Umstrittene Comedy-Serie in Brasilien: Heiland bleibt homosexuell
Nach einem neuen Urteil darf eine Netflix-Satire mit einem schwulen Jesus in Brasilien nun weiter gezeigt werden. Ein Rückschlag für die Rechten.
Es ist ein Sieg der Meinungsfreiheit: Eine umstrittene Netflix-Comedy über Jesus Christus, in der der Heiland als Homosexueller auftaucht, darf wieder gezeigt werden. Dies entschied das Oberste Gericht am Donnerstagabend in Rio de Janeiro und hob damit das vorherige Urteil eines Bundesrichters auf.
Der satirische Film „A Primeira Tentação de Cristo“ („Die erste Versuchung Christi“) hatte einen Skandal im größten Land Lateinamerikas auslöst, weil Jesus dort als schwul dargestellt wird und Politiker*innen und Geistliche im Stil der britischen Comedy-Truppe Monty Python verspottet werden.
Das Urteil in der vorherigen Instanz hatte weltweit für Entsetzen gesorgt: Richter Benedicto Abicair aus Rio de Janeiro hatte am Mittwochabend entschieden, dass Netflix das Weihnachtsspezial der in Brasilien berühmten Comedy-Gruppe „Porta dos Fundos“ von seiner Plattform entfernen muss. Von seinem Urteil, so der Bundesrichter, werde nicht nur für die christliche Gemeinschaft, sondern die gesamte brasilianische Gesellschaft profitieren. Er gab damit dem Antrag der katholischen Vereinigung Centro Dom Bosco auf eine einstweilige Verfügung statt. Diese hatte erklärt, dass Film die „Ehre und Würde von Millionen Katholiken“ verletzen würde.
Fundamentalistische Christ*innen hatten seit der Ausstrahlung Stimmung gegen die Parodie gemacht und eine Petition gegen den Film gestartet. Innerhalb kurzer Zeit sammelten sie mehr als eine Millionen Unterschriften. Mehr noch: Am 24. Dezember attackierte ein Mitglied der faschistischen Integralisten-Bewegung die Produktionsfirma der Sendung in Rio de Janeiro mit Molotov-Cocktails. Ohne das Eingreifen eines Sicherheitsmannes hätte das ganze Gebäude Feuer fangen und Menschen sterben können. Der flüchtige Täter hat sich mittlerweile nach Russland abgesetzt.
Für viele war das erste Urteil deshalb vor allem eins: ein Einknicken vor dem rechten Mob. Älteren Brasilianer*innen mögen böse Erinnerungen an die Militärdiktatur gekommen sein, als der Kunst- und Kulturbetrieb der staatlichen Zensur unterworfen und die freie Meinungsäußerung massiv eingeschränkt war. Zudem wurden Zweifel an der Unabhängigkeit des Richters laut. Dieser hatte 2011 den damaligen Bundesabgeordneten und heutigen Präsidenten Jair Bolsonaro nach homophoben und rassistischen Kommentaren in einer Fernsehsendung freigesprochen.
Der Gerichtsvorsitzende des Obersten Gerichts, José António Dias Toffoli, annulierte das Urteil nun mit der Begründung, eine Filmkomödie sei nicht in der Lage, „die christlichen Werte zu schwächen, deren Existenz mehr als 2000 Jahre zurückreicht“. Durch die Verbreitung des Films werde nicht der Respekt für den christlichen Glauben missachtet.
Der Präsident der Brasilianischen Bundesanwaltkammer OAB, Felipe Santa Cruz, dürfte sich mit der jüngsten Entscheidung bestätigt sehen. „Die brasilianische Verfassung garantiert neben den fundamentalen Rechten und Garantien, die freie intellektuelle, künstlerische und wissenschaftliche Äußerung ohne Zensur und Einschränkungen“, sagte Cruz der taz. „Jede Form der Zensur oder Bedrohung dieser schwer erkämpften Freiheiten bedeuten einen Rückschritt und dürfen nicht von der Gesellschaft akzeptiert werden.“
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