Bildband über Sport im Jahr 1968: 1968, auch das Jahr des Sportfotos
Die gesellschaftlichen Umbrüche von 1968 haben auch Spuren im Sport hinterlassen. Ein Bildband von Christian Becker zeigt Momente des Protests.
Es ist schon erstaunlich, dass wir zwar einerseits dem Jahr 1968 das vermutlich bislang berühmteste Sportfoto der Geschichtsschreibung verdanken, andererseits aber der Sport in all den vielen Achtundsechziger-Rückschauen, die im auslaufenden Jahr getätigt wurden, so gut wie gar nicht behandelt wurde. Christian Becker hat sich verdienstvollerweise daran gemacht, mit noch mehr Bildern zu beweisen, dass 1968 für den Sport und damit auch für die Gesellschaft von enormer Bedeutung war.
Selbstverständlich hat Becker auch das berühmte Foto mit Tommie Smith und John Carlos (und, viel zu oft vergessen: der mit ihnen solidarische Silbermedaillengewinner Peter Norman aus Australien) abgebildet, die bei der Siegerehrung des 200-Meter-Laufs bei den Olympischen Spielen in Mexiko, für Black Power demonstrierten. Aber im Buch wird auch der tschechoslowakische Langstreckler Emil Zátopek gezeigt, wie er für den Prager Frühling eintritt.
Und Arthur Ashe, der schwarze Tennisprofi und spätere Historiker, der 1968 die US Open gewann (merkwürdigerweise zeigt das Foto allerdings Ashe im Halbfinale von Wimbledon). Und Billy Jean King, die lesbische Tennisspielerin, die 1968 Wimbledon gewann. Und George Best, der wohl erste und größte Popstar der Fußballgeschichte. Da kommt nicht einmal Pele als Karnevalsprinz oder ein sich royal gebender Johan Cruyff mit. Und schon gar nicht der alles andere als antiautoritäre Max Merkel, der 1968 den 1. FC Nürnberg zum deutschen Meister-Titel führte.
„1968 im Sport. Eine historische Bilderreise“, von Christian Becker. Erschienen im arete Verlag, Hildesheim 2018, 124 S., 18 Euro.
Sport war ein integraler Teil des Umbruchs
Es sind die Fotos in Beckers Buch, die beweisen, dass Sport integraler Teil des gesellschaftlichen Umbruchs war, für den die Chiffre 1968 steht. Und bemerkenswerterweise sind es nicht die Essays, die er von sportpolitischen Achtundsechzigern versammelt hat.
Was Autoren wie Sven Güldenpfennig, einst in Deutschland Mitbegründer einer marxistischen Sportkritik der Neuen Linken, Franz-Josef Kemper, 1968 Olympiateilnehmer im 800-Meter-Lauf, oder Margret Beck, die als rhythmische Sportgymnastin aktiv war, notieren, deckt zwar in gewisser Weise ein paar der relevanten Aspekte ab, aber die Bedeutung des Umbruchs können diese Texte nicht vermitteln.
Richtig gehend ärgerlich ist ein kurzer Aufsatz der früheren Diskuswerferin Brigitte Berendonk, Olympiateilnehmerin 1968, die im Rahmen ihrer Antidopingargumentation die sowjetischen Leichtathletinnen Tamara und Irina Press als „Mannweiber“ und „Press-Brothers“ verhöhnt, und der zu den „Geschlechtskontrollen durch Ansehen“, also dem entwürdigenden Schaulaufen nackter Sportlerinnen vor einer Jury, auch im Jahr 2018 partout nichts Kritisches einfallen will.
Zusammengefasst: Es ist ein Befund, der so gar nicht zum theorielastigen Datum 1968 passen will, der auf dieses Buch zutrifft: Die Fotos sind großartig, die Texte hätte es nicht gebraucht.
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