Umverteilungspläne der SPD: Und die ganz unten?
Die Pläne der SPD, den Reichsten mehr zu nehmen, sind löblich und richtig. Transferleistungen für die Ärmsten spielen aber keine Rolle mehr.
D ie Idee klingt so gut, dass wir zum Haken erst später kommen. Der SPD-Vorstand gibt auf seiner Klausur, auf der er Vorentscheidungen für den Wahlkampf trifft, den herrschenden Verteilungskämpfen eine neue Richtung: die Mehrheit gegen die da oben. Das eine Prozent der Bevölkerung, das die meisten Einnahmen hat, soll höher besteuert werden. Die Masse soll dafür weniger Abgaben zahlen, höhere Löhne bekommen, von besserer Bildung und einer besseren Infrastruktur profitieren.
Das ist dreifach richtig. Erstens ist es nicht gerecht, wenn in der Krise für den Großteil das Leben schlechter wird, während die Reichen weiter reicher werden. Zweitens schadet es der Volkswirtschaft, wenn sich der Staat zentrale Aufgaben nicht mehr leisten kann und großen Bevölkerungsgruppen das Geld für den Konsum fehlt. Und drittens: Wenn die Probleme der mittleren Schichten wachsen, aber niemand Politik für sie macht – dann muss man sich nicht wundern, wenn der Blick nach unten geht. Dass Verteilungskämpfe zuletzt nur nach unten so gut funktioniert haben, gegen Flüchtlinge und gegen Arme, kommt nicht von ungefähr.
Und damit kommen wir jetzt doch zum Haken. In den vergangenen Monaten konnte sich den Tritten nach unten auch die SPD nicht entziehen. Im letzten Wahlkampf warb sie noch mit der Überwindung von Hartz IV, und tatsächlich führte sie in dieser Legislatur das Bürgergeld ein. Als sie damit fertig war, schaffte sie es im Kern aber gleich wieder ab. Auch Sozialdemokraten beteiligten sich zuletzt am Diskurs gegen vermeintlich faule Arbeitslose. Im aktuellen Vorstandsbeschluss setzt die SPD diesen Duktus zwar nicht fort. Maßnahmen, die explizit den Ärmsten nützen, tauchen aber auch dort nicht mehr auf.
Ähnlicher Kurs bei den Grünen
Eine ähnliche Schwerpunktsetzung zeichnet sich für 2025 bei den Grünen ab, dem Hauptkonkurrenten im Kampf um die linke Mitte. Auch in deren Papieren ist derzeit verstärkt die Rede davon, die Reichen stärker zu besteuern – etwa durch geschlossene Lücken bei der Erbschaftsteuer. Auf der Ausgabenseite setzen auch sie vermehrt auf Schulen, Krankenhäuser und andere Einrichtungen der sozialen Infrastruktur. Die Kindergrundsicherung aber, ihr sozialpolitisches Kernprojekt, das in dieser Legislatur sicher nicht vollendet wird? Taucht in den Konzepten nicht mehr auf.
Es scheint, als ob Transferleistungen toxisch geworden sind. Und selbst wenn im Wahlkampf wirklich ein Verteilungskampf gegen die ganz oben beginnt, heißt das nicht automatisch, dass der Verteilungskampf gegen die ganz unten endet. Sie könnten auch einfach unter die Räder geraten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren