Umgang mit Kolonialgeschichte: Zeugen der Verbrechen
Koloniale Ausbeutung machte Bremen und Hamburg reich. Eine Dekolonialisierung, die den Namen verdient, muss daran erinnern.
W as kann Dekolonialisierung sein? Ist es bloß eine florierende, längst unübersichtlich sich verzweigende Theorieschule mit politisch-engagiertem Selbstbild? Geht es um mehr als um Straßenumbenennungen, Rückgabe von Raubkunst und etwas anderes als das Stürzen von Denkmalen?
Klar, eine Befreiungsbewegung ohne Bildersturm gibt es nicht. Ihn in Bausch und Bogen zu verdammen, ist mindestens so barbarisch, wie ihm hemmungslos zu frönen. Aber manchmal kommt es eben darauf an, Vergangenes zu bewahren. Mitunter auch Verhasstes.
„Erinnerungen sind nötig für unsere Kämpfe in der Gegenwart“, sagt Wilma Nyari. Nyari hat mittlerweile auch schon mehr als vier Jahrzehnte Aktivismus auf dem Buckel, früher in Frankfurt am Main, heute in Wilhelmshaven. Um die dortigen Initiativen mit denen von Oldenburg und Bremen zusammenzubringen, hat sie das „Dekoloniale Netzwerk Nordwest“ ins Leben gerufen.
Denn der Nordwesten, der Küstenraum, hat beim Verbrechen des Kolonialismus gemeinsame Sache gemacht – lange vor der Gründung des Deutschen Reiches, über alle Regionalkonkurrenzen und Staatsgrenzen hinweg: Preußen, England und Dänemark stoßen auf diesem Gebiet unmittelbar aneinander – alles Staaten, die im 17. und 18. Jahrhundert Territorien in Übersee besetzen. Und die Niederlande rekrutieren hier Personal für die berüchtigte Vereenigde Oostindische Compagnie.
Vergangenes zu bewahren bedeutet nicht, es in Ehren zu halten. Es ist notwendig, weil sich an ihm überhaupt erst sichtbar machen lässt, wodurch es ermöglicht wurde. Und was es verdrängt, beseitigt und vernichtet hat: Die selektive Erinnerung an ihn ist Teil des Kolonialismus. Geradezu systematisch hat er die Einsprüche gegen seine Praktiken marginalisiert bis hin zum Ausschluss von der Überlieferung. Geraubte Kulturgüter hat er durch ihre völlig wirre Verbringung in Depots von Völkerkundemuseen zu beliebigem Gerümpel abgewertet – und das mit ihnen verbundene Wissen weitgehend vernichtet.
„Dekolonisieren – wie geht das?“ Darüber diskutieren Sabine Broeck (Mitgründerin des Instituts für Postkolonialismus und transkulturelle Studien der Uni Bremen), Virginie Kamche (Fachpromotorin für Migration, Diaspora und Entwicklung), Wilma Nyari (Gründerin des Netzwerks „Dekol Nordwest”) und Kai Stührenberg (Staatsrat bei der Bremer Wirtschaftssenatorin). Es moderiert Benno Schirrmeister, Redakteur der taz nord.
Der Salon findet am 28. November um 19 Uhr im Kulturzentrum Lagerhaus, Schildstraße 12-19, in Bremen statt. Eintritt frei, Anmeldung unter taz.de/veranstaltungen erforderlich. Die Veranstaltung wird auf YouTube gestreamt.
Da wird dann ein vermeintliches Bett von irgendwo aus Kamerun infolge einer Strafexpedition 1899 direkt ins Depot des Bremer Übersee-Museums verbracht, eingemottet – und erst 120 Jahre später dank der Arbeit des derzeit an der Uni Göttingen forschenden Ethnologen Ndzodo Awono als Herrscherthron des Lamido von Tibati identifiziert. Der „Angriff und die anschließende Plünderung des Lamido-Palastes scheinen die Bevölkerung von Tibati so erschüttert haben, dass dieses Ereignis durch mündliche Überlieferung von Generation zu Generation weitergegeben wird“, schreibt er in seiner Dissertation über den „deutschen kolonialen Raub in Afrika“ auf Basis von Interviews in der kamerunischen Provinz Adamaoua.
Das Verdunkeln gehört zur Tat: Besonders dicht hat der Kolonialismus einen Schleier über jene Taten gelegt, von denen seine Akteure, wie die Kaufleute der Hafenstädte, sehr genau wussten: Das sind Verbrechen. Das markanteste Beispiel dafür: der Versklavungshandel. Der war ab 1815 offiziell verboten. Er fand aber weiterhin statt. Die Legende vom ehrbaren hanseatischen Kaufmann, der davon die Finger lässt, haben im 19. Jahrhundert die alten Zankschwestern Hamburg und Bremen einträchtig aufgebracht.
Und bis vor Kurzem noch haben auch angesehene Historiker diese Propagandastory der Stadtstaaten weitererzählt: „the involvement of the North German ports remained a peripheral activity“, heißt es in der Fachliteratur. Ja ja, das gab’s, aber „im Vergleich nur im kleinen Maßstab“, und immer waren es „nur wenige Deutsche“, die mittaten. Einzelfälle halt.
Stimmt aber so nicht. Um das zu erkennen, ist wichtig, kleinräumliche Entwicklungen zu untersuchen. Am bislang gründlichsten hat das der Historiker Jasper Hagedorn von der Uni Bremen für seine Dissertation „Bremen und die atlantische Sklaverei“ getan, die gerade erschienen ist. Auf 540 Seiten weist er darin nach, dass Bremen bis 1860 „in wirtschaftlicher, politischer, diskursiv-intellektueller Ebene Teil des Sklaverei-Atlantiks“ war.
Koloniales Denken markiert dem Philosophen Enrique Dussel zufolge in Europa den Übergang vom Mittelalter in die Moderne: Ausgangspunkt wäre demnach Kolumbus‘ Überquerung des Atlantiks im Jahre 1492.
Ausgeblendet bleibt dabei in der westlichen Dekolonisierungsdebatte der oft genozidale Kolonialismus und Versklavungshandel der islamischen Eroberer, dem der senegalesischen Forscher Tidiane N’Diaye in Afrika 17 Millionen Opfer zurechnet.
Neben dem Versuch Preußens, Ende des 17. Jahrhunderts im transatlantischen Versklavungshandel Fuß zu fassen, bot die Teilnahme an kolonialen Unternehmungen der Niederlande, Dänemarks oder Englands vielen Männern bis Mitte des 19. Jahrhunderts die Chance, standesunabhängig aufzusteigen und Vermögen zu erwerben.
Bremische Unternehmer beliefern und betreiben in Übersee Plantagen mit Sklaven. Sie schmuggeln Sklaven, halten, kaufen und verkaufen sie – und haben sie offenbar bei der Rückkehr von Kuba, St. Thomas oder anderswo als namenlose Domestiken mit an die Weser verschleppt. Dort werden sie dann irgendwann gestorben sein.
Der Stadtstaat deckt und begünstigt dieses Verbrechen durch eine eigenständige Außenpolitik: Schließt Staatsverträge und tritt den britisch-französischen Abkommen zur Bekämpfung der Sklaverei bei, um den Schutz der Seemächte zu genießen und – bei Partnern schaut man nicht so genau hin – die Kontrollen zu minimieren.
Diese Anerkennung als Vertragspartner bedeutet aber auch die Anerkennung der hanseatischen Gerichtsbarkeit: So gelingt es, wenn bei den sporadischen Überprüfungen von Schiffen unter hanseatischer Flagge Täter aufgebracht werden, sie mithilfe eigener Gesetzgebung der britischen Justiz zu entziehen. Bremische Gerichte sprechen die Verdächtigen nämlich viel zuverlässiger frei. Im Glanze ihrer Reichtümer sonnen sich die Überseekaufleute, bekommen Posten in der Regierung, werden geehrt: Etliche Straßen künden von ihrem Ruhm, die Senator-Fritze-Straße, die Wilkensstraße, die Otto-Gildemeister-Straße, ganz unverdächtige Namen. Namen, die jenseits von Bremen keiner kennt. Echte Hanseaten.
Manche der Firmen stehen noch im Handelsregister, die meisten sind gelöscht, aber „es greift zu kurz, nur darauf zu schauen“, sagt Hagedorn. Zum einen hat sich ja „der Wohlstand, der durch diesen Handel entstanden ist, auch anders niedergeschlagen“, in Stiftungen etwa, die den Wohlstand des Familienverbundes und die Chancen der folgenden Generationen sicherstellen, oder in protzigen Villen in Toplage.
Zugleich haben sich „diese Kolonialverbände in alle Bereiche des Lebens reingedrängt“, so der Historiker. Sie haben die Gesellschaft mit Macht geprägt: rechtlich, kulturell, politisch – und nicht zuletzt religiös. So treiben, Hand in Hand, die Brüder Vietor ab 1851 Christianisierung und Tabakanbau in Westafrika voran, der eine als Erbe des Familienunternehmens, der andere als Präses der Mission de Brême, der Norddeutschen Mission. Dort, wo das Volk der Ewe lebt, in den Küstenregionen des heutigen Togo, baut sie ihre Station und kauft Kinder der Dörfler, um sie zu retten, frei, weil diese nach Einschätzung der frommen Christenleute sonst versklavt worden wären, entfremdet sie dem Glauben und der Kultur ihrer Eltern und vermittelt sie dann in Arbeit, bis sie das für den Freikauf aufgewandte Geld wieder eingespielt haben.
Diese Gewaltgeschichte ist Voraussetzung des staatlichen Kolonialismus, der im Deutschen Reich 1884 einsetzt, nachdem Hamburger und Bremer Kaufleute die Unterschutzstellung ihrer Übersee-Unternehmungen immer energischer gefordert hatten. Sie ist Voraussetzung des ersten Völkermords des 20. Jahrhunderts, den deutsche Truppen zwischen 1904 und 1908 an den Ovaherero und Nama im heutigen Namibia begehen, dessen Inbesitznahme mit einem Landkaufbetrug des Bremer Kaufmanns Adolf Lüderitz beginnt.
In dieser Gewaltgeschichte wurzelt auch der extrem grausame Vernichtungskrieg, den die Deutschen in Ostafrika von 1905 bis 1907 gegen die aufbegehrende Maji-Maji-Gemeinschaft führen: Der charismatische Prophet dieser religiösen Bewegung hatte es geschafft, die Völker der Matumbi-Ebene zu vereinen – und sich gemeinsam zur Wehr zu setzen gegen Zwangsarbeit, Willkürsteuern und sadistische Gewalt. Die begegnet ihnen auch bei der Niederschlagung ihres Protests: Auf bis zu 300.000 wird die Zahl der Menschen geschätzt, die deutsche Truppen mit Gewehren, Bajonetten und Hunger ermorden. Als Genozid wird er dennoch nicht bezeichnet.
Der Koalitionsvertrag der Ampelregierung verheißt einen Lern- und Erinnerungsort Kolonialismus, ohne festzulegen, wo er hinkommt: Hamburg und Bremen hätten es beide gerne, und mitunter wirkt es, als wäre in perverser Weise eine alte Konkurrenz wiederbelebt, wer von beiden als Stadt der Kolonien gelten darf.
Wahr ist: In beiden bleibt die triumphale Seite dieser Geschichte sichtbar, die ihre Kaufleute gemacht haben. Dass es Bremen so wichtig ist, Ende des 19. Jahrhunderts endlich einen eigenen Seehafen zu bekommen, hängt mit dieser Gewaltgeschichte zusammen. Die arroganten Villen, die sensationellen Privatparks, aber auch, im Buntentor-Viertel links der Weser, die vielen kleinen, und doch properen Häuser, in denen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ganze Arbeiterfamilien ihren Lebensunterhalt bestritten, indem sie im Homeoffice Zigarren rollten – das alles ist koloniales Erbe.
Müsste man das nicht alles abtragen, die Hafenanlagen demontieren, die Villen, die Parks, das in Backsteinpaläste verwandelte Vermögen, der Stadt als eine Art Raubgut entziehen? Aber kann das jemand wollen? Und selbst dann: Wie sollte das durchsetzbar werden? Und wem stünde das geschickt in neue Unternehmungen angelegte Blut-Geld zu?
Ach, historische Gerechtigkeit gibt es nicht. Hat es nie gegeben. Kann es nicht geben. Und in der Realität scheitern Dekolonialisierungs-Inis oft schon an viel niedrigschwelligeren Wünschen. Straßenumbenennungen etwa, die angesichts des Unrechts kaum mehr sein können als eine hilflose Geste: Seit 110 Jahren gibt es in Bremen die Lüderitzstraße. Seit 50 Jahren wird in unregelmäßigen Abständen ihre Umbenennung gefordert. Aber die Anlieger, die ihre Betrüger-Anschrift behalten wollen, haben noch jedes Mal eine Mehrheit zusammengetrommelt.
Dass es zugleich seine eigene Ohnmacht anzeigt, nimmt symbolischem Handeln nicht seinen Sinn. Es gibt nichts auf der Welt, was so unsichtbar ist wie Denkmäler, hat Robert Musil festgestellt: Sie mithilfe farbiger und vielstimmiger Kommentare als Ärgernis sichtbar zu machen, an ihnen das zu enthüllen, was sie verbergen sollen – inhaltlich lässt sich dagegen kaum etwas sagen. Auch wenn es als Sachbeschädigung verurteilt wird: Das Anliegen, die ideologischen Prägung und Durchdringung des urbanen Raums, das Unbewusste der Stadt, zu markieren und so der Reflexion überhaupt erst zugänglich zu machen, dient dem Gemeinwohl.
Ähnliches gilt für die Auseinandersetzungen um geraubte Kulturgüter, die Kunst-, Kult- und Alltagsgegenstände. „Dabei geht es aus meiner Sicht gewissermaßen um die Verhandlung von sozialer Gerechtigkeit in der Vergangenheit“, sagt Provenienzforscher Sebastian-Manès Sprute, seit 2020 Mitarbeiter am Lehrstuhl von Bénédicte Savoy an der TU Berlin. Die Kunsthistorikerin ist in Europa die wohl prominenteste und einflussreichste Stimme, wenn es um die Restitution dieser erbeuteten Schätze geht.
Und klar, die Frage der Rückgabe ist wichtig. „Gleichzeitig müsste es aber politisch auch um soziale Gerechtigkeit in der Gegenwart und für die Zukunft gehen“, sagt Sprute, der am 28. November in Bremen im taz-Salon darüber mitdiskutiert, was Dekolonialisierung heute sein und hoffen kann.
Symbolische Akte sind per se zweideutig. Sie können dazu dienen, diese Themen bewusst zu machen und zu bearbeiten. Manchmal wirken aber selbst Schuldeingeständnisse oder großzügige Rückgaben von Raubgut, das man sich nach westlicher Rechtsvorstellung doch eigentlich ersessen hätte, oder als Trophäen heimgetragener Human Remains wie Versuche, die Debatte zu schließen und Forderungen nach materieller Wiedergutmachung möglichst zum Schweigen zu bringen. Oder zu ignorieren.
So schreitet immerhin die offizielle deutsche Anerkennung des Genozids an Ovaherero und Nama allmählich, 120 Jahre nach diesem Verbrechen, voran. Begonnen hatten die Verhandlungen 2015, die grundsätzliche Bereitschaft, sich zu entschuldigen, war 2021 erreicht, ein Erfolg!
Flankiert wird dieser Prozess dabei alle paar Jahre von Kurzgutachten, in denen der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags versichert, dass und wie es möglich ist, trotz einer solchen Bitte um Verzeihung Reparationsforderungen seitens der ermordeten Völker – jenseits der freiwilligen Zusage von 39,7 Millionen Euro Beihilfen jährlich bis 2052 – unter den Tisch fallen zu lassen. Stand jetzt: nullo Problemo.
Denn das „deutsch-namibische Versöhnungsabkommen“ soll ja bloß als „rein politische Erklärung“ koloniales Unrecht als Völkermord anerkennen. Politisch ist auf Jura-Deutsch ein hochtrabendes Wort für total unverbindlich. Ja, es ließe sich sogar um des lieben Friedens willen auf die von der Opposition in Windhoek heftig kritisierte Einschränkung verzichten, nach der die versuchte Auslöschung der Ovaherero und Nama vor 120 Jahren nur „aus heutiger Sicht“ ein Völkermord gewesen sei. „Der Zusatz ist nicht erforderlich, um solchen Ansprüchen ‚vorzubeugen‘“, heißt es im neuesten Sachstandsbericht.
Dasselbe gewiegte diplomatische Denken findet sich in der Rede von Frank-Walter Steinmeier an der Gedenkstätte für Songea Mbano in Tansania: Mbano war im Maji-Maji-Krieg ein wichtiger Anführer in der Erhebung gegen die Deutschen. Worte wie Schuld oder gar Verbrechen hat sich der Bundespräsident gehütet, in den Mund zu nehmen, am 1. November. Aber um Verzeihung gebeten, „für das, was Deutsche hier Ihren Vorfahren angetan haben“, das hat er schon.
Und er hat damit auch exakt ein konkretes Versprechen verbunden: „Ich verspreche Ihnen, dass wir uns gemeinsam mit Ihnen darum bemühen werden, auch den Schädel von Chief Songea in Deutschland zu finden“, hat er gesagt.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Bislang hat’s nicht geklappt, woher soll denn der Bundespräsident wissen, wo die deutschen Grabräuber das abgetrennte Haupt des Ermordeten hin verschleppt, was sie damit angestellt und wie sie es dabei verbummelt haben? Aber jetzt wird man sich dolle anstrengen, ja sogar „alles tun, was in unserer Macht steht“ – um wenigstens das Selbstverständlichste zu ermöglichen. Mehr als das können die Nachfahren der Opfer von Deutschland nun wirklich nicht erwarten.
Aber sollte der Staat überhaupt allein richten, was seine zivilen Kaufleute angestoßen und betrieben haben?
Ein Mahnmal für die Opfer des mit Gewehren, Bajonetten und Hunger geführten Maji-Maji-Kriegs fehlt bislang im Land der Täter. Für den Völkermord in Namibia gibt es in Deutschland exakt eins: Ein Kreis aus Steinen aus der Omaheke-Wüste, in die deutsche Truppen die entwaffneten Ovaherero und Nama nach den Schlachten trieben, erinnert auf dem Bremer Mandela-Platz seit 2009 daran – gleich am Bahnhof, beim Backstein-Elefanten, der 1932 die Zeit der Schutzgebiete glorifizierte und heute Antikolonialdenkmal ist. Das Genozid-Mahnmal war seinerzeit das letzte große Projekt des 1975 gegründeten Vereins „Bremer Afrika Archiv“, der schon in der Hochphase des Befreiungskriegs eng mit den exilierten Aktivist*innen und Kämpfer*innen der South-West African People’s Organization (Swapo) zusammengearbeitet hatte – der wichtigsten Befreiungsorganisation Namibias.
Der Bremer Verein ist mittlerweile weitgehend inaktiv. Die Dokumente der partnerschaftlichen Erfolge sind eingelagert, aber bedroht: Die Übergabe ans Bremer Staatsarchiv ist gescheitert, und wenn es schlecht läuft, kommen die 250 Umzugskartons im Januar in den Schredder.
Das Mahnmal aber wenigstens wird bleiben: Jedes Jahr am 11. August, dem Tag der Schlacht von Waterberg, versammeln sich hier die afrikanische Diaspora und andere zivilgesellschaftliche Gruppen, denen Dekolonialisierung ein Anliegen bleibt, um des Völkermords zu gedenken, der so lange verdrängt war: Dekolonialisierung braucht solche Erinnerung. Nicht als Ziel und als Ende – sondern als einen Anfang.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken