Überdüngung belastet Wasser: Umwelthilfe klagt wegen Nitrat
Im Emsgebiet ist das Grundwasser oft zu stark mit potenziell schädlichem Nitrat belastet. Dagegen richtet sich eine Klage gegen Niedersachsen und NRW.
Doch im Ems-Gebiet der beiden Bundesländer werde der Nitrat-Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter im Grundwasser an vielen Messstellen überschritten, teilte die Umwelthilfe mit. Die Organisation will die Behörden nun durch die Klage zu Maßnahmen zwingen, um den Grenzwert einzuhalten. Die Länder könnten zum Beispiel die Regeln gegen Überdüngung konsequenter durchsetzen.
Potenziell gesundheitsschädliches Nitrat aus Stickstoffdüngern belastet Grundwasser, aus dem das meiste Trinkwasser gewonnen wird. In der Umwelt trägt zu viel Dünger zum Aussterben von Pflanzen- und Tierarten sowie zum Klimawandel bei.
„21 der insgesamt 40 Grundwasserkörper beziehungsweise zwei Drittel der Gesamtfläche der Flussgebietseinheit Ems auf deutschem Gebiet befinden sich in einem schlechten chemischen Zustand“, so die Umwelthilfe. Hauptgrund dafür sei, dass die Bauern im Schnitt mehr mit Stickstoff düngten, als die Pflanzen aufnehmen könnten (siehe taz-Faktencheck). So entsorgen sie die Gülle, die etwa in Schweineställen anfällt. Die Umweltschützer kalkulieren, dass Niedersachsen 200.000 Hektar größer sein müsste, um die Massen an Exkrementen und Gärresten aus Bioagasanlagen „bedarfsgerecht auf die Felder auszubringen“.
„Die Gülle steht uns bis zum Hals“
„Die Wurzel allen Übels ist die auf intensive Landwirtschaft ausgerichtete Agrarpolitik“, sagte Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Umwelthilfe. Den Wasserversorgern falle es immer schwerer, die Trinkwasserqualität zu erhalten, was am Ende die Verbraucher über die Wasserrechnung bezahlten. „Das ist die Folge jahrelangen Versagens der Bundes-, aber auch der Landesregierungen. Die Gülle steht uns bis zum Hals.“
„Wir brauchen einen fairen Umbau der Tierhaltung in Deutschland“, verlangte Olaf Bandt, Vorsitzender des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND), der die Klage unterstützt. Dabei sollten „gute Einkommen“ der Bauern sichergestellt werden. Dazu müsse der Deutsche Bauernverband seine Blockade gegen eine Umverteilung der EU-Agrarsubventionen aufgeben.
Konkret sprechen sich die beiden Umweltverbände dafür aus, dass nur noch höchstens zwei Großvieheinheiten pro Hektar gehalten werden dürfen. Das entspricht zum Beispiel 2 Milchkühen, 13 Mastschweinen oder 640 Legehennen. Dadurch würde automatisch genügend Fläche zur Verfügung stehen, um die Exkremente umweltgerecht zu entsorgen. Außerdem wollen die Umweltschützer, dass der Staat Biobauern besser fördert, da deren Höfe in der Regel eine bessere Stickstoffbilanz haben.
Die Verbände berufen sich in ihrer Klage unter anderem darauf, dass der Europäische Gerichtshof Deutschland bereits verurteilt hat, weil es seit Jahren die Nitrat-Richtlinie verletze. Weil die EU-Kommission wieder mit einer Strafzahlung gedroht hat, verschärft die Bundesregierung derzeit die Düngeverordnung von 2017. Unter anderem dagegen haben bereits mehrfach tausende Bauern demonstriert, weil sie finanzielle Verluste befürchten. Anfang Oktober entschied der Gerichtshof, dass es ein „Recht auf sauberes Wasser“ gebe, das auch von Privatpersonen eingeklagt werden könne.
Vorbild für die Klage sind die Prozesse der Umwelthilfe wegen der zu hohen Stickoxid-Belastung der Luft in mehreren Städten. Damit erreichte die Organisation zum Beispiel Fahrverbote für besonders dreckige Dieselautos in bestimmten Straßen.
„Die Klage der Umwelthilfe stößt bei mir auf absolutes Unverständnis“, sagte Nordrhein-Westfalens Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU). Dadurch könnten Maßnahmen zur Senkung der Nitratwerte sogar ausgebremst werden. Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) teilte mit: „Wir haben ein Problem mit Nitratbelastung, aber wir handeln längst“. Er werde die Klage „sorgfältig bewerten“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin