Urteil zu Fitnesskursen in Parks: Sollen kommerzielle Parknutzer zahlen?
Wer im Park Fitnesskurse anbietet, braucht eine Genehmigung des Bezirks. Das bestätigt das Verwaltungsgericht. Ist das richtig? Ein Pro und Contra.
Ja
Manchmal muss mensch spießig sein. Etwa, wenn es um Parks geht, gerne als „grüne Lunge“ der Berliner*innen bezeichnet. Das ist, um es noch mal zu verdeutlichen, genau das Gegenteil einer Raucherlunge. Deswegen kann niemand jene Idiot*innen ausstehen, die nach einem ausgiebigen, ihnen zu gönnenden Grillgelage im Park den Müll nicht ordentlich entsorgen, entweder in die (zugegebenermaßen oft zu wenigen) Container oder nach Hause, anstatt Alupfännchen und Hähnchenknochen den Krähen zum Fraß und zur Verteilung vorzuwerfen.
Parks gehören allen, die sie nutzen mögen. Aber wenn zu viele sie schlecht behandeln, dann will sie halt niemand mehr aufsuchen. Das aber ist eine krasse Minderung der Lebensqualität in Berlin, zumindest in den dicht bebauten Altbaukiezen.
Vor diesem Hintergrund ist es völlig richtig und auch moralisch nicht zu beanstanden, dass kommerzielle Anbieter von Sportangeboten dafür eine (kostenpflichtige) Genehmigung brauchen. Nicht erst seit der Coronapandemie hat die Präsenz von Fitnessgruppen, angeleitet von einem Coach, in den Parks in einem Maße zugenommen, wogegen die aktuelle Inflation geradezu lächerlich wirkt. Die dazugehörige Dauerbeschallung mit billigen Beats aus dem Gettoblaster vom Lastenrad zur angeblichen Motivationssteigerung nervt zusätzlich.
Das Gesetz Das Grünanlagengesetz regelt seit 1997, was in den Berliner Park- und Grünflächenanlagen erlaubt ist. In Paragraph 6 heißt es: „Die Bezirksverwaltung kann für Anlagen oder Anlagenteile Beschränkungen auf bestimmte Benutzungsarten und Öffnungszeiten festlegen und die Benutzung durch Gebote oder Verbote regeln.“ Außerdem können für die Benutzung seitens des zuständigen Bezirksamts „Entgelte erhoben werden“. Dass eine kommerzielle Nutzung per se genehmigungspflichtig ist, steht in dem Gesetz nicht explizit.
Das Urteil Das Berliner Verwaltungsgericht sieht das anders: Dort argumentierte man vielmehr, dass eine „Durchführung von Freiluft-Gruppen-Fitnesstrainings“ zu kommerziellen Zwecken nicht vom „Allgemeinbrauch“ abgedeckt sei, für die die Parks da seien: Eine Freifläche für „Erholungssuchende“. Geklagt hatte eine Fitnesstrainerin gegen das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg. Eine Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht ist möglich.
Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg verlangt laut einer Sprecherin für eine Veranstaltung pro Woche 230 Euro im Sommerhalbjahr April bis Oktober. 13 Anträge auf Parknutzung von Fitnesscoaches lägen dem Bezirksamt vor. Besonders beliebt bei Fitnesstrainer*innen sind laut einer Sprecherin der Gleisdreieck- und der Waldeckpark. Wer illegal Sportkurse abhält, begeht eine Ordnungswidrigkeit und muss mit einem Bußgeld rechnen. (akl)
Die Masse dieser Angebote regeln zu wollen, ist richtig; der Preis dafür maßvoll. In Friedrichshain-Kreuzberg etwa kostet eine für die ganze Sommersaison geltende Lizenz, jede Woche einen einstündigen Kurs anbieten zu dürfen, 230 Euro. So können die Bezirke einen Ausgleich anstreben zwischen Interessen jener Sportbegeistern, die nicht gerne ins Fitnessstudio gehen, und anderen Menschen im Park. Allerdings – das gehört immer dazu – müssen die Bezirke dafür die Lizenzen auch regelmäßig kontrollieren.
Das grundlegende Problem dahinter lässt sich auf diese Art allerdings nicht lösen: Berlin hat zu wenig Grünflächen, vor allem im S-Bahn-Ring. Klar gibt es den Tiergarten und das Tempelhofer Feld. Aber auch die sind stets gut besucht, und wer einmal am Wochenende im Volkspark Friedrichshain oder im Viktoriapark unterwegs war, weiß, was sich hinter dem Wort „Übernutzung“ verbirgt. Wer will, dass Berliner*innen gesund bleiben, muss mehr Stadtnatur schaffen. Bert Schulz
Nein
Berlin ist eine grüne Stadt, zum Glück, es gibt hier im Vergleich zu anderen Großstädten recht viele Parkanlagen. Im Sommer sind die – viel Fläche hin oder her – natürlich trotzdem voll: mit Familien und Kindern und Hunden, mit Jogger*innen und Dealern, mit Slacklines, Yogamatten und Einweggrills. Meistens sortiert sich das alles recht friedvoll zurecht auf dem Grün. Es fragt auch niemand, ob die Vorturnerin auf ihrer Yogamatte im Kreis ihrer fünf, sechs Mitturner*innen dafür am Ende pro Nase 10 Euro haben will, oder ob das bloß eine private Gruppe von Freund*innen ist.
Alles okay also, eigentlich. Wenn da nicht das Urteil des Verwaltungsgerichts wäre, das am Dienstag veröffentlicht wurde und das ausdrücklich darauf hinweist: Wer den Park kommerziell nutzt, braucht laut Paragraf 6 des Berliner Grünanlagengesetzes dafür eine Erlaubnis des Bezirksamts. Für die Lizenz ist eine Gebühr fällig.
Diese Regelung dient dem naheliegenden Zweck, dass nicht jede*r auf der schönsten Liegewiese seinen kleinen Privatflohmarkt oder Waffelverkauf aufbauen kann. Das ist irgendwo nachvollziehbar.
Dennoch ist die Frage: Braucht es ein Gesetz, wenn es eigentlich gar nichts zu regeln gibt? Denn tatsächlich ist es ja so: Erstens weiß kaum jemand um dieses Grünanlagengesetz, und zweitens schon gar nicht um die darin enthaltenen Paragrafen. Die meisten der Fitnesstrainer*innen – in der Regel Soloselbständige die während der Pandemie aus den geschlossenen Fitnessstudios in die Parks ausgewichen sind – dürften also eher davon ausgehen, dass es erlaubt ist, was sie da tun. Oder dass es zumindest nicht explizit verboten ist.
Dass trotzdem nicht mehr Coaches ihre Musikboxen im Mauerpark oder in der Hasenheide aufdrehen und sich zugleich auch keiner von den anderen Menschen im Park wirklich über die Sportkurse aufregt, heißt ja bloß: So groß ist hier die Nutzungskonkurrenz ums Grün gar nicht, dass man das unbedingt regeln müsste.
Denn auch das ist ja wahr: Kontrolliert wird der Paragraf 6 ohnehin nicht, weil die Ordnungsämter das gar nicht schaffen können. Da kann man auch gleich sagen: Was soll diese Blockwart-Attitüde? Wenn etwas mal nicht gesetzlich geregelt werden muss, sollte man es auch getrost lassen. Die Berliner*innen machen das schon selbst. Anna Klöpper
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