Umgang mit Rechtspopulisten: Hass bei Pegida-Dialogversuchen
Hofiert die sächsische Landeszentrale für politische Bildung Rassisten? Die Opposition warnt vor „Foren für Hassausbrüche“.
Seine Diskussionsveranstaltungen begannen Ende 2014 als Dialogversuch zwischen Pegida-Sympathisanten und der Politik in Sachsen. Obschon diese überall festgefahren sind, setzt Richter seinen Kurs fort. In einem Brief an ihn machten nun die SPD-Abgeordnete Hanka Kliese und ihr ehemaliger Grünen-Kollege Karl-Heinz Gerstenberg deutlich, dass sie „in dem Format keinen Nutzen für die politische Bildung im Freistaat erkennen können“.
Den Anlass lieferte Mitte Juli eine Veranstaltung unter dem Titel „Die zornigen alten Männer und die Politik“, zu der beide Politiker eingeladen waren. Der Titel bezog sich darauf, dass die Statements bei den Bürgerforen überwiegend von Herren reiferen Alters abgegeben werden.
Drei von ihnen – ein Unternehmer, ein katholischer Diakon und ein Historiker – kamen eingangs zu Wort. Sie kritisierten unter anderem die „unsägliche Einwanderungspolitik“, die zur Untätigkeit verführe, oder verbreiteten Stereotype über handwerklich begabte, aber sonst wenig qualifizierte und demokratieunfähige Afrikaner.
Politiker niedergebrüllt
Kliese und Gerstenberg, die sich anschließend mit den Äußerungen auseinandersetzen sollten, schlug purer Hass entgegen. Mit Rufen wie „Halt’s Maul“ und „Mikrofon aus“ sollten die Politiker am Ausreden gehindert werden. Einer der Besucher zielte mit einer symbolischen Erschießungsgeste auf den Grünen. Dem langjährigen Vorsitzenden des Dresdner Ausländerrats und einem ehemaligen Journalisten erging es ähnlich. Auch der Beifall für die moderaten Äußerungen des ehemaligen CDU-Landtagsfraktionschefs Steffen Flath fiel sparsam aus. Umso stärker war der für Frauke Petry, als ihr einer der alten Herren zum AfD-Bundesvorsitz gratulierte. Petry und Flath waren ebenfalls eingeladen, auf die „zornigen Männer“ zu erwidern.
Brief an Frank Richter
Das Podium war kein Einzelfall: Eine deutliche Mehrheit der Gäste dieser Veranstaltungen der Landeszentrale kommt inzwischen aus einem ultrakonservativen Spektrum. Petry bedankte sich prompt in der letzten Landtagssitzung bei Richter: Es sei ein Fehler gewesen, im AfD-Wahlprogramm 2014 die Abschaffung der Landeszentrale zu fordern.
Kliese und Gerstenberg dagegen kritisieren, dass ein wirklicher, sachlicher Diskurs nicht mehr stattfinde. Wenn objektiv rassistische Äußerungen unerwidert stehenblieben, sei dies „das Gegenteil von politischer Aufklärung“, heißt es in ihrem Brief. Auch Linken-Landeschef Rico Gebhardt warnt, die Landeszentrale müsse aufpassen, „dass sie nicht Foren für Hassausbrüche organisiert“.
Richter will vermitteln – wie 1989
Frank Richter will die Vorwürfe nicht gelten lassen: „Jeder kann kommen, und es kann auch einmal etwas schiefgehen!“ Richter beruft sich auf seine Erfahrungen als Initiator der vermittelnden „Gruppe der 20“ in den Oktobertagen 1989 und als Moderator der „IG 13. Februar“, die einen Minimalkonsens im Umgang mit den jüngsten Nazi-Aufmärschen zum Dresdner Zerstörungsgedenken herstellen konnte. Es gebe keinen Königsweg im politischen Disput, so Richter. Solche Veranstaltungen seien aber vor allem in der Landeshauptstadt parteipolitisch überlagert, weshalb er sich künftig auf ländliche Räume konzentrieren wolle. „Dort bekommen wir durchweg gute Noten.“
Für Befremden sorgte auch Richters Erklärung, er würde unter ähnlichen Umständen wie im Januar 2015 wieder der Pegida-Spitze seine Räume für eine Pressekonferenz zur Verfügung stellen. Immerhin steckt Pegida-Führer Lutz Bachmann auch hinter der Hetze gegen ein Asylbewerberheim in Richters Wohnort Freital. Dort hatte sich der Direktor klar gegen die Scharfmacher ausgesprochen. Auf den Landtagsfluren erklärt man sich Richters sturen Kurs mit dem missionarischen Geist des früheren Pfarrers, keines seiner Schäfchen zurückzulassen. Dieser Weg ist allerdings auch unter den Mitarbeitern der Landeszentrale höchst umstritten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Sicherheitsleck in der JVA Burg
Sensibler Lageplan kursierte unter Gefangenen