Veganismus in Bulgarien: „Fleischesser sind Mörder“
Die erste amtlich registrierte Veganer-Organisation wirbt mit spektakulären Aktionen. Der Chef, Nikola Donev, plant jetzt die Gründung einer Partei.
Vor elf Jahren kam der gelernte Vermessungstechniker zu der Erkenntnis, dass es nicht gerecht sei, aus Tieren Kleidung und Nahrung herzustellen. Seit dieser Zeit begann er – zum Unverständnis seiner Familie – nach und nach auf alle tierischen Produkte zu verzichten.
Vor einigen Monaten ließ der 28-Jährige seine Organisation „Union bulgarischer Veganer“ (BWS) nach zweijähriger Tätigkeit offiziell registrieren – landesweit die einzige Gruppierung ihrer Art. Zum harten Kern gehören 20 Gleichgesinnte. Unterstützer gibt es mittlerweile rund 400. Die Zahl von Veganern in Bulgarien mit rund 7 Millionen Einwohnern wird auf rund 2.000 geschätzt.
Die Veganer, die unter anderem auch das Reiten verbieten wollen, halten nicht nur Vorträge. Im November versuchten die Aktivisten in Sofia die „Meso-Mania“, eine Fachmesse für Fleisch, zu verhindern. Als das nicht gelang, protestierten sie mit Plakaten. Unter Fotos von einem neugeborenen Kind und einem Ferkel prangte die Aufschrift: „Legaler Mord an einem Baby!“
Richtig sauer
Doch diese Demonstrationen in einem Land mit einer traditionell sehr fleischlastigen Küche stoßen nicht bei allen auf Zustimmung. „Viele Leute sind richtig sauer auf uns. Und das nur, weil wir die Wahrheit sagen. Und die ist: Wenn ein Mensch Fleisch isst, dann ist er ein Mörder“, sagt Donev. Doch es gebe auch eine langsam wachsende Zahl von Bulgaren, die neugierig seien und anfingen, sich für veganes Leben zu begeistern.
Als größten Erfolg seiner Bewegung bezeichnet Donev den Umstand, dass es in Bulgarien kein Tabu mehr sei zu sagen, dass Fleisch zu essen, Mord sei. Und dass das Thema Veganismus immer weitere Kreise ziehe. Doch das reicht ihm nicht. „Unser Traum ist es, die Welt zu veganisieren, damit die Tiere frei leben können“, sagt er.
Ein Schritt auf dem Weg dorthin ist die Gründung einer Partei, die auch bei Wahlen antreten soll. „Wir brauchen eine Partei, damit wir einen größeren Einfluss auf die Gesellschaft bekommen“, sagt Donev. In spätestens zwei bis drei Jahren könne es soweit sein.
Barbara Oertel von der Berliner Tageszeitung/taz war im November zu Gast bei „Kapital“. Im Gegenzug arbeitete Svetoslav Todorov im November vier Wochen lang bei der taz in Berlin. „Kapital“ beteiligte sich am Journalistenaustausch „Nahaufnahme“ des Goethe-Instituts, bei dem Journalisten aus Deutschland und anderen europäischen Ländern für jeweils vier Wochen ihren Arbeitsplatz wechselten. Weitere Informationen finden Sie unter: www.goethe.de/nahaufnahme
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