US-Ausstieg aus Klimaabkommen: 6 Gründe, warum wir jetzt auf Klimaschutz setzen müssen
Donald Trump steigt wieder aus dem Pariser Klimaabkommen aus. Gerade deshalb sollte Europa auf Transformation und Klimaschutz setzen.
![Autos stapeln sich in den Straßen von Valencia nach der Flutkatastrophe im November 2024. Autos stapeln sich in den Straßen von Valencia nach der Flutkatastrophe im November 2024.](https://taz.de/picture/7516738/14/37508765-1.jpeg)
1. Klimaschutz ist billiger als Klimaanpassung
„Alles, was man verhindert, muss man nicht reparieren“, sagt Rüdiger Glaser, Klima-Geograf der Universität Freiburg. „Je weniger wir für Klimaschutz bezahlen, desto mehr müssen wir später für Klimaanpassung ausgeben, das fällt uns auf die Füße.“ Außerdem sei weiterhin nicht hinreichend erforscht, wie alle Teile des Erdsystems auf die Erderhitzung reagieren, deswegen sei Anpassung mit großen Unsicherheiten verbunden – oder extrem teuer, wenn man sich gegen alle Szenarien wappnen will.
Zum Beispiel sei die Heftigkeit der Überschwemmungen im spanischen Valencia überraschend gewesen. Im Herbst 2024 starben dort mehr als 200 Menschen. „Klimaschutz verhindert solche extremen Spitzen“, sagt Glaser. „Wir tun einfach gut daran, unseren Teil beizutragen, schließlich kommen die Klimafolgen auch bei uns an.“
Die Fluten im Ahrtal 2021 richteten Schäden in Höhe von 33 Milliarden Euro an. „Bei zwei oder drei Ahrtal-Ereignissen im Jahr ist die Frage, ob wir das bezahlen können. Da kommt man schnell an die Grenzen dessen, was eine Gesellschaft leisten kann“, sagt Glaser.
2. Die deutsche Industrie kann nicht mehr umdrehen
„Für die Unternehmen geht es um Stabilität und Planungssicherheit“, sagt Malte Küper, Klima-Ökonom beim arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Ein Drittel der Unternehmen setze bereits auf die Klimatransformation als Geschäftsmodell. „Die Unternehmen sehen den Wandel der Exportgüter: Sie wollen vom Wachstum grüner Produkte profitieren, während der Markt für fossile Produkte schrumpfen wird.“ Unternehmer*innen, sagt Küper, investierten weniger wegen der Demos von Fridays for Future, „sondern weil sie mit klimafreundlichen Produkten Geld verdienen können“.
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Die Firma Salzgitter-AG steckt zum Beispiel sehr viel Geld in die Dekarbonisierung der Stahlherstellung. Diesen grünen Stahl wird sie aber nur los, wenn die europäische und die deutsche Politik dafür sorgen, dass er billiger wird oder dreckiger Stahl teurer. Denn sonst kann der grüne Stahl im Preiswettbewerb nicht mithalten – und Salzgitter hat Geld in den Sand gesetzt.
Sebastian Dullien, Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK)
„Wir wollen der Standort sein für den ersten grünen Zement, den ersten grünen Stahl“, sagt Küper. Dafür müsse massiv in die Infrastruktur investiert werden. Das sei aber nur möglich, wenn durch staatliche Unterstützung die Wirtschaftlichkeitslücke zwischen fossiler und erneuerbarer Energie geschlossen werde, und zwar noch bis in die 2030er-Jahre hinein. Ein Beispiel dafür seien die Klimaschutzverträge, die Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eingeführt hat.
Ralph Obermauer, Autoindustrie-Experte der IG Metall, hält zudem den Umstieg auf E-Autos für unausweichlich. „Die meisten Konzerne haben mittlerweile so viel Geld investiert und die Technologie ist so weit gediehen, dass es kein Zurück mehr gibt“, sagt er.
3. Europa verspielt sonst Wettbewerbsvorteile
Die Europäische Union habe eine Vorbildfunktion beim Ausbau der erneuerbaren Energien, sagt Sebastian Dullien, Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). Vor allem aber werde der Punkt kommen, an dem sie billiger sein werden als Öl und Gas. „Das ist absehbar. Wenn wir uns von der Transformation jetzt verabschieden, ist Europa mittel- und langfristig nicht mehr wettbewerbsfähig.“
Auch Mario Draghi, der frühere Präsident der Europäischen Zentralbank, plädiert für Geduld: Die Vorteile der Energiewende würden sichtbar, wenn die billigen Erneuerbaren die teuren fossilen Brennstoffe verdrängt hätten – diese Zeit zu überbrücken sei die große Herausforderung, wenn Europa wettbewerbsfähig bleiben will. Schon jetzt bezahlt Europa 416 Milliarden US-Dollar jährlich, um fossile Brennstoffe zu importieren, das sind fast drei Prozent der Wirtschaftsleistung. Umso mehr Klimaschutz wir betreiben, desto weniger Öl, Gas und Kohle müssen wir importieren.
4. Der Globale Süden ist darauf angewiesen
Als Donald Trump den Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen ankündigte, stoppte er gleichzeitig die gesamte Klimafinanzierung des Landes. Darunter werden Kredite und Zuschüsse zusammengefasst, die Industriestaaten an Entwicklungsländer vergeben, damit jene sich an die Erderhitzung anpassen und Klimaschutz betreiben können. Die USA steuerten etwa 10 Milliarden US-Dollar bei, rund doppelt so viel wie Deutschland. Das reißt eine Lücke, die sich in unterfinanzierten Klimaschutz- und Anpassungsprojekten niederschlägt.
![Menschen in Valencia räumen ihre Stadt nach heftigen Überschwemmungen auf. Menschen in Valencia räumen ihre Stadt nach heftigen Überschwemmungen auf.](https://taz.de/picture/7516738/14/36971068-2.jpeg)
Wegen der vom Klimawandel mitverursachten Dürren müssen zum Beispiel viele Menschen auf den Philippinen, vor allem Frauen, über immer längere Strecken Wasser schleppen, berichtet Cheng Pagulayan, der bei Oxfam zu Klimagerechtigkeit arbeitet. Für die Menschen dort sei Klimaanpassung keine Option mehr, sondern ein Bedürfnis. „In den letzten Wochen“, erzählte er im November, „hatten wir sechs Stürme und zwei Super-Typhoons. Das ist nicht normal.
Pagulayan hebt Deutschlands Vorbildrolle in der Klimafinanzierung hervor: „Deutschland ist einer der größten Geldgeber in Asien und eine große Hilfe bei der Anpassung.“ Jetzt, nach dem Austritt der USA aus dem Pariser Abkommen, müsse die Bundesregierung noch mehr Führung übernehmen. „Wenn Deutschland in den Globalen Süden investiert, geben vielleicht auch andere Länder mehr Geld“, hofft Pagulayan. „Das Geld, das aktuell kommt, ist wie ein einzelner Tropfen Regen für einen Verdurstenden.“
5. China lässt uns ohnehin keine Wahl
„In China verkauft man einfach keine Verbrenner mehr“, sagt Ökonom Sebastian Dullien, „und Europa verkauft sehr viele Autos nach China.“ Auch IG-Metall-Experte Obermauer sagt, auf den wichtigsten Märkten wächst der Anteil elektrifizierter Fahrzeuge stetig. Laut zahlreicher Prognosen werde das auch so weitergehen. „Der Weltmarkt erlaubt es nicht, sich in alter Technologie einzumauern.“
Dullien zufolge ist China nicht in allen Zukunftsbranchen davongezogen, aber Europa dürfe keine Zeit verlieren: „Noch gibt es die Chance, dass wir Marktführer in CO₂-neutralen Technologien werden. Das wollen wir schaffen.“
6. Trumps Wahlsieg macht keinen gigantischen Unterschied
Carsten Rolle, Klimaexperte des Bundesverbands der deutschen Industrie, warnt davor, Trumps Einfluss auf die US-Wirtschaft zu überschätzen. Auch unter Biden habe es keinen Preis auf CO₂ gegeben, der Preis von Flüssiggas werde sich unter Trump ebenfalls kaum ändern. Das Klimaportal „Carbon Brief“ hat ausgerechnet, dass die USA bis 2030 unter Trump etwa eine Milliarde Tonnen CO₂ mehr pro Jahr ausstoßen als bei einer Fortsetzung von Bidens Klimapolitik. Aber auch jene hätte die USA nicht bis 2050 klimaneutral werden lassen.
IMK-Direktor Dullien sagt außerdem: „Mit dem amerikanischen Gaspreis können wir in Europa sowieso nicht konkurrieren.“ Die europäischen Gasvorkommen seien schließlich viel, viel kleiner.
Dass die USA überhaupt nicht mehr in Klimaschutz investieren oder ihn in allen Bereichen zurückdrehen, ist nicht zu erwarten. Auch dort hängen heute viel mehr Jobs an grünen Technologien als zu Trumps erster Amtszeit, gerade in republikanischen Staaten, sagt Küper vom IW. Ein riesiger Rückschritt würde deshalb auf größeren Widerstand stoßen. Zudem werde in den USA viel Klimapolitik von den Bundesstaaten gemacht, von denen viele weiterhin von den Demokraten regiert werden, sagt BDI-Experte Rolle. Unter anderem Kalifornien, ein US-Staat mit der Wirtschaftskraft Japans.
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