Umweltschutzpläne in den Niederlanden: Der Zorn der Bauern

Tausende Landwirte in den Niederlanden protestieren: Sie widersetzen sich Plänen, den Stickstoffausstoß in der Tierhaltung zu reduzieren.

Protestierende Bauern sammeln sich in der niederländischen Hauptstadt Den Haag.

Wütende Bauern in den Niederlanden: Sie wollen nicht weniger Tiere halten Foto: ap

DEN HAAG taz | Seit Wochen demonstrieren Bauern in den Niederlanden. Am Mittwoch kamen Tausende Landwirte mit ihren Traktoren nach Den Haag. Die eigentlich geplante Blockade des Parlaments-Innenhofs fiel zwar aus. Auf den Autobahnen Richtung Den Haag sorgten die Bauern aber für lange Staus. Anlass der Proteste sind die Pläne der Regierung in Den Haag sowie der Provinzen zur Reduzierung des Stickstoffausstoßes, um die Belastung des Klimas, des Grundwassers und der Artenvielfalt zu mindern.

Die liberale Regierungspartei D66 plädiert dafür, den Nutzviehbestand in den Niederlanden – unter anderem knapp 4 Millionen Rinder und gut 12 Millionen Schweine – drastisch zu reduzieren. In der Mitte-rechts-Koalition ist das Thema umstritten: Die VVD von Premier Mark Rutte setzt eher auf technologische Innovation zur Stickstoffreduzierung, die Christdemokraten (CDA) haben seit jeher eine wichtige agrarische Wählerschaft. Landwirtschaftsministerin Carola Schouten (Christen-Union) gab den Bauern vor zwei Wochen zu verstehen, in ihrer Amtszeit werde es „keine Halbierung des Viehbestands“ geben.

Unter dem Druck der Proteste haben in den letzten Tagen mehrere Provinz-Regierungen ihre gemeinsam geplanten Maßnahmen zurückgenommen. Dem Beschluss der friesischen Regierung letzte Woche folgten am Montag die nördliche Provinz Drenthe sowie die im Osten gelegenen Overijssel und Gelderland. In Drenthe waren 1.000 Traktoren statt der erwarteten 300 gekommen.

Die Regierung in Den Haag peilt an, den Stickstoffausstoß der Niederlande um die Hälfte zu reduzieren. In der Nähe von Naturgebieten gelegene Landwirtschaftsbetriebe, durch Ammoniak einer der Hauptverursacher, sollen künftig auf freiwilliger Basis aufgekauft werden. Laut offiziellen Statistiken betrug der Ausstoß des Sektors 2017 106 Millionen Kilo, wovon 94 Millionen auf das Konto der Viehzucht gingen. Verkehr und Industrie, die beiden anderen Stickstoff-Schwergewichte, zeichneten für 44,79 Millionen beziehungsweise 16,9 Millionen Kilo verantwortlich.

Stickstoff-Krise

Der Zorn der Bauern richtet sich konkret gegen eine von den Provinzen beschlossene Initiative, wobei überschüssiger „Stickstoff-Raum“ – also etwa eine Genehmigung für 100 Kühe, während ein Betrieb nur 80 hat – verfällt. Bisher kann damit gehandelt werden. In den vier Provinzen Friesland, Gelderland, Overijssel und Drenthe wird nun über neue Maßnahmen verhandelt. In den übrigen acht wähnt man sich einerseits standfest, ist allerdings ob des eigentlichen gemeinsamen Ansatzes nun unsicher.

Hinter den anhaltenden Bauernprotesten rückt derzeit ein wenig in den Hintergrund, dass es eigentlich um ein deutlich größeres Problem geht, das in den Niederlanden „Stickstoff-Krise“ genannt wird. Nach einem Urteil des Verfassungsgerichts in Den Haag verstößt die bisherige Verteilung von Genehmigungen von Aktivitäten, die Stickstoff freisetzen, gegen europäisches Recht. Dies bedeutet das Ende der bis dato praktizierten Entschädigung der Natur durch Schutzmaßnahmen im Gegenzug für Verschmutzung durch Stickstoff. 18.000 Bauprojekte liegen seither auf Eis. Die Begrenzung des agrarischen Stickstoffausstoßes war als Hebel gedacht, um diese Blockade aufzubrechen.

Am Donnerstag wird die Regierung mit den Abgeordneten der Zweiten Kammer über die „Stickstoff-Krise“ diskutieren. Die Rechtspopulisten Geert Wilders und Thierry Baudet haben den Landwirten zuletzt bereits ihre Solidarität versichert. Deutsche Bauern haben sich die niederländischen Kollegen nun zum Vorbild genommen: Am kommenden Dienstag werden Tausende Landwirte in Bonn erwartet, um gegen „Agrarpaket und die verschärfte Düngeverordnung“ zu protestieren, so die Branchenwebsite topagrar.com. In Belgien und Frankreich sind bereits am Montag Kundgebungen geplant.

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