Vanessa Nakate und das Foto der AP: Davos, eurozentriert
Die Nachrichtenagentur AP hat Klimaaktivistin Vanessa Nakate aus einem Bild geschnitten. Der Fall zeigt die Macht von Fotojournalismus.
Fotos gleichen dem geschriebenen Wort darin, dass sie subjektiv sind, dass sie unvollständig sein können – und trügerisch. Beim Text entscheiden Autor*in und Redaktion, wo die Geschichte anfängt und wo sie endet, beim Foto ist es nicht anders, hier setzt der Rahmen die Wirklichkeit. Von wegen objektiv.
Und so ist die Verärgerung verständlich, mit der die ugandische Klimaaktivistin Vanessa Nakate auf ein Foto reagiert hat, das sie eigentlich zeigen müsste, in dem sie aber fehlt. Das Foto, aufgenommen beim Weltwirtschaftsforum in Davos, zeigt die Aktivist*innen Luisa Neubauer, Greta Thunberg, Isabelle Axelsson und Loukina Tille. Die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) hat es am Freitag zusammen mit ihrem Bericht über eine Pressekonferenz der Aktivistinnen veröffentlicht.
Nur: Vanessa Nakate, die noch links von Neubauer stand, war herausgeschnitten. Und das, obwohl Nakate gleichberechtigt neben den weißen, europäischen Aktivist*innen bei dem Pressetermin aufgetreten war. Und obwohl immer wieder die Gefahr diskutiert wird, dass weißer Klimaaktivismus Stimmen aus dem globalen Süden vedrängen könnte. „Sie haben nicht nur ein Foto entfernt, Sie haben einen Kontinent entfernt“, hat Nakate am Freitag getwittert.
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Nakate, die in Kampala bei einer Solarfirma arbeitet, organisiert in der ugandischen Hauptstadt kleine Klimastreiks – obwohl Streikende dort bei politischen Versammlungen von mehr als ein paar Menschen sofort Polizeigewalt befürchten müssen.
„Kompositorische Gründe“
Warum also ein Foto, das für weltweiten Aktivismus stehen könnte, ausgerechnet so beschneiden, dass wieder eurozentrischer Aktivismus draus wird? Einige Medien zitierten eine Erklärung des AP-Fotochefs, dass das Bild aus rein „kompositorischen Gründen“ beschnitten worden sei. Der Fotograf habe das Gebäude hinter Nakate als störend empfunden.
Richtig ist, dass das Gebäude recht hässlich ist. Dass das Foto ohne Gebäude ein Gefühl von „Weite“ erzeugt, weil das Gehirn sich den Himmel einfach jenseits des Randes dazurechnet. Und ein Foto von ernst dreinblickenden Aktivist*innen vor blauem Himmel hat natürlich gewisse Symbolkraft, während das Haus mit dem grindigen Putz die Szenerie wieder eher mondän macht. All das kann man also nachvollziehen. Aber man stelle sich vor, Greta Thunberg oder Luisa Neubauer hätten vor dem Haus gestanden.
AP gab noch am Freitag ein Statement heraus, entschuldigte sich für den Vorfall – und verschickte das Originalfoto, wie es übrigens die Konkurrenz von Reuters schon gleich zu Anfang getan hatte. Trotzdem entspann sich übers Wochenende eine Netzdebatte. Vanessa Nakate sah sich zwischenzeitlich sogar gezwungen, zu rechtfertigen, dass sie sich nicht gleich von Anfang an in die Mitte gestellt hatte.
Ein besseres Beispiel für Eurozentrismus kann es kaum geben – also für die Neigung, weiße europäische Stimmen und Gesichter immer zuallererst abzubilden und alle anderen nur dann, wenn nicht irgendetwas dazwischenkommt.
Das alles ist natürlich nicht die alleinige Schuld eines Fotografen oder eines Agentur-Newsrooms. Aber die Fotos nebeneinander veranschaulichen auf schockierende Weise, welche Macht Fotojournalismus hat. Nämlich Interpretationen zu ermöglichen und zu verhindern. Und wie schnell etwas schiefgehen kann, wenn nicht alle ständig aufpassen. Vor allem, wenn nicht Betroffene wie Vanessa Nakate die Anfeindungen im Netz hinnehmen, um das Problem anzusprechen.
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