Urteil zu geschlechtlicher Elterndefinition: Transmann muss Mutter sein

Ein Transsexueller bekommt ein Kind und will als Vater eingetragen werden. Der Bundesgerichtshof entschied nun: Wer gebiert, gilt als Mutter.

Ein Bauch einer schwangeren Person, auf dem ein medizinisches Gerät (Ultraschall) liegt

Auch Transmänner können manchmal schwanger werden, müssen sich dann aber Mutter nennen lassen Foto: dpa

FREIBURG taz | Die Rollen von Vater und Mutter sind nicht beliebig austauschbar. Das entschied jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Grundsatzurteil (Az.: XII ZB 660/14). Ein Transmann, der ein Kind gebar, muss im Geburtenregister als Mutter eingetragen werden.

Konkret ging es um den Fall eines Frau-zu-Mann-Transsexuellen (eines Transmanns) aus Berlin. Oscar Müller (Name geändert) wurde 1982 bei der Geburt das weibliche Geschlecht zugeordnet, er erhielt den Vornamen Barbara. Zunächst lebte er als Frau und heiratete 2008 auch einen Mann, die Ehe ist aber schon seit einigen Jahren geschieden. 2010 änderte Barbara Müller den Vornamen in Oscar. Seit 2011 ist zudem durch Beschluss des Amtsgerichts festgestellt, dass Oscar Müller rechtlich als Mann gilt.

Oscar Müller nahm Hormone ein, um äußerlich männlicher zu wirken. Er verzichtete aber auf eine Operation seiner Geschlechtsorgane. Seit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 2011 ist eine Änderung des Personenstands auch ohne Operation und ohne Herbeiführung der Zeugungsunfähigkeit möglich.

Dies nutzte Oscar Müller, um ein Kind zu gebären. Er setzte die Hormonpräparate ab und wurde wieder fruchtbar. Mithilfe der „Bechermethode“ bekam er die Samenspende eines Mannes, der per Vertrag auf die Vaterrolle verzichtete. Im März 2013 gebar Oscar Mülller dann einen Jungen.

Als Mann ein Kind zur Welt gebracht

Bei der Eintragung ins Geburtenregister gab es jedoch Streit. Oscar Müller wollte als Vater eingetragen werden und natürlich auch mit dem Vornamen Oscar. Das Standesamt bestand aber darauf, dass er „Mutter“ sei und wollte deshalb den alten Vornamen „Barbara“ eintragen. Dagegen klagte Oscar Müller: Schließlich lebe er jetzt als Mann, und gegenüber dem Kind werde er die Vaterrolle einnehmen. Doch Oscar Müller scheiterte in allen Instanzen – vom Amtsgericht Schöneberg über das Kammergericht Berlin und jetzt auch beim Bundesgerichtshof.

„Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat“, heißt es im Bürgerlichen Gesetzbuch. Zwar ist Oscar Müller bei der Geburt im Jahr 2013 im rechtlichen Sinne keine Frau mehr gewesen, sondern ein Mann. Der BGH stellte nun aber auf eine Vorschrift im Transsexuellengesetz ab, wonach gegenüber den Kindern von Transsexuellen das ursprünglich zugeschriebene Geschlecht relevant bleibt. Aus der Mutter eines Kindes wird nach der Geschlechtsangleichung also kein rechtlicher Vater.

Diese Vorschrift könne auch angewandt werden, so der BGH, wenn das Kind erst nach der Geschlechtsangleichung geboren wird. Es gehe darum, dem Kind peinliche Situationen zu ersparen. Wenn es später eine Geburtsurkunde vorlege, auf der nur ein Mann als Elternteil vermerkt ist, werde so zwangsweise dessen Transsexualität offengelegt.

Kein Recht auf eingetragene Vaterschaft

Der BGH hält die Eintragung von Oscar Müller als Mutter auch für verfassungskonform. Dem Grundgesetz lasse sich keine Pflicht zur Schaffung eines geschlechtsneutralen Abstammungsrechts entnehmen. Der rechtliche Status als Vater und Mutter sei „untereinander nicht beliebig austauschbar“. Wenn Oscar Müller als Vater im Geburtenregister eingetragen würde, wäre es dem Kind zum Beispiel unmöglich, später den Samenspender als zusätzlichen Vater eintragen zu lassen.

Der BGH erkennt an, dass es für den als Mann lebenden Oscar Müller ein Problem darstellt, dass er im Geburtenregister als Mutter „Barbara Müller“ eingetragen ist. Dies könne ihm erschweren, nach außen als Mann wahrgenommen zu werden und seine Transsexualität offenlegen. Allerdings könne er die Einsichtnahme ins Geburtenregister durch Eintragung eines Sperrvermerks weitgehend verhindern.

Die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualiät (dgti) kritisierte das BGH-Urteil. Die vom BGH befürchtete Diskriminierung der Kinder von transsexuellen Eltern könne auch durch die Vorlage von Geburtsurkunden ohne Elternangaben vermieden werden. Dies sei heute schon rechtlich möglich. Die Organisation geht davon aus, dass das Urteil später vom Bundesverfassungsgericht korrigiert wird.

In Deutschland leben Schätzungen zufolge etwa 100.000 Transsexuelle. Jährlich werden rund 1.600 Anträge auf Änderung des rechtlichen Geschlechts gestellt. Überwiegend lassen sich die Betroffenen auch operieren. Wieviele unoperierte Transmänner bereits ein Kind geboren haben, wird statistisch nicht erfasst.

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