere kontern: Warum würden sie nicht in gleicher Weise unterstützt?
Der Veggie-Boom sorgt unterdessen weiter für erstaunliches Wachstum. So ist 2014 der Umsatz für Fleischalternativen und pflanzliche Brotaufstriche auf 213 Millionen Euro gestiegen, 73 Prozent plus in fünf Jahren. Bei Rügenwalder hat die vegetarische Version des Schinken Spickers und Frikadellen die Fleischsorten im Verkauf überholt.
Sophie Herr, Leiterin des Teams Lebensmittel der Verbraucherzentrale Bundesverband, beobachtet die vegan-vegetarischen Turbulenzen mit ganz anderem Blick. Sie will die Aufmerksamkeit auf die oft kritischen Inhaltsstoffe der Fleischersatzprodukte lenken. In einigen neuen Produkten werde extrem viel Hühnerei verwendet. Da stelle sich die Frage, ob dies erstens gesund sei und zweitens dem Tierwohl diene.
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