USA, Ampel, Klima: Der Westen, der nur noch als Feindbild funktioniert
In den USA gewinnt Donald Trump die Präsidentschaftswahl, in Deutschland kandidiert Robert Habeck. Und die Klimakrise verschärft sich weiter.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Haha, habt Ihr sonst noch Fragen?
taz: Und was wird besser in dieser?
Küppersbusch: Man sollte sich davor hüten, zu sagen „Schlechter kann’s ja nicht werden“.
taz: Donald Trump wird erneut Präsident der USA, des mächtigsten Landes der Welt. Die deutsche Ampel-Koalition scheitert am selben Tag. Ist das der Niedergang der liberalen Demokratie im Westen?
Küppersbusch: Nicht kleckern, klotzen: warum nicht gleich der Niedergang des Westens? Was unsere eigene, weit über das Galaktische hinausragende Bedeutung angeht, unterliegen wir schon länger einer Linsentrübung. Die BRICS-Staaten, das Schurkenkartell China und Russland, die Dritte Welt und arabische Länder: Das sind die letzten Orte, wo „der Westen“ zuverlässig funktioniert – als Feindbild für alle anderen, die es zusammenbringt. Trump wütet gegen den selbstmästenden Schmarotzer Deutschland, Friedrich Merz will als „führende Mittelmacht“ dagegen halten. Wir werden zu dem Witz, den die anderen schon lange über uns machen.
taz: Eigentlich hatte Robert Habeck der Plattform X schon 2019 abgeschworen – jetzt meldete er sich mit einem kryptischen Video, gespickt mit Hinweisen auf seine Kanzlerkandidatur, zurück. Am Handgelenk ein Perlenarmband im Taylor-Swift-Style: „Kanzler-Era“. Wie authentisch ist das?
Küppersbusch: „Politiker müssen dahin gehen, wo die Menschen sind“. Habeck besucht lieber die Bots. Nachdem er 2019 gewütet hatte, Bayern müsse „endlich wieder Demokratie“ werden, meldete er seinen Account schwer verkatert ab: Da habe wohl das „spaltende und polarisierende“ auf ihn abgefärbt. Danach kaufte Elon Musk Twitter für 44 Mrd. US-Dollar und ruinierte es auf den aktuellen Börsenkurs von unter 10 Mrd. – mit noch viel mehr Hassrede und Trollfutter. Früher nutzten viele Redaktionen Twitter-Trends, um zu schauen, was die Leute so denken. Heute eher, um nachzuschauen, was die Irren wollen, dass die Leute es so denken. Das ist ein Fortschritt. Habeck kündigt zugleich Heimsuchungen am Küchentisch an und, was an die Wohnzimmerkonzerte der „Toten Hosen“ erinnert. Bisschen was von allem für alle – oder eben das, was er wie kein anderer kann: Offensive Ratlosigkeit.
taz: Laut EU-Klimadienst Copernicus wird 2024 das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Gleichzeitig jagt eine Naturkatastrophe die Nächste: Fluten in Spanien, Brände in Kalifornien. Ist diese Welt noch zu retten?
Küppersbusch: Deutschland bestaunt gerade die Kernschmelze einer Regierungskoalition, die auf dem Papier ideal dafür aufgestellt war: Die Grünen fordern Klimapolitik, die SPD sagt „aber die kleinen Leute“, und die FDP sagt „scheißegal was, Hauptsache es wird ein Geschäft draus“. Wenn diese Konstellation es nicht auf die Reihe bekommt, darf man dunkelmütig werden.
taz: Der Geschäftsklimaindex für die Autoindustrie ist im Oktober weiter gefallen, sagt das Münchner ifo Institut. VW-Konzernchef Oliver Blume sagte dazu: „Das ist kein Theaterdonner. Die Lage ist tatsächlich ernst.“ Ist die Autonation Deutschland nun endgültig in der Sackgasse?
Küppersbusch: Ja, ihr letzter Verbündeter strauchelt gerade – die SPD. Kanzler Scholz’ „Industriegipfel“ sollte ein Paket für E-Mobilität anschieben. Nun droht der Kanzler, uns bis zur Vertrauensfrage den bitteren Lacher zu servieren, wie Union und FDP im Bundestag ein Auto-Paket niederstimmen, Ukraine-Hilfen ablehnen und die FDP sich mit einem Nein zu Steuersenkungen weiter verhorstet. Lustige Wahlkampfkracher, wenn es noch dazu kommt. Die Autoindustrie hatte ihre langen Produktionszyklen gen Strom umjustiert und will jetzt nicht wieder raus aus den Kartoffeln, sie sieht zudem ihre Marktanteile etwa in China abrauchen. Das ist ein selbstverschuldeter Totalschaden, lange genug hat man sich etwa mit Abgasbetrug die Stinker grün gelogen. Verantwortliche Politik fordert nicht „Freie Fahrt nach gestern“, sondern überlegt, wie es nach dem Crash weitergeht. Verbrenner mit sechs Rückwärtsgängen werden es nicht sein.
taz: Bei einer Razzia wurden in Sachsen und Polen acht mutmaßliche Mitglieder einer rechtsextremistischen Gruppierung festgenommen. Die meisten von ihnen stehen in Verbindung mit der AfD, die bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen im Spätsommer über 30 Prozent holte. Macht Ihnen das Angst?
Küppersbusch: Dass eine Funktion der AfD als parlamentarischer Arm von Rechtsterroristen enttarnt wird, sollte der AfD Angst machen, nicht mir.
taz: Und was macht der RWE?
Küppersbusch: Stürzte Tabellenführer Cottbus mit einem verblüffenden 4-0 und überdeckt damit vorerst heftiges Knirschen im Management.Fragen: Christina Koppenhöfer
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