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Urteil gegen Glyphosat in den USABayer soll 80 Millionen Dollar zahlen

Wegen ihres Unkrautvernichters Roundup wurde die Bayer-Tochter Monsanto nun zu hohem Schadenersatz verurteilt. Bayer will das nicht akzeptieren.

Monsanto habe nicht genügend vor den Risiken des Einsatzes von Roundup gewarnt, befand die Jury Foto: reuters

San Francisco dpa | Der Agrarchemie- und Pharmakonzern Bayer hat im wichtigen Großprozess um die Produkte der Tochter Monsanto eine Niederlage erlitten. Die Jury des zuständigen Bundesbezirksgerichts in San Francisco urteilte am Mittwoch, dass Monsanto für Krebsrisiken des Unkrautvernichters Roundup mit dem umstrittenen Wirkstoff Glyphosat haftbar ist und dem 70-jährigen Kläger Edwin Hardeman Schadenersatz in Gesamthöhe von 80,3 Millionen Dollar (71,4 Mio Euro) zahlen muss.

In der vergangenen Woche war die Jury bereits im vorentscheidenden ersten Teil des Prozesses einstimmig zu dem Schluss gekommen, dass Roundup als wesentlicher Faktor für die Lymphdrüsenkrebserkrankung Hardemans einzustufen sei. In der zweiten Runde des Verfahrens ging es um die Haftungsfrage und darum, wie viel Entschädigung dem Kläger zusteht. Die Summe setzt sich zusammen aus 5,3 Millionen Dollar an regulärem Schadenersatz und 75 Millionen an sogenanntem Strafschadenersatz, der im US-Recht zusätzlich verhängt werden kann.

Bayer zeigte sich enttäuscht und kündigte an, Berufung einzulegen. Dennoch ändere das Urteil nichts „am Gewicht von über vier Jahrzehnten umfangreicher wissenschaftlicher Arbeit und den Schlussfolgerungen von Regulierungsbehörden weltweit, welche die Sicherheit unserer glyphosatbasierten Herbizide und die Schlussfolgerung stützen, dass diese nicht krebserregend sind“. Das Urteil habe keinen Einfluss auf zukünftige Fälle – jedes Verfahren sei auf Basis der jeweiligen Umstände gesondert zu betrachten.

Dennoch ist der Fall für Bayer hochbrisant, da es sich um einen richtungsweisenden „Bellwether Case“ handelt. Damit ist im US-Recht eine Art Musterfall in einem Massenverfahren gemeint. Mehrere dieser repräsentativen Fälle sind angesetzt. Sie sollen den Streitparteien helfen, das Ausmaß von Schäden und die Höhe denkbarer Vergleichszahlungen besser abschätzen zu können. Insgesamt sind bei dem zuständigen US-Richter Vince Chhabria mehrere Hundert Klagen von Landwirten, Gärtnern und Verbrauchern gebündelt.

Bayer unter Druck

Die Klagewelle gegen Bayer war so richtig ins Rollen gekommen, nachdem eine Geschworenenjury dem Krebspatienten Dewayne Johnson in einem anderen Verfahren im August insgesamt 289 Millionen Dollar an Schmerzensgeld und Entschädigung zugesprochen hatte. Die Richterin senkte zwar die Strafe gegen den im vergangenen Jahr von Bayer übernommenen US-Saatgutkonzern Monsanto später auf gut 78 Millionen Dollar (69 Mio Euro), im Grundsatz änderte sie am Urteil aber nichts. Bayer hat auch in diesem Verfahren Berufung eingelegt.

An der Börse steht Bayer wegen der vielen Glyphosat-Klagen in den USA inzwischen massiv unter Druck. Mittlerweile notiert der Börsenwert des Konzerns sogar deutlich unter den rund 63 Milliarden Dollar (56 Mrd Euro), die die Leverkusener sich den Monsanto-Kauf hatten kosten lassen. Anleger und Analysten fragen sich, ob Bayer die Risiken der bislang teuersten Auslandsübernahme eines deutschen Unternehmens unterschätzt hat. Trotz aller Probleme verteidigt Bayer-Chef Werner Baumann die Übernahme. „Der Monsanto-Kauf war und ist eine gute Idee“, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS).

Doch das jetzige Verfahren war erst der Anfang: Bis Ende Januar wurden Monsanto in den USA glyphosatbezogene Klagen von etwa 11.200 Klägern zugestellt. Am Donnerstag soll bereits ein weiterer Prozess bei einem Landgericht im kalifornischen Oakland starten. Die US-Kläger stützen sich ebenfalls auf diverse Studien, insbesondere auf die Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation, die Monsantos Unkrautvernichter 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ für Menschen einstufte.

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14 Kommentare

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  • 80 mio sind doch Peanuts...die Bayer-Aktie hat seit der Übernahme 40% eingebüsst...das sollte Einigen viele schlaflose Nächte wert sein.

    "Die schnellste Wertvernichtung eines DAX-Unternehmens in der Geschichte".

    Es wird einen Antrag geben seitens eines Wirtschaftsprofessors im Aufsichtsrat, den Vorstand NICHT zu entlasten...

    Dass Glyphosat toxisch ist kann wohl jetzt kaum noch jemand bestreiten.

  • Wie der Brexit-Entscheid: Immer und immer und immer und immer wieder.



    Siehe



    13.8.2018



    www.taz.de/Kursstu...S-Urteil/!5524782/



    Das war doch von vorne herein absehbar.



    Lächerlich, diese "Firma" Bayer.

  • Dass die Übernahme von Monsanto "eine gute Idee war und ist" halte ich für eine unrühmliche und hilflose Trotzreaktion.

  • Der blanke Wahnsinn, wie Bayer Monsanto kaufen konnte, wo doch die anhängigen Gerichtsverfahren schon bekannt waren. Nicht mal geschenkt hätte ich den Laden genommen.

  • Die toxische Übernahme korreliert mit dem Dreck, den Monsanto verhökert.



    Weil das alles vorhersehbar war, wäre den Bayer-Managern dringend ein Intelligenz-Test zu empfehlen.

    • 9G
      91672 (Profil gelöscht)
      @Mogel:

      Die Bayers haben warscheinlich gedacht, das Ding kaufen wir einfach und da wir eine deutsche Firma sind, werden die Junckers und Merkels dann schon endlich spuren und uns machen lassen, was wir und unsere Aktionäre wollen.



      Aber diesmal hat's nicht geklappt.



      Intelligenz war sowieso nicht vorhanden, sondern blanke Geldgier. Und da die Regierung CDU heißt, dachte man, das geht, wie üblich in der Industrie, schon durch.

    • @Mogel:

      Stimmt, so kurzsichtig muß man erst mal sein-US-hörig Großmannsüchtig, die Verantwortung tragen sie. Die nimmt ihnen keiner ab. Ist nicht zu überbieten. Superschlau in die Falle getappt. Intelligenztest bringt d a auch nichts mehr. Vielleicht eine Brille gegen Kurzsichtigkeit?

  • 9G
    91672 (Profil gelöscht)

    Es ist ja fast eine Art Sport, den die Amerikaner betreiben, wenn es darum geht, europäische Kfz-Firmen und Banken auszunehmen wie eine Weihnachtsgans.



    Aber bei der Fa. Bayer, die die ganze Monsantogeschichte erst Jahre später begreift, ist es ein Segen, daß sich Amerikaner über Gerichte zurückholen, was dieses bequeme und billige Monstergift angerichtet hat. Die Insekten, Vögel und andere Tiere gehen leider leer aus.

  • Schaue jetzt morgens immer auf die Bayer Aktie und denke: es gibt (zur Zeit) eine Göttin!!!!!!

  • 56 Mrd. Börsenwert / 10.000 Kläger:

    5,6 Mio. € je Kläger.

    Bayer sollte sich darauf einstellen, noch einmal den Monsanto-Kaufpreis als Entschädigung zu zahlen.

    „Der Monsanto-Kauf war und ist eine gute Idee“

    Wohl kaum aus Sicht der Aktionäre.

    • @A. Müllermilch:

      Gier und kleinbürgerliches Denken macht blind und korrumpierbar.

    • @A. Müllermilch:

      Aus Sicht des Vorstandsvorsitzenden aber allemal. Entweder er geht dann irgendwann mit einer fetten Abfindung oder/und sein Einkommen erhöht sich wegen der erheblich gestiegenen Verantwortung deutlich.

  • Bleibt die Frage, ob danach noch Geld übrig bleibt, um die Fraktion der Liberalen ALDE im Europaparlament zu finanzieren, der sich nach der Europawahl auch die Abgeordneten von Macrons LREM anschließen wollen. (vgl. das Abendjournal „20 heures“ von France 2 v. 11. März 2019)

    • @Reinhardt Gutsche:

      Kommentar entfernt. Bitte belegen Sie Ihre Behauptungen mit Quellen. Danke, die Moderation