Herero: Steine des Anstoßes

In Bremen wurde ein Mahnmal für die Opfer des Völkermords in Namibia eingeweiht. Es soll Teil der Versöhnung und Wiedergutmachung sein. Doch von namibischen Opfergruppen kommt scharfe Kritik.

Objekt des Streits: Das namibische Genozidkomitee fordert Reparationszahlungen statt Denkmäler. Bild: Jan Zier

"We shall overcome" singt der Zion Community Choir beim Bremer Elefanten, dem zehn Meter hohen Antikolonialdenkmal im Stadtteil Schwachhausen. Später legen der Bremer Umwelt- und Bausenator Reinhard Loske (Grüne) und der namibische Generaldirektor der nationalen Planungskommission, Peter Katjavivi, weiße Rosen nebenan, auf dem erdigen Boden des Herero-Mahnmals ab, einem aus Steinen geformten Kreis. Sie stammen vom Waterberg in Namibia.

Das Mahnmal für die Opfer der deutschen Kolonialherrschaft wurde am Dienstag eingeweiht und soll an den Völkermord in Namibia erinnern. "Bremen hat gegenüber Namibia eine besondere Verantwortung", sagt Loske. Das Monument sei ein Versuch, dieser Verantwortung gerecht zu werden.

Doch schon vor der Einweihung hatte ein Vertreter des namibischen Ovaherero-Genozidkomitees das Mahnmal stark kritisiert. Die Opfergruppen seien nicht in die Errichtung des Mahnmals einbezogen worden, "deutsche Sympathisanten und Gutmenschen sollten aufhören, Dinge für anstatt mit uns zu tun", zitiert die namibische Allgemeine Zeitung den Komitee-Vorsitzenden Utjiua Muinjangue. Monumente könnten für ihn keine Reparationen ersetzen, heißt es weiter. Der Gestalter des Mahnmals und Vorsitzender des Bremer Afrika-Archivs, Thomas Gatter weist die Vorwürfe zurück: "Die Gestaltung des Mahnmals wurde im Voraus mit dem Genozidkomitee abgestimmt."

Deutsch-Südwestafrika, wie es damals hieß, stand von 1884 bis nach dem Ersten Weltkrieg unter deutscher Kolonialherrschaft.

Unter dem Kommandeur Lothar von Trotha kamen zwischen 1904 und 1908 über 75.000 Menschen ums Leben.

Im Ersten Weltkrieg nahmen britische Truppen Südafrika ein und übergaben es 1920 als Mandatsgebiet an die Südwestafrikanische Union zur Verwaltung.

Nach jahrzehntelangem Kampf gegen gegen die Südwestafrikanische Volksunion ist Namibia seit 1990 ein unabhängiger demokratischer Staat.

Die Geschichte der Kolonie Deutsch-Südwestafrika beginnt im 19. Jahrhundert. 1883 erwirbt der Bremer Kaufmann Adolf Lüderitz Gebiete im heutigen Namibia, das Deutsche Reich erklärt Südwestafrika zum deutschen Schutzgebiet. Das Volk der Herero wehrt sich gegen die Kolonialherrschaft - am 11. August 1904 befiehlt Lothar von Throtha, der Kommandeur der deutschen Schutztruppe, die Herero ohne Ausnahme zu vernichten - bei der Schlacht am Waterberg. Zwischen 1904 und 1908 werden über 75.000 Herero, Nama und Damara ermordet.

Reparationszahlungen und individuelle Entschädigungen gab es dennoch nie. Auch eine Entschuldigung von Seiten der deutschen Bundesregierung ließ ein Jahrhundert auf sich warten. Anlässlich des 100. Jahrestags der Niederschlagung des Herero-Aufstands entschuldigte sich die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD), für die von deutschen Soldaten begangenen Massenmorde. Statt jedoch finanzielle Entschädigungen zu leisten, beschloss die Bundesregierung, verstärkt in der Entwicklungshilfe mit Namibia zusammenzuarbeiten. Die namibische Zeitung New Era beschreibt die Wiedergutmachungsversuche als "hoodwinks" - Täuschungen -, wie man "jetzt in Bremen wieder einmal sehen kann".

Das Mahnmal beim Bürgerpark geht auf ein Versprechen des Bremer Ex-Bürgermeisters Henning Scherf zurück. Anlässlich einer Versöhnungskonferenz im Jahr 2004 garantierte er den Opfergruppen Herero, Nama und Damara die Errichtung eines Mahnmals.

Fünf Jahre dauerte es bis zur Fertigstellung des Monuments. Das Ovaherero-Genozidkomitee kritisiert, dass keine der Opfergruppen zur Einweihung des Mahnmals eingeladen worden sei. "Wir haben die namibischen Regierung entscheiden lassen, wer kommen soll", äußert sich Gatter zu dem Vorwurf. Katjavivi, "auf den die Wahl letztlich fiel, ist ein Mann, der sowohl die Herero, als auch die Regierung Namibias vertreten kann". Katjavivi ist selbst Herero.

"Das Monument sollte von vielen Namibiern geschätzt werden", sagt Katjavivi. Es sei ein angemessenes Mahnmal. "Doch auch Kritikern stehe es zu, ihre Meinung zu äußern und ihre Forderungen auszusprechen."

Der Medienkünstler Michael Weisser ist Vorstandsmitglied des Vereins "Der Elefant!". Der Verein möchte sich für Vielfalt, Kreativität und Toleranz einsetzen und den Elefanten, 1932 als Reichskolonialdenkmal errichtet und 1989 zum Anti-Kolonial-Denkmal umgewidmet, kulturell nutzen. Am Dienstag eröffnete Weisser eine Ausstellung über den deutschen Kolonialismus in Namibia in der Krypta des Backsteinmonuments direkt neben dem neuen Mahnmal.

"Eine Geschlossenheit der Opfergruppen gibt es nicht", sagt Weisser. Die Herero seien untereinander zerstritten. Dem Genozidkomitee, das die Kritik am Mahnmal äußere, gehe es "nur ums Geld". Alles was sie wollen seien Reparationszahlungen. "Das soll jedoch nicht heißen", relativiert er, "dass wir die Schuld ablegen wollen".

Gatter, der Gestalter des Mahnmals, sagt in seiner Rede, dass "viele Leichen für Untersuchungen nach Deutschland geschafft wurden, um zu beweisen, dass die Deutschen Übermenschen seien". Deshalb könne er die Ungeduld der Opfergruppen verstehen, denn die Überreste der Toten lagern bis heute in diversen Forschungseinrichtungen. Bei der Einweihungszeremonie des Mahnmals rief Gatter seine Forderung deshalb laut ins Mikrofon: "Bringt diese Überreste zurück nach Namibia, denn da gehören sie hin!"

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