piwik no script img

Umgang mit Bremer Au­to­po­se­r*in­nenMehr als Lärm und Tempo

Alina Götz
Kommentar von Alina Götz

Au­to­po­se­r*in­nen und Ra­se­r*in­nen sind laut und gefährlich. Und eine unangenehme Konfrontation mit der Macht der Autos und dem Patriarchat.

Ein peinliches, klimaschädliches und ungesundes Hobby: Tuning Foto: Marcel Kusch/dpa

D as Problem mit Au­to­po­se­r*in­nen ist ihr Krach und ihre Geschwindigkeit. Beides ist gefährlich, im Einzelfall tödlich. Aber es ist noch mehr: Für Betroffene, also zufällig daneben Stehende, die extrem grenzüberschreitend vollgeröhrt werden, ist es die Konfrontation mit der Übermacht der Autos. Und ihrer Industrie, ihrer Rolle im Straßenverkehr und beim Klimawandel. In allen drei Kontexten brettern sie, im zweiten Fall sogar wortwörtlich, stinkend über die Bedürfnisse anderer Menschen.

In vielen Fällen – die Po­se­r*in­nen sind ja doch mehrheitlich Poser – ist das Phänomen zudem eine sehr unangenehme Konfrontation mit dem männlichen Geschlecht. Auch hier lässt sich von einer Übermacht sprechen, in vielen Bereichen der Gesellschaft existiert sie schlicht immer noch. Wobei klar ist: Beim Autoposen ist diese Macht ob ihrer Peinlichkeit nur noch eine vermeintliche. Unangenehm ist das patriarchale Getöse trotzdem, vor allem gepaart mit weiterem Macho-Gehabe.

Natürlich gibt es darüber selten Bürger*innenbeschwerden! Wenn jemand sich an der Ampel irgendwie unwohl fühlt, belästigt, vielleicht sogar gefährdet – aber eben ohne beweisbaren Grund: Wie würden die Be­am­t*in­nen bei so einem Anruf wohl reagieren?

Um Beschwerden eine bessere Grundlage zu geben und den Au­to­po­se­r*in­nen zu zeigen, dass ihr Handeln falsch ist, braucht es dringend andere rechtliche Grundlagen: Niedrigere Grenzwerte für Lärm, strengere Auflagen fürs Tuning. Der Senat muss sich auf Bundesebene für die entsprechenden Änderungen einsetzen. In Bremen muss er Lärmblitzer aufstellen und viel mehr kontrollieren.

Das Auto als Safe Space in der Pandemie

Vor allem aber muss er die Debatte verändern: Der Verweis auf fehlende Beschwerden und Städte, in denen es noch schlimmer ist, sind völlig fehl am Platz. Und natürlich sind „verkehrserzieherische Gespräche“ kein sinnvoller Lösungsansatz. Wenn sich nicht bald etwas ändert, wird das Problem vermutlich sogar noch größer. Denn das Auto ist in den letzten eineinhalb Jahren der Pandemie zu einem neuen Safe Space geworden, mit dem man virenfrei und zugleich super cool zur Partymeile kommt.

Um das Problem ernster zu nehmen, als es der Senat gerade tut, braucht es nicht erst mehr messbare Verstöße, mehr Unfälle oder gar Verletzte. Ein nächtlicher Gang durch die City reicht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Alina Götz
Autorin
Seit 2024 freie Journalistin. Von 2019 bis 2023 erst Volontärin, dann Redakteurin und Chefin vom Dienst bei der taz Nord in Bremen. Hat mal Politik-, Kommunikations- und Medienwissenschaft sowie Komplexes Entscheiden an der Uni Bremen studiert. Schreibt gern über Verkehrs- und Klimapolitik, Sport, Justiz, Parlamentsgeschehen und Soziales.
Mehr zum Thema

23 Kommentare

 / 
  • Übrigens sind die Elektroroller das gleiche Problem: Spielzeug, das unnötig Strom verbraucht.



    Ich fordere auf diesen Firmen sofort die Lizenz zu entziehen.



    Wieviele ERoller Jugendliche sind nicht in der Lage Fahrrad zu treten und wieviele haben einen Rucksack auf dem Rücken?



    Ich wohne im Arbeiterstadtteil und habe einen Fahrradkorb meist beladen.



    Die Roller liegen überall im Weg rum. Da muss Papa mal aufräumen. Der öffentliche Raum ist also ein großes Kinderspielzimmer.

  • Die Lösung:



    Sammeltaxis also Siebensitzer mit Ladefläche sollten durch die Region Stadt und Umland zirkulieren. Mehrere 1000 Sammeltaxis sammeln Personen und Gruppen ein, die eine Fahrt nötig haben und etwas schleppen müssen, und dann zusteigen oder umsteigen.



    Eine Mischung aus Taxi und Bus. Zusätzlich zu Bussen und Bahnen.



    Auf diese Weise würden alle Pkw ersetzt. Diese würden nicht mehr hergestellt und nicht mehr verkauft.



    Sammeltaxis werden finanziert durch eine öffentlich-rechtliche Anstalt eingezahlt monatlich gestaffelt nach Einkommen und gefahren und gewartet wie bei der BSAG. Keine private car-sharing-Kette.

    • @nzuli sana:

      In Bremen müsste man dafür im Virtel eine nächtliche Posingstraßenbahn einführen, die in Höhe Sielwall immer hoch und runter fährt. 🤪

  • Lasst die jungen Leue doch ihre Hobbies. Ist halt nicht unser Geschmack; aber wer sind wir anderen Leuten ihre Peinlichkeit nehmen zu wollen?



    Gibt es nicht einen Begfriff für Leute, die anderen nicht ihre Peinlichkeit gönnen - Spießer oder so ähnlich?

    • @Nikoniko:

      "Lasst die jungen Leue doch ihre Hobbies. Ist halt nicht unser Geschmack; aber wer sind wir anderen Leuten ihre Peinlichkeit nehmen zu wollen? "

      Im Prinzip richtig. Ich gönne den Dackelzüchtern ihre Dackel, den Schrebergärtnern 10qm Golfrasen und den Stadl-Besuchern die Wildecker Herzbuben.



      Wenn es nur um solche Peinlichkeit ginge, wäre das ja alles kein Problem. Die Peinlichkeiten der Auto-Poser bestehen aber u. A. auch aus Aggression, Lärmbelästigung, Umweltverschmutzung und Verkehrsgefährdung.



      Konsequent asoziales Verhalten darf man schon mal in Frage stellen und dabei auch spiessig sein.

  • @FRANZFERDINAND

    - "Achtung, auf der A8 zwischen Karlsruhe und Pforzheim kommt Ihnen ein Fahrzeug entgegen"

    - "Eins??? Tausende!!!"

    So oder ähnlich.

  • In den 80ern gabs so nette Aufkleber mit dem Titel

    "Parke nicht auf unseren wegen"

    vielleicht sollten wir jetzt mal Aufkleber verteilen mit dem Text:

    KRAWALL-ENGINES NOT WELCOME

    • @Wunderwelt:

      Ich erinnere noch die folgenden Aufkleber bei Posertypen:

      Sponsored by Sozialamt

      Sponsored by Oma

      Eilige Alkoholika

  • Ja das Thema mit den Krawallkarren ist wohl leider noch deutlich größer als die vergleichsweise wenigen Autoposer.



    Harleys, Racing-Bikes..alle machen den lauten. Ich wohne etwa 100m von einer Hauptstrasse entfernt und manchmal gibts da Motorräder die hör ich noch in 800m Entfernung.. also dürften so etwa 3000 Leute den Lärm hören (jeweils gleichzeitig)..echt unfassbar.!!



    Dass es bereits eine Bundesratsinitiative zur Begrenzung von Motorradlärm gibt interessiert unseren sog Verkehrsminister aber wenig..

    Was wir brauchen ist eine echter Mentalitätswandel.!!!

  • "Patriarchat"

    Sind in Deutschland nur noch Irre unterwegs....

  • Zum Thema "überwiegend männlich": Gilt das auch für die Beifahrer*innen, die die PS-gestützten Poser*innen bewundernd/ besitzerstolz begleiten und dabei nicht weniger rumposen?

    Das Problem ist doch, dass solches Poser*innentum eben vielen Leuten NICHT peinlich ist. Das hat mit archaischen Idealen in der Partnerwahl zu tun, die immer schon auf die Demonstration von materiellem Überfluss und der Fähigkeit abgestellt haben, mehr "sozialen Raum" zu beanspruchen als die Konkurrenz. Laute, schnelle Autos sind da nur ein Vektor.

    Stellt sich also die Frage: Wo ansetzen, damit das Boy-meets-Girl-Spiel sich endgültig von solchen Demonstrationen abwendet? Oder anders: Wird persönlicher Erfolg (wie auch immer man ihn definiert) je unsexy sein?

  • An der Stelle sei an §30 (1) StVO erinnert:



    "Bei der Benutzung von Fahrzeugen sind unnötiger Lärm und vermeidbare Abgasbelästigungen verboten....Unnützes Hin- und Herfahren ist innerhalb geschlossener Ortschaften verboten, wenn Andere dadurch belästigt werden."

    Es wird sich doch sicher jemand finden, der den Verantwortlichen in der Verwaltung Nachhilfe im Lesen gibt - und das angesichts der Finanzlage in Bremen ja vllt sogar ehrenamtlich.

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @Bolzkopf:

      Man muss hier halt Strafen die bei Wiederholung proportional wachsen, ab 5x wird das Auto und der Führerschein dauerhaft einkassiert.

  • Naja, die Affäre um die Verunglimpfung, ja nennen wir es ruhig Vernichtung, der Bremer BamF-Leiterin noch im Hinterkopf scheint mir da in Bremen doch einiges im Argen zu liegen.

  • Wenn eine überwiegend bildungsferne, männlich und migrantisch geprägte Subkultur Feindbild für akademische Mittelschichtspießerinnen ist, dann geht es nicht nur um Ruhe, Ordnung und Klimaschutz, dann schwingt immer auch ein gewisses Maß an Klassismus, Sexismus und Xenophobie mit.

    • @Ruediger:

      Sie wollen sagen, Poser sind gar keine röhrende Hirsche oder Kartoffelkäfer?

      Hat das irgendwie auch Hand, Fuß und Hirn, öffentlich ausgelegte Zählstrichlisten oder Bierdeckel zur Soziologie des Posings?

    • @Ruediger:

      Die Kritik richtet sich gegen konkretes Verhalten und nicht global gegen die Handelnden. Insofern ist Ihr Kommentar ironischerweise generalisierender als der Ausgangsbeitrag, auch wenn sich die Zuschreibungen teilen lassen.

  • Soviel Kohlendioxid wie so ein Knaller mit einer 400kw Karre im Kavalierstart rausbläst kann ich mein Lebtag lang nicht mit Radeln kompensieren. Und dann noch die Lärmbelästigung in der eh schon so lauten Stadt. Wo ist die Partei die ein Leistungslimit für Privatfahrzeuge fordert und so der Energieverschwendung Einhalt gebietet? Bei Zweirädern gab es mal ne Grenze von 100 PS. Und durch die Versicherungen dann 98. Wir fangen mal bei 200kw an und senken das über die Jahre. Wenn man dann in 20 oder 30 Jahren bei 20 kw für den PKW angekommen ist und das ganze dann elektrisch, dann funktioniert das vielleicht mit einer lebenswerten Zukunft. Der 2CV hatte auch nicht mehr Leistung und konnte 4 Personen transportieren.

    • @Gostav:

      Volle Zustimmung, dazu ein Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen mit gleichzeitig viel stärkerem Ausbau des Bahnnetzes - dann ist die Zeit der lästigen Menschen in ihren Blechkarren hoffentlich bald vorbei.

    • @Gostav:

      "...Der 2CV hatte auch nicht mehr Leistung und konnte 4 Personen transportieren..."



      Der 2CV wäre heute auch nicht die Lösung des Problems. Extrem unsichere Karre, nicht nachhaltig weil sie einem unter dem Hintern wegrostete und für die sehr müde Leistung eines unterdimensioniertem Nähmaschinenmotor, Verbräuche von 5-7l/100km.



      Und Leistungslimits für Privatfahrzeuge klingen gleich nach Öko-Diktatur. Das kann man auch steuerlich wie versicherungstechnisch lösen. Extrem hohe Unterhaltskosten jenseits der 300 PS schrecken dann auch so manchen Poser ab.



      Ok, der Sohn vom Sultan wird sich dann immer noch seinen 1500 PS Veyron leisten können, sollte statistisch aber vernachlässigbar sein.



      Ein sofortiges Vorgehen gegen die Fast & Furious-Jünger am Freitagabend in der Innenstadt erfordert aber tatsächlich eine weit höhere Kontrolldichte mit entsprechende technischer und personeller Ausstattung der Polizei.



      Wäre aber machbar.

  • Volle Zustimmung zu diesem Kommentar!

    Thomas Ehmckes Äußerung, Bremen habe keine "Autoposerszene" wie andere Städte, war wenig hilfreich. Wozu sollte das bitte führen? Gefährlich ist's schon, wenn einer rast, da braucht es nicht erst ein Rennen oder Treffen vorher oder was auch immer. Und das nervige, aggressive Prollgehabe einschließlich Aufheulenlassen hat auch noch nie jemand gebraucht.

    Freilich erfordert eine höhere Kontrolldichte dann auch entsprechende technische und personelle Ausstattung der Polizei. Das muss politisch durchgesetzt werden - mit manchen Akteuren im linken Spektrum schwierig.

    • @phalanx:

      Das kann man auch anders sehen:



      Mein Nachbar hat einen Jeep Gladiator von 1967 mit einem Big block V 8 restauriert und fährt den gelegentlich aus. Sehr beeindruckender Sound wenn er mit Tempo 30 durch unser Wohngebiet langsam die Hügel hinauffährt und immer noch im tiefen Bass hörbar bleibt. Mag sündig sein, ist und bleibt aber weiterhin ein Stück Technikgeschichte, die die Elektromobilitaet erst noch schreiben muss.

      • @Flocke:

        Das glaube ich Ihnen sofort, von dem V8-Sound lasse ich mich selbst gerne locken ;) Sündig hin oder her, das kriegen E-Autos nicht hin, oder nur mit ähnlichen Gerätschaften, wie sie bei Posern aus dem Verkehr gezogen werden.

        Meine Kritik richtet sich nicht gegen die Fahrzeuge an sich, die sind Geschmackssache. Sondern gegen den Fahrstil, das konkrete Verhalten. Und da ist es ein Unterschied, ob ich langsam mit 30 meine Runden drehe oder aggressiv, bedrängend, zu schnell fahre, aufheulen lasse usw.