Untersuchungsausschuss „Gehaltsaffäre“: Wie die CDU versucht, einen Skandal zu heraufzubeschwören
Der Untersuchungsausschuss um die Gehaltsaffäre geht zuende. Die große Empörung blieb aus. Die verzweifelte CDU rettet sich ins hohle Ritual.
E s war ein etwas seltsames Ritual, dem man da am Dienstag im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss beiwohnen durfte. In der sogenannten Gehaltsaffäre um die Bezahlung der Büroleiterin von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat die CDU-Opposition darauf bestanden, Staatskanzleichef Jörg Mielke seine Aussage beeiden zu lassen.
Der kam also, sagte kurz, dass er an seiner Aussage nichts zu korrigieren habe, sagte „ich schwöre“ und wurde wieder raus in den Regen geschickt. Einzige Erkenntnis aus dieser Aktion: Es gibt drei verschiedene Eidesformeln, wie der Ausschussvorsitzende Dirk Toepffer (CDU) erläuterte. Eine mit Gott, eine ohne und eine für Leute, die aus religiösen Gründen nicht schwören, ihre Aussage aber trotzdem bekräftigen wollen. Aha.
Mielke nahm die schnöde Atheistenformel, die sich bloß auf Wissen und Gewissen beruft. Viel Eid um nichts, kalauerte die SPD anschließend. Die Juristen unter ihnen werden auch nicht müde zu betonen, dass dieser Eid nichts ändert. Eine Falschaussage im Untersuchungsausschuss ist ohne Eid genauso strafbar wie mit.
Klar ist: Der CDU ist es leider nicht gelungen, die ganz große Empörung zu entfachen. In der Staatskanzlei wurde zwar ganz offensichtlich ordentlich gemauschelt, um der Büroleiterin ein üppiges Gehalt zuzuschustern. Der Schaden hält sich aber in Grenzen: Sie bekam ja genauso viel wie ihre Vorgänger auf dem Posten.
Das magische Denken der CDU
Ungerecht ist das vor allem für Leute, die schon länger auf einen so gut dotierten Posten im Öffentlichen Dienst lauern. Vielleicht regt es deshalb kaum jemanden auf. Vielleicht sind alle schon zu abgebrüht und zynisch. Oder ahnen, dass es anderswo größere Verschwendung von Steuermitteln gibt.
Wozu also dieser Eid? Vordergründig vielleicht, um noch einmal einen großen Auftritt zu produzieren. Unbewusst aber vielleicht auch, weil Konservative einen unheilbaren Drang zur Symbolpolitik haben. Was in anderen Kulturen der Abwehrzauber gegen den bösen Blick ist, ist für die CDU der Schwur.
Dauernd soll irgendwer auf irgendwas schwören: Zugewanderte auf die Leitkultur, Extremisten auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung, der Staatskanzleichef auf sein Gewissen. Da scheint magisches Denken am Werk zu sein. Wenn man schon niemanden zum Rücktritt zwingen kann, dann soll ihn doch wenigstens irgendein Unheil ereilen. Oder der Blitz beim Sch.... treffen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten
Anschlag von Magdeburg
Aus günstigem Anlass