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Veganhype auf dem Zeitschriftenmarkt„Es ist nicht alles schön“

Es gibt immer mehr Kochzeitschriften mit veganen Rezepten. Der „Kochen ohne Knochen“-Herausgeber über Lifestyle, politisches Essen und verpackte PR-Artikel.

Ein Herz für Bohnen Bild: dpa
Svenja Bednarczyk
Interview von Svenja Bednarczyk

taz: Herr Hiller, Das Vegan Magazin, Das Veggie Journal, Slowly Veggie, Vegan und Bio, Vegetarisch Fit – vegane und vegetarische Kochzeitschriften füllen seit einigen Monaten die Regale. Ihre Veganzeitschrift Kochen ohne Knochen gibt es seit 2009. Sinken Ihre Abozahlen durch die große Konkurrenz?

Joachim Hiller: Unsere Abozahlen gehen nach oben. Der ganze Markt wächst.

Wie kommt es zu dem Fleischlos-Hype?

Vegan zu sein ist raus aus der Spinnerecke. Nun wird es vielfach als Diät oder gesunde Ernährungsweise dargestellt. Manche Buchautoren versprechen sogar, dass es ewige Jugend bringen würde. Dadurch wird es zu einem Massenthema. Zum Leidwesen von alteingesessenen Veganern und Veganerinnen, die diese Lebensweise aus gesundheitlichen, aber auch aus ethischen, politischen, ökologischen und tierrechtlichen Gründen wählen.

Worüber müsste berichtet werden?

Generell würde ich mich über weniger Hurra-Berichterstattung freuen. Denn auch in der veganen Szene ist nicht alles schön. Wie ist beispielsweise die Umweltbilanz neuer Produkte? Man sollte den wachsenden Markt kritisch begleiten. Ein Titel erscheint in einem Ableger eines Verlages, der auch das Burger-King-Journal herausgibt. Da geht es nur ums Geldmachen. Ein anderer Verlag versucht ein Heft im Gala-Luxusstyle zu produzieren, wo vegan sein über Schuhe und Handtaschen definiert wird – Hauptsache, tierproduktfrei.

Wie politisch kann eine Zeitschrift überhaupt sein, in der es ums Kochen geht?

Die gesamte Landwirtschafts- und Subventionspolitik der EU, die Aussagen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, alle fördern den Fleischkonsum. In dem Moment, wo man sich zu einer veganen Lebensweise bekennt, steht man automatisch in Opposition zu diesen Institutionen. Veganismus ist in der Parteipolitik noch nicht angekommen. Man muss sich nur den GAU der Grünen mit dem Veggieday anschauen. Das Thema werden sie so schnell nicht mehr anpacken. Die Leute reden darüber, warum Westafrikaner in Berlin in Flüchtlingscamps sitzen.

Im Interview: Joachim Hiller

Jahrgang 1968, ist seit Ende der Achtziger Vegetarier, seit 2009 Veganer. Neben den Musikzeitschriften Ox und Fuze verlegt er das Vegan-Magazin Kochen ohne Knochen.

Letztendlich kann man das darauf zurückführen, dass die EU mit ihren Fangflotten das Meer vor Westafrika leer fischt, für die Fischer nichts mehr übrig bleibt und sie zur Flucht nach Europa getrieben werden. Über eine Alternative zu dieser Politik, über eine vegane Lebensweise zu berichten und aufzuklären ist eine ganz klare politische Aktion.

Wie unabhängig ist Journalismus im Foodbereich?

Immer wieder stößt man in Kochzeitschriften auf konkrete Produktnamen, etwa bei Frischkäse, oder es wird über „Produktneuheiten“ berichtet. Das ist kein Zufall, sondern das Ergebnis von PR-Arbeit. Da werden Texte mit der Kopiertaste übernommen. Man hört oft: Hallo, gerne würden wir in der aktuellen Ausgabe wieder eine Anzeige schalten, ist denn auch ein redaktioneller Artikel möglich? Klar, Rezepte lässt man sich gerne von Firmen stellen, das muss aber transparent sein: Aus welchem Kochbuch ist das Rezept, welche Firma hat einem den Text gegeben? Oft werden jedoch PR-Artikel abgedruckt.

Das erkenne ich, wenn ich die Anfragen, die auch bei mir ankommen, mit Berichten in anderen Zeitschriften vergleiche. Zudem muss man aufpassen, dass man auch bei der Zusammenarbeit etwa mit Tierrechtsorganisationen, ganz gleich, wie gut deren Arbeit ist, nichts ungeprüft übernimmt.

Viele Magazine versuchen, Veganer und Vegetarier zusammen als Zielgruppe abzudecken. Kann das funktionieren?

Naiverweise versuchten auch wir am Anfang, ein vegan-vegetarisches Magazin zu machen. Vegetarier haben zwar kein Problem mit Veganern, aber Veganer mit Vegetariern. Nun geht der Trend zur veganen Lebensweise. Anders als vor 10 Jahren wird heute eigentlich niemand zuerst Vegetarier. Deshalb hat ein nur vegetarisches Magazin meiner Meinung nach keinen Sinn mehr.

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5 Kommentare

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  • Ich freue mich schon auf den ersten Burger aus dem Labor, direkt aus der Nährlösung. Dann haben auch die ideologischen Grabenkämpfe ein Ende.

  • Wer den Unterschied zwischen religiösen und rational getragenen Motiven nicht erfasst hat, versteht auch "das Problem" nicht ;-) Wie wärs mit erst informieren und dann posten?

  • "Vegetarier haben zwar kein Problem mit Veganern, aber Veganer mit Vegetariern."

     

    Was denn bitte für ein Problem? Wie Christen mit Muslime oder was?

  • "Zum Leidwesen von alteingesessenen Veganern und Veganerinnen"

    Dem kann ich so nicht ganz zustimmen.

    Jeder Veganer profitiert auch von der wachsenden Produktvielfalt, übersichtlicheren Deklarierungen in Cafés und Restaurants und generell einer besseren Wahrnehmung, demnach auch mehr Rücksicht auf diese Ernährungsweise.

    Außerdem freue ich mich persönlich über jeden Einzelnen, der gesünder und umweltbewusster lebt.

  • Mich stört es auch sehr, wenn ständig in Berichten und Rezepten Produktnamen auftauchen. Ein paar Seiten weiter ist dann oft die Anzeige des Herstellers zu finden. In meinen Augen machen sich Food-Magazine damit unglaubwürdig: Sind das Produkt genannt und das Rezept genannt weil sie wirklich gut sind oder weil es dafür Geld gab. Ich bin nicht bereit, Geld für Medienprodukte mit einem solchen PR-Anteil zu bezahlen.

     

    Andererseits kann ich die Medienmacher auch verstehen: Gestellte Texte bedeuten Null-Arbeit und dennoch ist der Platz gefüllt. Mal eben ein Produkt nennen und dafür eine Anzeige verkaufen ist auch verlockend - was übrigens gegen den Pressekodex Ziffer 7, Trennung von redaktionellem Text und Werbung http://www.presserat.de/pressekodex/pressekodex/ verstößt.

     

    Im letzten Jahr habe ich mir deshalb vor dem Start meines Blogs http://www.brehl-backt.de Gedanken gemacht: Keine PR-Texte, Quellen von Rezepten sind angegeben (entweder selber entwickelt oder mit Genehmigung übernommen), Werbung nur an einer Stelle im Blog, keine Produktnamen in den Berichten wenn es redaktionell unnötig ist, Veröffentlichen der Sponsorenliste, Kooperationen deutlich machen und dergleichen. Das würde ich mir auch von so manch einem anderen Magazin wünschen. Aber wie es im Interview auch gesagt wurde: Manche Verlage stehen nicht hinter den Botschaften ihrer Produkte, sondern sehen sie rein als Verkaufsprodukt.