Unsicheres Herkunftsland Mazedonien: „Verfolgung geht von der Polizei aus“

Ein Urteil bestätigt politische Verfolgung einer Romni in Mazedonien. Für Pro Asyl ein Beleg für die Unsicherheit „sicherer Herkunftsländer“.

In Vidicovac am Rande Belgrads wohnen Roma in Abbruch-Häusern. Auch Serbien gilt als „sicheres Herkunftsland“. Foto: Jean-Philipp Baeck

Am Verwaltungsgericht Oldenburg ist ein Urteil rechtskräftig geworden, das einer Romni aus Mazedonien den Flüchtlingsstatus zuerkennt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat keine Berufung beantragt. Ende September hatte das Gericht anerkannt, dass der Frau in Mazedonien „politische Verfolgung“ drohe (AZ: 6 A 32/15).

2013 sollte sie noch abgeschoben werden. Sie hatte mit einer Menschenrechtsorganisation in Mazedonien Übergriffe der Polizei gegen Roma dokumentiert – und war damit selbst besonders in deren Visier geraten. „Die Verfolgungshandlungen gehen von der Polizei aus“, heißt es in dem Urteil.

Wegen der Debatte um „sichere Herkunftsstaaten“ hatte der Richterspruch bundesweit für Aufmerksamkeit gesorgt: Mazedonien gilt neben Serbien und Bosnien-Herzegowina seit November 2014 als „sicher“, im Oktober 2015 wurden auch Albanien, Montenegro und Kosovo in die Liste aufgenommen.

Aus dem Oldenburger Urteil geht hervor, dass die Frau über Jahre von der Polizei malträtiert worden sei und sogar mit einem unrechtmäßigen Akteneintrag verhindert wurde, dass sie über das Arbeitsamt eine Stelle bekomme konnte. 2011 wurde die Frau von PolizistInnen so schwer verprügelt, dass sie ihr ungeborenes Kind verlor. Sie habe sich geweigert, Stimmen aus der Roma-Community für die Partei von Regierungschef Nikola Gruevski zu „sammeln“. Seit Monaten sorgen derartige Episoden als Teile eines vermutlichen Wahlbetrugs durch die Regierung für eine politische Krise in Mazedonien.

„Asyl“ zu bekommen, ist seit dem Asylkompromiss von 1993 in Deutschland sehr schwierig.

Eine Verfolgung muss wegen Zugehörigkeit zu einer sozialen, religiösen oder politischen Gruppe vom Staat ausgehen. Man darf nicht über einen anderen EU-Staat geflohen sein.

Flüchtlingsschutz nach Genfer Flüchtlingskonvention ist etwas breiter, eine Verfolgung kann hier auch etwa durch eine Terrormiliz erfolgen. Bestehen die Fluchtgründe noch nach drei Jahren, gibt es eine unbefristete Niederlassungserlaubnis.

Syrer zum Beispiel erhielten meist den Flüchtlingsstatus. Nun wird debattiert, ob sie nur noch „subsidiären Schutz“ erhalten, mit Aufenthaltserlaubnis für jeweils ein Jahr.

Laut einem Sprecher des Gerichts handele es sich bei dem Fall der Frau „um ein Vorbringen im Einzelfall“. Die Regelung zu „sicheren Herkunftsstaaten“ lasse offen, ob „abweichend von der allgemeinen politischen Lage“ Verfolgung drohe. Für ihren Anwalt Henning J. Bahr aber ist das Urteil ein Beweis dafür, dass Staaten wie Mazedonien eben nicht pauschal als „sicher“ gelten können. „Die Einschätzung des Gesetzgebers ist sehr zweifelhaft“, sagt Bahr. Ihm gehe es nun darum, den gleichen Schutz für den Mann und die Kinder seiner Mandantin durchzusetzen.

Für Bernd Mesovic, den stellvertretenden Geschäftsführer von Pro Asyl bietet der Fall „massive Indizien dafür, dass es so einfach mit den sicheren Herkunftsstaaten nicht ist“. Man könne „eine Regierungsverantwortlichkeit ausmachen“.

In vielen Fällen sei das deutlich schwieriger, weil die Leute vor Ort sich nicht trauten, über die Gewalt zu sprechen und die Fälle nicht dokumentiert würden. Es sei erfreulich, dass ein Gericht sich überhaupt so individuell mit einem Fall beschäftige.“Die meisten Gerichte machen das gar nicht mehr“, sagt Mesovic. „Sie folgen mit einer dürren Begründung der Entscheidung des Bundesamtes.“ Bei den sogenannten sicheren Herkunftsstaaten sei für die Asylsuchenden eine Art Beweislast-Umkehr eingetreten: „Die Latte ist sehr hoch, um überhaupt Schutz zu bekommen.“

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