piwik no script img

Urteil im Prozess zum Lübcke-MordLebenslang für Hauptangeklagten

Stephan Ernst wurde für den Mord an Walter Lübcke zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Der Mitangeklagte Markus H. erhält nur eine Bewährungsstrafe.

Höchststrafe: Der Verurteilte Stephan Ernst im Gerichtssaal am Donnerstag Foto: Kai Pfaffenbach/dpa

Frankfurt am Main dpa/epd | Der Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU), Stephan Ernst, ist zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Die Schuld wiege besonders schwer, deshalb bleibe die Entscheidung über die Sicherungsverwahrung einer zweiten Gerichtsverhandlung zu Ende der Haftzeit vorbehalten, sagte der Vorsitzende Richter Thomas Sagebiel bei der Urteilsverkündung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main am Donnerstag. Damit ist eine Haftentlassung nach 15 Jahren so gut wie ausgeschlossen. Vom zweiten Vorwurf des versuchten Mordes an dem Asylbewerber Ahmed I. wurde Ernst freigesprochen. Ernst bleibt in Haft.

Stephan Ernst hatte in der Nacht zum 2. Juni 2019 den Politiker Lübcke auf dessen Terrasse im Landkreis Kassel erschossen. Der 47-Jährige hatte dem Bundesanwalt zufolge ein rechtsextremistisches, fremdenfeindliches Motiv. Auslöser sollen Äußerungen Lübckes gewesen sein, der 2015 die Aufnahme von Flüchtlingen verteidigte.

Ernst hatte die Tat wiederholt gestanden – jedoch in drei unterschiedlichen Versionen. Dabei belastete er zuletzt den Mitangeklagten Markus H., der mit am Tatort gewesen sei. H. selbst hatte sich nicht geäußert. Seine Anwälte hatten eine Tatbeteiligung des als Rechtsextremist bekannten Mannes bestritten und Freispruch gefordert.

Das OLG verurteilte H. am Donnerstag zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz. Ursprünglich war er wegen Beihilfe zum Mord angeklagt gewesen.

Nebenkläger in dem 44 Tage dauernden Prozess war unter anderem die Familie Lübckes – seine Ehefrau und zwei Söhne. Die Tat gilt als erster rechtsextremistischer Mord an einem Politiker in der Bundesrepublik. Der Prozess fand wegen der Coronapandemie unter strengen Hygieneauflagen statt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • „Das OLG verurteilte H. am Donnerstag zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz“



    H. sollte sich über diesen „Freispruch 2. Klasse“ nicht zu früh freuen, wenn es läuft, wie in gewissen Mafia-Mord-Prozessen. Wenn nämlich ein Täter lebenslang in den Bau muss, der andere aber mangels Beweises nicht mal ein paar Jährchen abbekommt.



    Wenn nämlich der Verurteilte allmählich realisiert, wie besch… es im Knast ist, und das es noch Jahre und Jahrzehnte dauern kann, während der andere das Leben genießt. Dann könnte die Schweigepflicht, die sich beide ganz sicher auferlegt haben, ganz schnell vergessen sein. Dann erinnert sich der Verurteilte vielleicht doch noch an Tatsachen, die seinen Kumpel ebenfalls hinter Schloss und Riegel bringen.

  • "Die Schuld wiege besonders schwer, deshalb bleibe die Entscheidung über die Sicherungsverwahrung einer zweiten Gerichtsverhandlung zu Ende der Haftzeit vorbehalten[...]. Damit ist eine Haftentlassung nach 15 Jahren so gut wie ausgeschlossen."



    Ist Sicherungsverwahrung nicht eigentlich an das Kriterium einer fortbestehenden Gefährdung durch den jeweiligen Delinquenten gebunden? Ob diese in 15 Jahren noch gegeben ist wird man aber erst dann einschätzen können. Dennoch hinterlässt die Darstellung dieses konkreten Falles wie auch der im allgemeinen Diskurs bei mir zunehmend den Eindruck, dass die Sicherungsverwahrung von einem Instrument das als eine 'Notlösung' für Fälle in denen ein Schutz der Gesellschaft anders nicht gewährleistet werden kann angelegt war, immer mehr zu einem regulären Teil der Strafe wird. Das aber wäre mit Menschenwürde und Rechtsstaatsprinzip nach Auffassung des BVG unvereinbar und verfassungswidrig.



    de.wikipedia.org/w..._Zul%C3%A4ssigkeit

    • @Ingo Bernable:

      Die Sicherungsverwahrung ist in diesem Falle aber mehr als angemessen. Es gibt einige Anzeichen dafür, dass dieser Mensch niemals abkühlen wird. Auch nach früheren Verurteilungen ist er immer am Ball des aktiven terroristischen Rechtsextremismus geblieben - nur ebend versteckter, als früher. Der Schutz der Gesellschaft muss nunmal schon bei Gerichtsurteil gewahrt werden und nicht erst im nachhinein darüber geurteilt werden.

    • @Ingo Bernable:

      Der Angeklagte wurde zu "lebenslang" verurteilt und das heißt zunächst auch lebenslang und nicht 15 Jahre. Nach 15 Jahren kann Antrag auf Haftentlassung gestellt werden. Dies dürfte aufgrund der Sicherungsverwahrung ausgeschlossen sein, dass dieser durchgeht. So verstehe ich das zumindest.

      • @Strolch:

        Ja und nein. Der Angeklagte wurde zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, zudem wurde die besondere schwere der Schuld im Urteil festgestellt. Deshalb kann die Haft nicht nach 15 Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden, sondern frühestens nach 18 Jahren - wobei das Gericht ein Mitspracherecht hat und eine längere Mindesthaftzeit vorgeben kann.

        Sicherungsverwahrung wurde nicht verhängt, sondern nur "vorbehalten", d.h. sollte irgendwann ein Termin zur Entlassung aus der Haft anstehen, kann (wenn dann noch die Voraussetzungen vorliegen) das Gericht ein weiteres Verfahren zur Verhängung der Sicherungsverwahrung einleiten.

  • "... wurde für den Mord ... verurteilt. Der Mitangeklagte Markus H. erhält nur eine Bewährungsstrafe."



    Nein, der Mitangeklagte wurde hier freigesprochen.



    Eine Bewährungsstrafe hat er für ein ganz anderes Vergehen erhalten.



    Diese Info passt auch in eine Überschrift....

    • @PS007:

      Korrekt, welches ein Hohn für alle darstellt, dass hier ein Hetzer, der einen Mord mitplante und bei der Tat behilflich war, freigesprochen wird.



      "Er wurde nur wegen unerlaubten Waffenbesitzes zu einer Strafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt worden ist."



      www.hna.de/kassel/...rkus-90183296.html

  • Klappe zu, Affe tod.... was für ein (fast 3/4 Jahr) unwürdiges Justizspektakel. Dieser heimtückische politische Mord.... Lebenslänglich und Festellung der besondere Schwere der Schuld... ja hatte da irgendwer Zweifel ? das war/ist zwangsläufig das einzige und richtige Urteil. Und nochmal macht endlich Schluss mit der Unsitte der immer ausschweifender, umsichgreifenden Nebenklage. Klares Zeichen an Alle die Mord als politisch motiviert/gerechtfertigt ansehen. Wie gesagt... das geht würdiger und wesentlich kürzer....dieses Ausfranzen... dieses monatelange Gewürge.



    Nach 5 jähriger Prozessdauer im NSU Monsterverfahren löst diese Art von Rechtssprechung Brechreiz aus.

    • @Pace#:

      ja hatte da irgendwer Zweifel ?

      Ich würde vorschlagen: Wir machen Sie zum Richter und Sie senken oder heben den Daumen, je nachdem, wie Sie den Fall so als Fernsehkonsument beurteilen.

      "das geht würdiger und wesentlich kürzer....dieses Ausfranzen... dieses monatelange Gewürge."

      Hier wird ein Mensch lebenslang weggesperrt. Da sollte man sich schon sicher sein, dass man den richtigen hat. Ein 3/4 Jahr finde ich da nicht übermäßig viel.

      Was Sie mit "Unsitte der ... Nebenklage" meinen, erschließt sich mir nicht. Nebenkläger sind die Opfer bzw. deren Angehörigen. Die sollen also künftig ruhig sein?

      • @Strolch:

        Wahrscheinlich meint man den Nebenkläger der just unweit zwischen Bürgerhausansprache und Stephan Ernst Wohnung niedergestochen wurde. Das Blutspuren des Opfers immer noch an einem Messer im Besitz von Stephan Ernst gefunden wurde, scheint wohl heutzutage nicht mehr auszureichen.