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Unis starten SonderforschungsbereichMit Algen gegen den Klimawandel

Wis­sen­schaft­le­r*in­nen erkunden, wie sich Kohlenstoffdioxid durch Algen speichern lässt. Ihr Projekt soll zum Kampf gegen die Klimakrise beitragen.

Können CO2 umwandeln: Algen und Seegras, hier am Strand der Kieler Förde Foto: dpa | Axel Heimken

Bremen taz | Wälder, Moore, Böden, Ozeane. Was haben diese Ökosysteme gemeinsam – außer, dass der Mensch nicht besonders sorgsam mit ihnen umgeht? Sie sind natürliche Speicher von Kohlenstoff, reduzieren also die CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Kein Wunder also, dass sich die Wissenschaft damit befasst, wie die Menschheit sich das noch besser zunutze machen kann.

Ab Herbst nimmt ein Sonderforschungsbereich, unter anderem an den Unis Bremen und Greifswald, Meeresalgen und von ihnen produzierte Zuckerverbindungen unter die Lupe. Die Wis­sen­schaft­le­r*in­nen wollen herausfinden, unter welchen Bedingungen diese Verbindungen, auch Zuckerpolymere genannt, stabil bleiben – und so dauerhaft Kohlenstoff speichern.

„Die Algen machen Fotosynthese“, erklärt Professor Jan-Hendrik Hehemann, Leiter der Forschungsgruppe Glykobiochemie der Uni Bremen und Co-Sprecher des Projekts. „Sie wandeln also CO2 und Wasser in Sauerstoff und Zucker um.“ So weit, so gut. Das Problem: „Viele von den Verbindungen werden durch Bakterien, Pilze und andere Organismen recht einfach wieder abgebaut und freigesetzt. Damit hätten wir nichts gewonnen.“ Zu diesem Abbau hat Hehemanns Gruppe bereits geforscht.

Wie also kann eine dauerhafte Deponierung funktionieren? Immerhin wisse man, dass es überhaupt geht, so Hehemann: „Studien zeigen, dass schon ganz schön viele dieser Polymere am Meeresboden landen und deponiert werden. Daraus sind über Jahrmillionen überhaupt Erdöl-Lagerstätten entstanden.“

Die Gesellschaft könnte Geld in die Hand nehmen und im großen Stil Algenkulturen anlegen, Seegräser in Nord- und Ostsee anbauen, wo sie früher schon waren

Jan-Hendrik Hehemann, Bio-Prof, Leiter der Forschungsgruppe Glykobiochemie in Bremen

Ein wenig tragisch, dass dank dieses Prozesses der Rohstoff entstanden ist, den Mensch jetzt abbaut und verbrennt. Die Wis­sen­schaft­le­r*in­nen experimentieren nun mit verschiedenen Bedingungen.

Die Frage lautet: Wann sind die Zuckerverbindungen der Algen stabil – und unter welchen machen Mikroben, Bakterien und Co. kurzen Prozess mit ihnen? „Wir lassen die Algen im Labor wachsen und Zuckerpolymere produzieren. Zu diesen Verbindungen geben wir dann Bakterien oder andere Organismen.“ Dann schaue man, unter welchen Bedingungen die Bakterien die Polymere verdauen oder nicht anrühren: viel oder wenig Sauerstoff, viel oder wenig Nährstoffe, verschiedene Temperaturen.

Das sei Grundlagenforschung, sagt Hehemann. Man wisse bereits, dass es geht. Es gehe aber darum, den Prozess gut zu verstehen, um Zweifel auszuräumen. Dann könne viel Motivation entstehen, die Ergebnisse zu nutzen. Wisse man die Bedingungen, unter denen die Verbindungen stabil sind, können man Algen an entsprechenden Stellen anpflanzen, die Bedingungen verbessern – und damit zum Kampf gegen die Klimakrise beitragen.

„Wüssten wir, dass die Bakterien die Zuckerverbindungen mit vielen Nährstoffen leicht wieder umwandeln, könnten wir Algen in Flussmündungen anbauen – und gleichzeitig die Zufuhr von Nährstoffen verringern“, so Hehemann. Die Gesellschaft könnte Geld in die Hand nehmen und im großen Stil Algenkulturen wie Kelpwälder anlegen, Seegräser in Nord- und Ostsee anbauen, wo sie früher schon waren.“

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG finanziert das Projekt. Der erste Förderzeitraum beträgt vier Jahre mit Aussicht auf Verlängerung auf insgesamt zwölf Jahre. Am Verbund sind neben den beiden Unis auch die TU Berlin, das Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde, das Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung Potsdam und das Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie Bremen beteiligt.

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8 Kommentare

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  • Die Technik ist schon lange da. Es fehlt nur der politische Wille entsprechend zu handeln. Wenn die Umwelt als Kapital angesehen würde und die Umweltbelastung durch Unternehmen in deren Bilanz sichtbar würde, dann hätten wir ratzfatz auch das finanzielle Interesse, derartige Umweltprojekte umzusetzen. Das müsste aber mindestens auf EU-Ebene passieren...

  • "Wie also kann eine dauerhafte Deponierung funktionieren?"



    Man könnte die Algen in Biogasanlagen reinwerfen und das entstehende Methan nutzen. Dadurch könnte man bereits deponierten Kohlenstoff dort lassen, wo er schon dauerhaft deponiert ist.



    Aber warum einfach, wenn es auch kompliziert geht und man damit Forschungsmittel abgreifen kann.

    • @sollndas:

      Meine Güte, warum so negativ? Forschung ist im Vergleich zu den Summen die der Staat ansonsten ausgibt oder die gar in der Wirtschaft kreisen extrem günstig und könnte in diesem Fall ein kleines Mosaiksteinchen zur Bekämpfung des Klimawandels sein. Kann ja sein, dass die beschriebenen Algen dreimal so effizient im Produzieren von Biomasse sind wie andere und zusätzlich noch nicht mal eingesammelt und vergast werden müssen...

      • @QuantumRider:

        "Meine Güte, warum so negativ?"



        Hm, ich dachte, ich hätte einen Vorschlag gemacht, der einen positiven Beitrag zur Energiewende, weg von den Fossilen, liefern könnte. War wohl nichts :-(

  • Nichts gegen Grundlagenforschung! Dennoch: „Wüssten wir, …“ wie es geht „… könnten wir …“.



    Das Problem ist, dass Forschungsergebnisse politisch nur relevant sind, wenn sie einen ökonomischen Nutzen versprechen. Bei Kelpwäldern sehe ich den eher nicht. Interessante Forschungen (Kelpwälder u.a.) werden ausschließlich dazu genutzt, sonntags nett darüber zu reden („Wir tun was!“), und ab Montag wieder business as usual zu machen. Außerdem: Wollte man den Nährstoffeintrag reduzieren, müssten die Rahmenbedingungen dafür geschaffen und gegen die Interessen der Nährstoffproduzenten/-lieferanten (z.B. Agrarsektor) durchgesetzt werden. Viel Spaß dabei!



    Es ist ja nicht so, dass es an Erkenntnissen mangelt, wie und mit welchen Maßnahmen und Instrumenten der Klimawandel verlangsamt werden könnte. Oberste politische Priorität haben dennoch Umsatz und Gewinn. Leider nicht die Vernunft und schon gar nicht die Lebensbedingungen künftiger Generationen. Die sind irrelevant.



    Ich befürchte, dass auch dieser Forschungsansatz nur dazu genutzt wird, die Illusion aufrechtzuerhalten, dass wir unseren ökonomischen Stoffwechsel ohne Schaden zu nehmen dauerhaft fortführen können.

  • taz: *Die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG finanziert das Projekt. Der erste Förderzeitraum beträgt vier Jahre mit Aussicht auf Verlängerung auf insgesamt zwölf Jahre.*

    Das ist doch nett, dass Wissenschaftler wieder etwas "zum forschen" haben und die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG das finanziert. Der Klimawandel ('den ich mir immer als Riese mit Keule vorstelle') lacht natürlich darüber und sagt: "Zu spät, denn ich habe mit euch Menschen schon etwas anderes vor."

    taz: *Wälder, Moore, Böden, Ozeane. Was haben diese Ökosysteme gemeinsam – außer, dass der Mensch nicht besonders sorgsam mit ihnen umgeht?*

    Diese Ökosysteme haben alle gemeinsam, dass der Homo sapiens (der eher Homo idioticus heißen sollte) sie aus Wirtschaftsgier kaputt gemacht hat. Das Wort 'kaputt' hört sich zwar etwas kindlich an, aber 'defekt und daher nicht mehr funktionierend' hört sich zu hochtrabend an. Eine genaue Formulierung sollten wir ohnehin den Professoren aus dem *Sonderforschungsbereich* überlassen. "Der Riese" weiß aber schon lange, dass es für die Menschheit 'zu spät ist' noch groß etwas zu ändern. Deshalb hat er ja auch schon die Keule in der Hand und spricht in naher Zukunft ein Machtwort.

    • @Ricky-13:

      Zu spät für was? Für das 1,5 °C Ziel? Wahrscheinlich schon. Für das 3,0 °C oder gar das 4,5 °C Szenario? Sicher noch nicht. Um in ihrer Metapher zu bleiben: Ihr Riese wächst mitsamt seiner Keule mit jedem Milligrad zusätzlicher Erderwärmung. Und groß genug uns allen den Garaus zu machen ist er sicher noch nicht. Also warum nicht an allen Ecken und Kanten forschen um ihm möglichst wenig Nahrung (Klimagase) zu bieten?

      • @QuantumRider:

        Natürlich dürfen die Naturwissenschaftler 'zielstrebig forschen', auch wenn es wohl nicht mehr viel bringen wird.

        Sie schreiben es ja selbst, dass das 1,5-Grad-Ziel nicht mehr zu halten ist. Und bei dem 3,0-Grad-Ziel springen Sie lieber gleich auf 4,5 Grad Celsius. Eine Erwärmung um 3 Grad Celsius oder mehr hätte aber erhebliche und auch katastrophale Folgen für den Planeten, und dann natürlich auch für uns Menschen.

        Viele Menschen wissen natürlich, dass man endlich etwas gegen die Erwärmung der Erde machen müsste; nur die Politiker (die wir weltweit haben) machen nichts. Das klimaschädliche Monopolyspiel "Wirtschaftswachstum" geht ungebremst weiter.

        Woher ich das weiß? Der 'Guardian' hatte vor einiger Zeit aufgedeckt, dass große und mächtige Konzerne weltweit viele Milliarden US-Dollar in neue Projekte fließen lassen, mit denen sie die Erderwärmung weiterhin beschleunigen werden.







        Und die Forschung? Nun ja, weiter oben hat 'Drabiniok Dieter' es ja schon auf den Punkt gebracht: *Ich befürchte, dass auch dieser Forschungsansatz nur dazu genutzt wird, die Illusion aufrechtzuerhalten, dass wir unseren ökonomischen Stoffwechsel ohne Schaden zu nehmen dauerhaft fortführen können.*