Über 20.000 bei Mietendemo in Berlin: Immobilienhaie zu Fischbrötchen
Am Samstag haben steigende Mieten wieder viele Menschen in Berlin auf die Straße gebracht. Dabei gerät auch die SPD ins Schussfeld.

Während die Unteilbar-Demonstration letzte Woche kleiner als erwartet ausgefallen war, zieht das Thema Wohnen also weiterhin Menschen auf die Straße. Vom Alexanderplatz ausgehend zieht der Protestzug lautstark bis zur Siegessäule am Großen Stern. Die Demonstrierenden zeigen sich bunt und kreativ: Am Brandenburger Tor empfängt die Sambaband Green Igelz sie mit einer kraftvollen Trommeldarbietung.
Mittendrin besingt der Kreuzberger Kiezchor Lauratibor den kollektiven Widerstand – von einer Protestband mit Kontrabass, Keyboard, Trompete und Posaune begleitet. Auf Plakaten wird etwa gefordert, Immobilienhaie in Fischbrötchen zu verwandeln. Insbesondere im vorderen Teil der Demo und im Enteignungsblock ertönen antikapitalistische Sprechchöre.
Ein junger Mann erzählt der taz, sein Haus sei kürzlich von einem Investor aufgekauft worden, der keinen Hehl aus seinen Ambitionen mache, das Gebäude zu entmieten und in Eigentumswohnungen umzuwandeln. „Manche Menschen wohnen seit 25 Jahren im Haus, von denen weiß keiner, wo sie hin sollen, wenn wir tatsächlich rausmüssen“, sagt er. „In München haben wir den Wahnsinn bereits seit 1990“, sagt Volker Raststätter, Geschäftsführer des dortigen Mietervereins, zu Beginn der Demonstration der taz. Mittlerweile lägen die Mieten dort bei über 20 Euro kalt pro Quadratmeter, das könne sich selbst die gehobene Mittelschicht nicht mehr leisten. Entsprechend plural sind dann auch die Anliegen der Demonstrierenden.
Am Samstag ist auch Tag der Wohnungslosen
Ganz hinten, wohin die Veranstalter:innen die Parteien verbannt hatten, marschieren sogar einige Genoss:innen der SPD mit. Deren Berliner Spitzenkandidatin Franziska Giffey hat sich wiederholt klar gegen die Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne ausgesprochen, einem Kernanliegen der Demonstration. Auf diesen Widerspruch angesprochen verweisen die Genoss:innen auf die unterschiedlichen Positionen, die auf der Demonstration vertreten würden. Derweil erklärt der anarchistische Frontblock in lautstarken Sprechchören, die Sozialdemokratie habe die Mieter:innen verraten – und ruft zur Revolution auf.
Bundesweit zur Demonstration mobilisiert hatte das Aktionsbündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn, das Bündnis Mietenstopp sowie das Berliner Volksbegehren Deutsche Wohnen & Co enteignen. Der Protest steht auch im Zeichen des Tags der Wohnungslosen, welcher ebenfalls am Samstag ist. Zunehmend würden Menschen auf der Straße oder in Notunterkünften landen, weil sie keinen bezahlbaren Wohnraum mehr finden, hieß es im Demoaufruf.
Schon eine Stunde vor Demonstrationsbeginn haben sich etwa 150 Menschen, die später den anarchistischen Block bilden, vor der teilbesetzten „Köpi“ in Kreuzberg versammelt. In Form einer Zubringerdemo laufen sie gemeinsam zum Alexanderplatz und protestieren dabei für den Erhalt linker Freiräume. Der vorgelagerte Wagenplatz der seit 1990 besetzten „Köpi“ ist derzeit akut von einer Räumung bedroht. Im Juni hatte der Eigentümer, die Briefkastenfirma Startezia GmbH, ein Räumungsurteil erwirkt.
„Wir werden nicht widerstandslos gehen“, kommentiert dies ein Redner vor der Köpi. Die Vorbereitungen für den „Tag X“ der Räumung würden im Hintergrund laufen. Die Briefkastenfirma bezeichnet er als „kapitalistisches Monster“, das ihr Zuhause in Profit verwandeln wollte. Dabei seien es solche Orte, die „Berlin zu einem besonderen Ort machen“, so der Redner.
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