Untersuchungen zu rechtem Terror: War der NSU wirklich nur zu dritt?
Noch immer gibt es viele offene Fragen zur Mordserie der rechten Terrorzelle. In Bayern befasst sich nun ein weiterer Untersuchungsausschuss mit dem NSU.
Den Abgeordneten geht es in ihrem 198 Fragen umfassenden Katalog vor allem um Verbindungen des NSU zur bayerischen Neonaziszene. In Bayern war die Terrorzelle besonders aktiv, hier wurde auch die Hälfte der Morde begangen. Vor allem in Franken konnte der NSU dem Anschein nach auf ein starkes Unterstützernetz zurückgreifen. Der Ausschuss, der von den Oppositionsfraktionen Grüne und SPD gemeinsam initiiert worden war, hofft, diese Strukturen nun besser durchleuchten zu können.
Besonderes Augenmerk will der Ausschuss dabei auf den Anschlag auf die Bar Sonnenschein in Nürnberg legen. Bei dem Attentat im Juni 1999 wurde der Wirt von einem in einer Taschenlampe versteckten Sprengsatz schwer verletzt. Die Tat war der Auftakt der NSU-Verbrechen, wurde aber bis heute nicht aufgeklärt. Hätte man damals anders ermittelt, hätte dann vielleicht die Mordserie mit zehn Toten und Dutzenden Verletzten verhindert werden können? Das ist eine zentrale Frage, die den Ausschuss ab jetzt beschäftigen wird.
Erstmals übernimmt ein Grüner den Vorsitz
Und natürlich ist da auch die Frage: Wer mischte neben dem Kerntrio Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe noch mit? Und wie? So ist etwa unklar, welche Rolle Susann Eminger spielte. Sie ist die Frau des verurteilten NSU-Unterstützers André Eminger. Der Wirt der Sonnenschein-Bar soll sie viele Jahre nach dem Anschlag auf Bildern wiedererkannt haben. Offenbar wurde sie in der Kneipe gesehen. Hat sie den Ort ausgekundschaftet? Hat sie gar die Rohrbombe deponiert? An einen Zufall jedenfalls will man kaum glauben. Mundlos und Böhnhardt hatten sich 2011 getötet, Zschäpe wurde 2018 vom Oberlandesgericht München zu lebenslanger Haft verurteilt.
Der Ausschuss wird am Donnerstagnachmittag vom Landtag eingesetzt, gleich im Anschluss wollten sich seine Mitglieder zur konstituierenden Sitzung treffen. Ein Novum in der bayerischen Parlamentsgeschichte: Mit dem Landtagsabgeordneten Toni Schuberl wird erstmals ein Grüner den Vorsitz eines Untersuchungsausschusses übernehmen. Zeit für seine Untersuchung hat das Gremium bis Herbst nächsten Jahres, dann geht die Legislaturperiode in Bayern zu Ende.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen