Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Windkraft mit Beteiligung
Die Klage gegen ein Gesetz aus Mecklenburg-Vorpommern ist abgelehnt. Damit darf es eine Pflicht geben, Bürger am Ertrag neuer Anlagen zu beteiligen.
Seit 2016 gilt in dem windträchtigen Küstenland das Bürger- und Gemeindenbeteiligungsgesetz. Danach müssen die Betreiber neuer Windparks vor Ort eine Projektgesellschaft gründen und den Gemeinden und Bürgern im Umkreis von fünf Kilometern insgesamt 20 Prozent Unternehmensanteile zum Kauf anbieten. Alternativ dazu kann der Betreiber den Gemeinden auch eine jährliche Zwangsabgabe und den Bürgern ein verzinstes „Sparprodukt“ offerieren. In der Praxis hat sich gezeigt, dass die Gemeinden meist die weniger aufwendige Abgabe bevorzugen.
Gegen dieses Gesetz erhob ein Windkraftbetreiber, der in MV acht neue Windräder bauen wollte, Verfassungsbeschwerde. Die „Zwangskollektivierung“ greife unverhältnismäßig in seine Berufsfreiheit ein. Außerdem werde die Windkraft diskriminiert, weil andere unbeliebte Vorhaben, etwa Schweinezuchtanlagen, nicht gezwungen werden, Bürger und Gemeinden finanziell zu beteiligen.
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts wies die Klage nun im Kern ab. Zwar gehe es hier um „beträchtliche“ Eingriffe in die Grundrechte von Windunternehmen. Diese seien jedoch durch den Klimaschutz und die Sicherung der Energieversorgung gerechtfertigt. So sei die finanzielle Beteiligung von Kommunen an Windkraftanlagen ein „geeignetes“ Mittel, um die Akzeptanz der Windräder zu erhöhen. In Umfragen hätten sich knapp 80 Prozent der Befragten hierfür ausgesprochen, heißt es im Karlsruher Beschluss.
Gegen die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs spreche auch nicht, so das Gericht, dass die Windräder in Mecklenburg-Vorpommern nur einen sehr kleinen Teil zum globalen Klimaschutz beitragen. Denn bei dem Landesgesetz handele es um ein „Pilotprojekt“, und nach der verfassungsrechtlichen Klärung könnten weitere Bundesländer folgen. Außerdem trage jede „Verbesserung der nationalen Emissionsbilanz zum Gelingen des globalen Klimaschutzes“ bei, weil sich alle Staaten mehr anstrengten, wenn sie sähen, dass auch andere handelten.
Erfolg bislang gering
Bisher war das Bürger- und Gemeindenbeteiligungsgesetz allerdings nur wenig erfolgreich. Wegen der Antiwindkraftpolitik der Großen Koalition im Bund ging die Zahl der Windräder in Mecklenburg-Vorpommern 2021 sogar erstmals zurück, von 1.965 auf 1.850. Das dürfte sich unter der neuen Bundesregierung und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) ändern.
Bisher hat nur Brandenburg ein ähnliches Gesetz wie Mecklenburg-Vorpommern beschlossen. In Brandenburg müssen Windkraftbetreiber pro Anlage 10.000 Euro Sonderabgabe an Gemeinden im Umkreis von drei Kilometern abführen. Auf Bundesebene gibt es seit Januar 2021 eine nur halbherzige Regelung im Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG). Danach „dürfen“ Anlagenbetreiber „den Gemeinden, die von der Errichtung ihrer Anlage betroffen sind, Beträge durch einseitige Zuwendungen ohne Gegenleistung anbieten“. Die Betreiber machen sich also nicht der versuchten Bestechung schuldig. Eine Abgabe auf Grundlage des Bundesgesetzes ist bisher aber völlig freiwillig.
MV-Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) empfiehlt dem Bund, dem Beispiel seines Landes zu folgen: „Einer verpflichtenden Bundesregelung stehen mit der heutigen Entscheidung nun keine juristischen Zweifel mehr im Weg.“
(Az.: 1 BvR 1187/17)
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