Umweltschützer zu G7-Agrartreffen: Welthunger muss bekämpft werden

Lebensmittel dürfen nicht mehr in Tank oder Trog landen, verlangen Umweltverbände. Doch Verkehrsminister Wissing (FDP) stellt sich dagegen.

Ein Bäcker holt Fladenbrote aus dem Ofen

In Ägypten steigen die Preise für Brot enorm und bedrohen die Lebensmittelversorgung im Land Foto: Mohamed Abd El Ghany/reuters

BERLIN afp/dpa/ap | Angesichts von Engpässen bei der weltweiten Nahrungsmittelversorgung hat ein Bündnis aus Umweltschutzorganisationen ein „deutliches Signal gegen den Welthunger“ von der G7-Agrarministerkonferenz gefordert. Die in Stuttgart versammelten Ministerinnen und Minister müssten „das Welternährungsprogramm finanziell deutlich stärken“, um besonders betroffene Regionen zu unterstützen, teilten unter anderem Greenpeace, der BUND und der Deutsche Naturschutzring am Freitag mit.

Der Ukraine-Krieg und die Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit weltweit stehen im Mittelpunkt des Agrarministertreffens der G7-Staaten. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) empfängt neben seinen Amtskollegen auch den ukrainischen Landwirtschaftsminister Mykola Solskyi, der über die Lage in seinem Heimatland berichtet.

Die Ukraine ist ein wichtiger Getreidelieferant. Wegen des Krieges im Land und damit verbundener Blockaden der Lieferwege geraten vor allem Länder in Nordafrika und im Nahen Osten unter Druck. Ziel sei es, „trotz der immensen Preissteigerungen beim Getreide in den besonders betroffenen Ländern Hungerkrisen zu verhindern und weitere Konflikte zu vermeiden“, forderten die Organisationen.

Die begrenzte landwirtschaftliche Fläche müsse zudem „sinnvoller“ genutzt werden. Lebensmittel, etwa Pflanzenöle oder Backweizen, dürften „nicht länger zu Biokraftstoff verarbeitet oder an Tiere verfüttert werden“. Die Bundesregierung müsse sich im Rahmen ihrer G7-Präsidentschaft dafür einsetzen, „dass Lebensmittel nicht länger in Tank oder Trog landen“.

Getreideimporte drastisch verteuert

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) erklärte, sie wolle den Einsatz von Biosprit aus angebauten Pflanzen per Gesetzesänderung begrenzen. Sie werde dafür „zeitnah einen Vorschlag für eine Gesetzesänderung machen und diesen mit den anderen Ministerien abstimmen“, sagte Lemke am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Das Thema soll nach dpa-Informationen auch Teil der Beschlüsse sein, die die Umweltminister von Bund und Ländern bei ihrer aktuell laufenden Konferenz in Wilhelmshaven an diesem Freitag verkünden wollen.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) aber sieht Lemkes Vorstoß kritisch. Ihre Initiative führe zu einem höheren Ausstoß von Treibhausgasen im Verkehr, sagte Wissing am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Das sei mit den Klimazielen der Bundesregierung nicht vereinbar und innerhalb der Bundesregierung auch nicht abgestimmt, betonte der Minister.

Der Import von Getreide nach Deutschland hat sich infolge des Ukraine-Krieges massiv verteuert. Die Einfuhrpreise stiegen im März gegenüber dem Vorjahresmonat um 53,6 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Freitag in Wiesbaden mitteilte. Einen stärken Zuwachs habe es zuletzt im Mai 2011 mit damals 74,0 Prozent gegeben. Die Preissteigerungen betreffen den Angaben zufolge alle Getreidearten.

Die EU-Kommission hat einen Plan vorgelegt, mit dem die russische Blockade ukrainischer Getreideexporte umgangen werden könnte. Bis zur russischen Invasion in die Ukraine führte das angegriffene Land Weizen und andere Getreide überwiegend über seine Schwarzmeerhäfen aus, die nun von Russland blockiert sind. Der Vorschlag der EU-Kommission vom Donnerstag sieht vor, die Lebensmittel per Bahn, Lkw und über Wasserstraßen aus der Ukraine zu schaffen. Dann könnten sie jene Weltregionen erreichen, in denen ohne ukrainische Lieferungen eine Nahrungsmittelknappheit droht.

Die Ukraine und Russland sind die beiden größten Exporteure weltweit von Weizen, Gerste und Sonnenblumenöl. Über seine Schwarzmeerhäfen führte die Ukraine bis zum Krieg 90 Prozent seiner Weizen- und Ölsaatenexporte aus, wie die EU-Kommission berichtete. „20 Millionen Tonnen Getreide müssen die Ukraine in weniger als drei Monaten unter Nutzung der EU-Infrastruktur verlassen“, erklärte EU-Verkehrskommissarin Adina Valean. „Das ist eine gigantische Herausforderung. Also ist es wichtig, die Lieferketten zu koordinieren und zu optimieren, neue Routen zu etablieren, und, so gut wie möglich, Engpässe zu vermeiden.“ Die Kommission will nun vor allem Transportkapazitäten koordinieren.

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