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US-Präsident auf Europa-TourFeige und zu kurz gedacht

Felix Lee
Kommentar von Felix Lee

US-Präsident Biden will die demokratischen Länder hinter sich scharen, um Peking vereint entgegenzutreten. Berlin sollte die Chance nutzen.

Joe und Jill Biden auf dem Weg zum Fototermin in Carbis Bay, Cornwall Foto: Patrick Semansky/reuters

D ie USA sind zurück. Und anders als Donald Trump setzt Joe Biden auf die transatlantischen Bündnispartner, ist mehr um Multilateralismus bemüht und hält die Verteidigung von Demokratie und Freiheit für ein wichtiges Anliegen.

Nun ist Biden erstmals als US-Präsident auf Europa-Tour: Am Wochenende trifft er die G7-Regierungschefs im südenglischen Cornwall, gleich danach reist er weiter zum Nato-Gipfel nach Brüssel, im Anschluss daran sind Gespräche mit sämtlichen EU-Regierungschefs geplant. Und er hat einiges im Gepäck: eine globale Unternehmensteuer, konkrete Maßnahmen zur weltweiten Coronabekämpfung, mehr Tempo beim Klimaschutz. Vor allem aber plant er eine neue globale Infrastrukturinitiative als Alternative zum aggressiven Machtstreben Chinas.

Über Bidens Vorstöße müssten sich die freiheitlich orientierten und progressiven Kräfte Europas eigentlich freuen. Doch von Euphorie ist in Brüssel, Berlin und Paris wenig zu spüren. Vor allem die Bundesregierung hält sich bedeckt, wirkt hinter den Kulissen geradezu blockiert.

Ein Grund für die Skepsis der Europäer ist durchaus nachvollziehbar. Die Trump-Jahre haben sie gelehrt, dass Europa sich nicht auf die USA als stets verlässlichen Garanten von Freiheit, Demokratie und Wohlstand stützen sollte. Deswegen wollen die Europäer jetzt auf eigenen Beinen stehen. Und wie schon bei seinem Vorgänger Trump gilt auch unter Biden: America first.

Inszenierung als globaler Wohltäter

Das zeigt sich nicht zuletzt an der Impfstoffbeschaffung. Erst jetzt, nachdem ein Großteil der US-Bevölkerung durchgeimpft ist, will Biden den armen Ländern eine halbe Milliarde Impfstoffdosen zur Verfügung zu stellen. Dabei inszeniert er sich als globaler Wohltäter. Bundeskanzlerin Angela Merkel hält das zu Recht für scheinheilig.

Der weitere Grund für ihre Zurückhaltung ist aber zu kurz gedacht – und feige: Gerade Deutschland will China nicht verärgern. Bidens großes Projekt ist ein Gegenprogramm zur neuen Seidenstraße, dem gigantischen Investitionsprogramm, mit dem Peking immer mehr Länder des Globalen Südens an sich bindet. Die westlichen Industriestaaten hatten dem bislang wenig entgegenzusetzen.

Unter dem Label „Build Back Better World“ (B3W) präsentieren die USA nun ein Gegenmodell, offiziell mit dem Ziel, in weniger entwickelten Ländern nachhaltige Infrastrukturprojekte zu fördern und damit Alternativen zu den chinesischen Investoren zu bieten. Aber das eigentliche Ansinnen der USA ist klar: China in Schach zu halten.

Da sollte die Bundesregierung mit ganzem Herzen dabei sein, doch sie tut sich schwer. Zu groß ist der Einfluss der Großindustrie mit ihrer starken Präsenz in der Volksrepublik auf das Kanzleramt. Die Angst dieser Unternehmer: Xi Jinping könnte gerade der Autoindustrie empfindlich schaden, wenn er ihr den Marktzugang erschwert.

Machthungrige Volksrepublik

Merkel übersieht, dass ihr Peking-freundlicher Kurs überholt ist und Biden heute recht hat. Denn China ist nicht mehr dasselbe Land wie noch vor 10 Jahren, als es bescheiden auftrat und vor allem von anderen lernen wollte. Unter Xi hat die Welt es zunehmend mit einer machthungrigen Volksrepublik zu tun, die ihre Interessen skrupellos durchsetzt.

Auch deutsche Unternehmen haben es dort inzwischen schwer. So eigennützig Bidens Vorstöße sein mögen – er bietet den Europäern die Möglichkeit, eine Allianz der Kräfte zu schmieden, die mit konkreten Vorhaben dem weltweit zunehmenden Einfluss von Autokratien wie China und Russland Einhalt gebietet.

Schon in zwei Jahren könnte es damit vorbei sein, wenn Biden die Mehrheit im Kongress bei den Midterm-Wahlen womöglich verliert. Die oppositionellen Republikaner – wahrscheinlich unter Trump – wären imstande, die Vorhaben des Präsidenten allesamt zu blockieren. Die Europäer sollten daher die Chancen ergreifen, die Biden ihnen eröffnet. Denn ein besseres Angebot aus den USA ist in absehbarer Zeit nicht zu erwarten.

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Felix Lee
Wirtschaft & Umwelt
war von 2012 bis 2019 China-Korrespondent der taz in Peking. Nun ist er in der taz-Zentrale für Weltwirtschaft zuständig. 2011 ist sein erstes Buch erschienen: „Der Gewinner der Krise – was der Westen von China lernen kann“, 2014 sein zweites: "Macht und Moderne. Chinas großer Reformer Deng Xiao-ping. Eine Biographie" - beide erschienen im Rotbuch Verlag.
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10 Kommentare

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  • Spaßfakt: "feige und zu kurz gedacht" ist ein Anagramm von "Bundesrepublik Deutschland" mit abweichenden Buchstaben!

  • Die Europäer machen sich Illusionen. Sie wollen gar nicht auf eigenen Beinen stehen. Das ist ihnen viel zu teuer und anstrengend. Sie wollen sich durchlavieren, es sich mit niemandem verscherzen und wirtschaftlich profitieren. Die Deutschen sind dabei sogar noch die Schlimmsten, einfach weil sie es besser machen könnten. Das alles war aber immer schon so, mit Trump hat das alles ganz wenig zu tun und Biden führt auch nur eine ganz natürliche Politik Obamas fort. Selbstverständlich ist seine Politik eigennützig. Was denn auch bitte sonst? Dass Biden jetzt 500 Millionen Impfdosen verschenkt ist auch nicht heuchlerisch und an Heuchelei haben Deutschland und die EU auch selber genug zu bieten. Das alles geht aber am Kern vorbei. Der Kern ist, dass Europa, wenn es so weiter macht, sich sehr schnell höchstens noch wird aussuchen können, ob es lieber von den USA oder von China dominiert werden möchte. Wahrscheinlich noch nicht mal das, wahrscheinlich wird es sowieso China. Das wird nämlich über seine Macht in Afrika sowohl Rohstoff- als auch Lebensmittel kontrollieren, China wird einfach die Märkte verändern, ja, es wird sie abschaffen indem es dafür sorgt sich zuerst bedienen zu können. Und die neue Seidenstraße ist folgerichtig ein Projekt, das nicht nur die Waren, sondern die Transportwege und die regionalen Märkte kontrollieren will. Dass China irgendwann mal die deutschen Autobauer rauswirft ist demgegenüber eine Kleinigkeit. Die deutsche Illusion von einer freien Weltwirtschaft, in der man aufgrund seiner Innovationsfähigkeit gut hinkommt, könnte sehr schnell und sehr bitter begraben werden müssen.

    • @Benedikt Bräutigam:

      Europa ist nun mal im Vergleich zu China und USA eher politisch amorph. 'Die Europäer' das sind btw etwa 50 Länder, davon 27 in der EU. Wahrscheinlich meinen Sie die. Einige wollen 'auf eigenen Beinen stehen' aber alle wollen im Zweifelsfall das Beste für ihr Land.



      Wenn es mehr Corporate Identity in der EU geben würde, könnte Deutschland auch eine andere Politik gegenüber China und den USA praktizieren.



      Aber so bleibt halt nur die tatsächlich oft als 'lavierend' empfundene Politik der Äquidistanz zu den big players. Mir fällt ehrlich gesagt nichts Besseres ein, obwohl das häufig nicht gerade schick aussieht.



      Immerhin sind die Alarmglocken hinsichtlich Chinas Imperialismus gehört worden und unübersehbar gibt es bereits einige abschreckende Beispiele von Ländern, die sich bei der 'Kooperation' mit China blutige Nasen geholt haben.



      Letztlich wird auch China (wirtschaftlich) nicht gegen den ziemlich großen Rest der Welt ankommen. Die Selbsterhaltung wird vermutlich noch so manche unverhoffte Koalition zwischen den China-Antagonisten erzwingen.



      Was durchaus und wie gewohnt in der konkreten Politik mit diversem Krötenschlucken verbunden sein wird.

  • "Denn China ist nicht mehr dasselbe Land wie noch vor 10 Jahren, als es bescheiden auftrat und vor allem von anderen lernen wollte." ... mit anderen Worten: Wenn China wieder "bescheiden" auftreten würde, dann wäre uns China recht und lieb. Jaaaa - so lieben wir den "Westen" - andere sollen immer schön bescheiden bleiben, während "wir" uns die dicken Brocken holen

    • @bruno.der.problembär:

      Dann interessieren uns die Uiguren auch wieder so viel, wie die letzten 20 Jahre. Überhaupt nicht.

  • Wenn wir, was ich bezweifle, China niedergerungen haben, kommt als nächstes Indien und dann...

    Wie lange werden unsere Gesellschaften wohl diesen ruinösen Weltmachtwahn überleben?

    Oder versuchen wir einfach mal, zu begreifen, dass die Zeiten vorbei sind, in denen das westliche Abendland die Geschicke der Welt lenken konnte?

  • "US-Präsident Biden will die demokratischen Länder hinter sich scharen, um Peking vereint"

    Warum?



    * Peking hat sich Tibet einverleibt



    * kastriert Uiguren



    * wird in wenigen Jahren Taiwan angreifen - das der Westen nicht als eigenständiges Land an erkennt

    Anonsten bedroht China uns nicht. OK, die Industrie jammert, weil man will den Markt aber nicht nach deren Regeln spielen. Wie damals die Engländer. Also einfach dort nichts verkaufen oder herstellen!

    PS: "Biden will die demokratischen Länder hinter sich scharen" Warum? Weil die mehr A und H Bomben haben als jeder andere?



    Die EU hat mehr Einwohner, mehr konventionelle Waffen und ist wirtschaftlich stärker. Es wird Zeit das die EU klar macht: Wenn hier einer führt, dann WIR!

  • Die Autoindustrie ist sowieso weg. Auf die sollten wir nicht zählen.

    Die tut noch so, um auf ihrem Weg raus möglichst viel Tafelsilber mitgehen zu lassen. Wir sollten schauen, dass wir ohne sie auskommen.

    • @tomás zerolo:

      naja, weg vielleicht nicht, aber auf dem Weg einer Transformation mit weniger Arbeitsplätzen...

      • @Grauton:

        Und geringeren Marktanteilen weltweit.

        Die Chinesen bauen jetzt schon die besseren Elektromobile vor allem im 2 Rad Segment.

        Tesla macht immer noch kaum Gewinn mit Ihren Autos... Ohne Emissionshandel und Nebengeschäfte sogar Minus.

        Ich denke es wird in absehbarer Zeit ein chinesischen Kleinwagen Hersteller im VW Format geben der weltweit die Preis/Leistung besten Elektro Autos produzierent.

        Welche Rolle Deutschland noch spielen wird muss sich noch zeigen, weil es um eine ganz andere Technologie geht bei der Deutschland keinen Vorsprung hat, eher im Gegenteil. Wir werden sehen.