US-Profiathleten gegen Rassismus: Protest auf dem Podest
Bei den Panamerikanischen Spielen setzen zwei US-Athleten bei der Siegerehrung politische Zeichen. Nun ist ihre Olympiateilnahme in Gefahr.
A m Sonntag gingen die 19. Panamerikanischen Spiele in Lima zu Ende. Peru war zum ersten Mal Gastgeber, aber sonst war alles wie immer: Es wurde gerannt und gehüpft, geschwommen, geradelt, geschmettert und geschlagen. Die USA führten nach 419 Entscheidungen das allseits beliebte Medaillenzählen mit großem Vorsprung an, es gab ein eher gruseliges Maskottchen und zum Abschluss ein großes Feuerwerk.
Neu ist allerdings: Der Protest US-amerikanischer Profiathleten hat nun den olympischen Sport erreicht. Am Freitag kniete der Florettfechter Race Imboden, als für ihn und sein siegreiches Team die US-Nationalhymne gespielt wurde. Tags darauf reckte Gwen Berry, Goldmedaillengewinnerin im Hammerwerfen, gegen Ende der Hymne die rechte Faust zum Black-Power-Gruß. Die beiden nutzten die internationale Bühne, um auf Missstände in ihrer Heimat hinzuweisen.
„Jemand muss über die Dinge sprechen, die zu unangenehm sind, um darüber zu sprechen“, teilte die Afro-Amerikanerin Berry dem Massenblatt USA Today mit, nachdem sie sich mit ihrer Aktion in die Tradition der US-Sprinter Tommie Smith und John Carlos gestellt hatte, die nach ihrem Protest 1968 aus der Olympiamannschaft ausgeschlossen wurden.
„Jemand muss sich gegen die Ungerechtigkeiten stellen, die es in Amerika gibt und gegen einen Präsidenten, der diese Ungerechtigkeiten noch schlimmer macht. Das alles ist zu wichtig, als dass man nichts sagen könnte. […] Denn wenn darüber nicht gesprochen wird, dann wird auch nichts getan, und nichts wird sich ändern. Amerika ist das beste Land der Welt, aber momentan stehen wir vor allem für extreme Ungerechtigkeit.“
Auch Imboden stellte klar, dass er sich mit seiner Aktion ausdrücklich in die Tradition des Quarterbacks Colin Kaepernick stellte, der vor Footballspielen so lange kniend gegen die rassistische Realität in den USA protestiert hatte, bis er keinen Arbeitsplatz in der NFL mehr fand. Eine Tradition, die von Footballkollegen und Amateursportlern, aber auch anderen Profis wie der Fußballerin Megan Rapinoe kopiert und weitergetragen wurde.
Ein Wandel ist notwendig
„Wir brauchen einen Wandel“, schrieb der 26-Jährige Imboden auf Twitter. Er sei stolz darauf, sein Land bei den Pan-Am Games vertreten zu haben. „Aber mein Stolz ist schal durch die vielen Mängel des Landes, das ich von ganzem Herzen liebe. Rassismus, Waffenkontrolle, die miese Behandlung von Immigranten und ein Präsident, der Hass verbreitet, sind nur der Anfang einer langen Liste.“
Nun aber drohen den US-Athleten Konsequenzen. Das Nationale Olympische Komitee der USA (USOPC) veröffentlichte nach beiden Protestaktionen gleichlautende Statements. Man respektiere das Recht von Sportlerinnen und Sportlern, einen politischen Standpunkt zu haben. Der dürfe aber nicht öffentlich ausgedrückt werden, solange man in einem von den USA bezahlten Trainingsanzug steckt. Tatsächlich haben alle US-Athleten vor den Spielen eine Erklärung unterschrieben, mit der sie sich verpflichten von „Bemerkungen oder Propaganda politischer, religiöser oder rassischer Natur“ abzusehen.
Noch ist nicht klar, welche Konsequenzen den Protestierenden drohen. Darüber berät das USOPC noch. Schon wird spekuliert, ob sich Berry und Imboden einen Karriereknick wie Kaepernick droht. Nächstes Jahr stehen Olympische Spiele an. Das IOC ist bekannt für seine Angst, ihre globale Bühne könnte für etwas anderes missbraucht werden als für die Propagierung hemmungslosen Konsums. Man darf gespannt sein, ob Gwen Berry und Race Imboden in Tokio für die USA an den Start gehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation