Uefa ermittelt gegen Marko Arnautović: Vieldeutiges Torgebrüll
Der Österreicher Arnautović soll beim Sieg gegen Nordmazedonien einen Gegenspieler rassistisch beschimpft haben. Die Uefa eröffnet ein Verfahren.
Seiner Zunge hat Marko Arnautović in seiner Karriere stets freien Lauf gelassen und sich trotz seiner vielen Bekenntnisse häufig missverstanden gefühlt. Am Sonntag hielt es David Alaba, der Kapitän der österreichischen Nationalmannschaft, für das Beste, dass man seinen Teamkollegen erst gar nicht verstehen konnte, und fixierte ihm im Stile eines Raubtierbändigers mit grobem Handgriff den Kiefer.
Alaba erkannte wohl am schnellsten die Gefahr, dass Arnautović, der stets irgendwo zwischen Wahnsinn und Genie verortet wird, wieder einmal für Glück und Unglück zugleich sorgen kann. Einerseits das entscheidende 3:1 gegen Nordmazedonien erzielen, andererseits sich im Torjubel um Kopf und Kragen zu brüllen.
Manche spekulierten erst, der 32-Jährige habe seinen Unmut in die Welt hinausgeschrien, weil er erst von der Bank aus ins Spiel eingreifen konnte. Schließlich hat sich der Stürmer, der derzeit einen fürstlichen Vertrag bei Shanghai SIPG besitzt, noch in jedem Team, für das er kickte, für den Besten gehalten.
Andere wollten trotz der beherzten Intervention von Alaba eine rassistische Beschimpfung erkannt haben, die dem Gegenspieler Ezgjan Alioski gegolten haben soll. Der Verband Nordmazedoniens hatte am Montagabend via Facebook mitgeteilt, ein Beschwerdeschreiben an die Uefa auf den Weg gebracht zu haben, in dem man „die schärfste Strafe für den österreichischen Nationalspieler“ gefordert habe. Die Uefa teilte dann am Dienstag mit, ein Ethik- und Disziplinarverfahren eingeleitet zu haben.
Nordmazedoniens Fußballnationalspieler Ezgjan Alioski bekannte, die angeblichen Beschimpfungen von Österreichs Marko Arnautović gar nicht gehört zu haben. Zudem habe sich dieser bei ihm nach der Partie entschuldigt. Interessant wäre nun zu wissen: Für was eigentlich?
Als einer der ersten hatte das serbische nationalistische Boulevardblatt Informer von antialbanischen rassistischen Beschimpfungen von Arnautović berichtet, um diese dann selbst wortgenau und unzensiert abzudrucken. Die Zeitung glaubte aber, der serbischstämmige Arnautović habe sich Egzon Bejtulaj, einen der albanischen Minderheit zugehörigen Nordmazedonier, vorgeknöpft.
Allein der breite Interpretationsspielraum zeigt, wie gefährlich es sein kann, wenn Arnautović nur den Mund aufmacht. Im österreichischen Teamquartier versicherte er der Presserunde: „Ich bin kein Rassist und werde niemals einer sein.“ Und dem österreichischen Kurier verriet er, ohne irgendwelche Namen zu nennen: „Es war ein Wortgefecht in der Emotion, von beiden Seiten. Das gehört einfach nicht dazu, das müssen wir streichen. Ich will mich nur für das alles entschuldigen.“
Das ist ein typischer Satz von Marko Arnautović. Einsicht in seine Fehlerhaftigkeit hat er, der sich einst von Werder Bremen verabschieden musste, weil er sich mit Teamkollegen Elijero Elia auf der Autobahn ein Wettrennen lieferte, schon immer geübt. Vor zehn Jahren schon bekannte er kleinlaut: „Ich weiß, dass ich mich ändern muss.“ Arnautović befindet sich im ewigen Kampf mit sich selbst.
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